Nichts ist Zufall - Kritik zum Sci-Fi-Film Coherence

Acht Freunde treffen sich nach längerer Zeit mal wieder zum Essen. Dass am selben Abend ein Komet nahe der Erde vorbeifliegt, findet zunächst nur am Rande Beachtung. Als aber die Mobiltelefone plötzlich verrückt spielen und im ganzen Viertel der Strom ausfällt, werden erste Zweifel wach, ob es sich tatsächlich nur um ein harmloses Himmelsphänomen handelt. Doch ein Notstromgenerator schafft für Abhilfe und die Zweifel sind schnell zerstreut. Bis jemandem ein paar Straßen weiter ein zweites Haus auffällt, das offensichtlich als einziges im Viertel ebenfalls noch Strom hat. Und dann das Klopfen an der Tür, und dann diese seltsame Nachricht in vertrauter Handschrift, und dann…

Coherence

Wie gut kennst du eigentlich deine Freunde?

Coherence gehört in die kleine, aber ungemein faszinierende Gruppe von Science Fiction Filmen, die teilweise als zumindest in der Theorie bekannten Ideen etwas ganz Neues, etwas Originelles und trotzdem Unheimliches zaubern können. Im Bereich der künstlichen Intelligenz wäre The Machine zu nennen, aus dem Umfeld der Zeitreise der spanische Beitrag Timecrimes. Dazwischen steht für viele ohne Frage auch „Primer“.

James Ward Byrkits Debütfilm wirkt so konträr zu den bisherigen Produktionen, an denen er in unterschiedlichen Rollen teilgenommen hat, das der Zuschauer dass eher an einen Kompromiss erinnernde, pragmatische, aber auch zu einfach gestaltete Ende verschmerzen kann.

Die Grundidee des Films basiert weniger auf einem inhaltlichen Aspekt als dem Versuch, einen abendfüllenden Spielfilm zu improvisieren. In seinem eigenen Hause mit Freunden, die er teilweise auch beruflich kennt. Gedreht verzichtet James Ward Byrkits auf ein fertiges Drehbuch, sondern entwickelte eine Matrix, nach welcher der Plot funktionieren könnte.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn der an mehreren Abenden gedrehte Film kann ohne eine feste Struktur gar nicht funktionieren. Zu sehr interagieren die einzelnen Aspekte eines möglichen Plots, zu sehr ist das Geschehen auf Aktion und vor allem Reaktion angewiesen als das der Zuschauer eine Improvisation alleine akzeptieren kann.

Ohne Frage lebt der Film von seinen ungewöhnlich lebensechten Figuren. Wie im richtigen Leben verbergen sich hinter den Freundschaften und Beziehungen Geheimnisse, welche den Durchflug des Kometen mit den entsprechenden Folgen ins Abseits stellen. Natürlich lässt sich Coherence– es ist schwer, diesen Fachbegriff zu übersetzen, aber er trifft sowohl auf die in erster Linie fiktive Struktur des Universums als auch die kleine Gruppe zu, die sich bei Freunden zu einem besinnlichen Abend trifft – alleine durch die vielen immer weider ad absurdum geführten Thesen mehrfach sehen, aber ohne glaubwürdige Figuren, welche den Hintergrund des Geschehens vergessen lassen, könnte dieser Streifen nicht funktionieren.

Coherence

Emily (Emily Baldoni) und ihr Freund Kevin (Maury Sterling) sind wie zwei andere Pärchen, die sich teilweise untereinander kennen und früher Beziehungen miteinander
gehabt haben – zu Mike (Nicholas Brendon) eingeladen. Da Kevin Ex- Freundin Laurie – Lauren Maher – von einem anderen Mann mitgebracht wird, entspinnt sich eine Diskussion um deren wilde Vergangenheit.

Auch zwischen Kevin, einem ehemaligen Schauspieler mit einer fiktiven Roswell-Fernsehserienvergangenheit, und Emily steht es nicht zum Besten. Auch wenn Emily Kevin liebt, distanziert sie sich im Laufe des Abends mehr und mehr von ihm.

In der gleichen Nacht durchfliegt ein Komet die Atmosphäre und hinterlässt einen leuchtenden Schweif. Angeblich sollen von Kometen unheimliche Phänomene ausgehen. Nach während des Essens erlischt plötzlich das Licht im ganzen Viertel bis auf ein anderes Haus. Ein kleiner Teil der Gruppe will zum anderen Haus gehen, um dort vielleicht telefonieren zu können. Das Haus scheint dem von Mike zu ähneln. Im Verlaufe der nächsten Stunden ereignen sich möglicherweise eine Reihe von bizarren Vorgängen, die mehr oder weniger mit der „Schroedingers Katze“-Theorie erklärt werden können.

Interessant ist dabei, dass unabhängig von den Vorgängen innerhalb des Hauses und der unmittelbaren Umgebung immer wieder nicht unbedingt relevante Thesen von „außerhalb“ so durch Mike Bruder, der ein Hobbywissenschaftler ist, einfließen.

In doppelter Hinsicht ist Coherence ein Meisterbeispiel für die mögliche Manipulation von Menschen. Unabhängig vom Plotverlauf stellt James Ward Byrkit in mehreren Interviews klar, dass er sich zu den Wurzeln des Theaters zurückgezogen hat. Keine Trickeffekte, keine exakt heraus gearbeiteten Drehbücher und vor allem nur wenig Geld. Es kommt auf die Schauspieler an, welche den Plot zum Leben erwecken.

Coherence

Vom technischen Standpunkt her wäre „Coherence“ perfekt, wenn Byrkit die Kamera immer in der gleichen Schärfeeinstellung gelassen und vor allem auf die Abblendungen verzichtet hätte. Mehrfach muss die Kamera quasi erst „scharf gemacht“ werden und die Zwischenblenden erinnern den Zuschauer, dass er kein aus dem Ruder laufendes Drama in Echtzeit sieht, sondern tatsächlich einen Film.

In verschiedenen Interviews spricht Byrkit davon, dass jedem Schauspieler vor den abendlichen Aufnahmen eine Seite von Notizen gegeben worden ist, die in erster Linie neben rudimentären Informationen die Motivation der Figur an diesem Abend betrafen.

Jeder Schauspieler erhielt andere Notizen und sie durften sich auch nicht austauschen. Byrkit wollte spontane Reaktionen haben. Sie sollten sich durchaus widersprechen. Aus diesem Zusammenspiel sollte die spontane Improvisation wie bei einem Kammerspiel erfolgen.

Das bedingt aber, dass die Planung des Films nicht nur stringent, sondern vor allem variabel erfolgen musste. Die Grundidee – das Ziel dieser bizarren Reise – stand fest.Alleine der Weg war flexibel. Durch teilweise widersprüchliche Anweisungen – zu den besten Szenen gehört das Aufdecken der jeweiligen Identitäten – kann zusätzlich Verwirrung ausgelöst werden.

Das wichtigste Element ist das Verharren im eigenen fiktiven Charakter gewesen. Hinzu kam, dass sich die acht Leute nicht vorher kannten, aber doch realistisch vier Paare spielen sollten.

Es ist erstaunlich, wie gut diese acht Menschen harmonieren. Schon relativ früh hat der Zuschauer das Gefühl, als handele es sich um acht Paare – sie sind aber unterschiedliche lange zusammen bzw. verheiratet -, die sich seit dem College kennen. Sie haben gemeinsame Vergangenheiten wie die wilde Laurie oder das kurze Verhältnis zwischen der Ehefrau des Einen und einem der Männer. Sie scherzen beim Essen, die trinken und sie lästern.

Geschickt führt Byrkit eine Figur nach der anderen mit teilweise rudimentären wie fiktiven Informationen ein. An keiner Stelle bildet sich bis auf den fiktiven „Roswell“ Darsteller ein Gesamtbild heraus. Der Fokus liegt alleine auf dieser Nacht. Auch wenn es aber erstaunlich ist, das sie die acht Menschen vor der Kamera so schnell kennen lernen, gibt Byrkit dem Zuschauer eine Chance, aus der Gruppe mit Emily Foxler (Emily Baldoni) eine Protagonistin herauszupicken. Nicht umsonst durchbricht sie am Ende des Films die Regeln in mehrfacher Hinsicht.

Coherence

Im Verlaufe dieser Nacht wird aus der attraktiven blonden Frau eine Art weiteres Tor, das den Zuschauer auf der emotionalen Ebene mehr anspricht. Ihre Beziehung zu
Kevin scheint nicht einfach zu sein. Sie will ihr bisheriges Leben nicht unbedingt aufgeben und mit ihm auf eine Theatertournee gehen. Ausgerechnet Kevins Ex- Freundin Laurie taucht ebenfalls auf. Emily hat ein eher ambivalentes Verhältnis zu Kevin.

Sie liebt ihn, will aber auch ihre Unabhängigkeit behalten. Immer wieder im Laufe des Abends wird sie die Gruppe wieder zurückführen, sie mit weiteren unglaublich erscheinenden Fakten förmlich füttern und dabei deutlich zwischen den einzelnen Inkarnationen filtern. Seit John Carpenters The Thing hat sich selten Paranoia in einem abgeschlossenen, isolierten Raum – darauf wird noch einzugehen sein – in diesem Fall allerdings ohne greifbaren Katalysator ausgebreitet wie in Coherence.

Auf der anderen Seite ist Coherence ohne Kitsch oder Pathos von einer anderen Atmosphäre durchdrungen. Auch wenn wie schon angedeutet am Ende mehrere Inkarnationen wichtige Rolle spielen, muss der Zuschauer wie auch die Figuren erst einmal die Normalität des Lebens, das Nichterreichen von Zielen und vielleicht die alltägliche Langeweile im positiven Sinne akzeptieren lernen. Durch den anfänglichen Informationsaustausch erfährt der Zuschauer, dass viele der acht Menschen ihre Lebensziele nicht erreicht haben. Sie haben es sich in diesen Nischen bequem gemacht.

Zynisch wird der Streifen unbewusst, wenn offensichtlich wird, dass dieses Nichterreichen von Zielen nicht nur in diesem Leben gilt. Selten hat positiv gesprochen so viel Durchschnittlichkeit aus fasziniert.

Wie dünn das Eis ist, auf das sie sich alle in dieser Zivilisation begeben haben, zeigt sich an anderen Stellen. Als die Ereignisse außer Kontrolle geraten, hinterfragen sie die möglichen Ursachen. Mikes Bruder hat immer wieder verlauten lassen, das bei Durchflügen von Kometen vieles und alles möglich ist. Mike versucht ihn erst zu erreichen, dann ein im Grunde sinnloses Buch aus dem Auto zu holen, das Erklärungen liefern könnte.

An einer anderen Stelle wird darüber diskutiert, ob Mikes Frau Beth nicht Drogen ins Essen gemischt hat. Alleine die Existenz eines Beruhigungsmittels im Haus löst diese Vermutung aus. Es kommt zu Beschuldigungen und Verteidigungsreden. Da Byrkit in seinem Film keine wissenschaftlichen Theorien, sondern über weite Strecken paranoid erscheinende Thesen verbreitet, kann der Zuschauer diese rückblickend simple, aber nur enttäuschende Theorie zumindest nicht vom Tisch weisen.

Coherence

Einer der Gruppe ist ein ehemaliger Alkoholiker, der im Grunde den Kampf aufgibt. Ein nihilistischer Fatalismus macht sich breit. Anstatt sich als Gruppe gegenseitig zu unterstützen, brechen die Gräben auf. Diese logische, von Byrkit vielleicht auch durch seine Notizen absichtlich getriebene und mit subjektiver Kamera aufgenommene Prämisse gipfelt schließlich in zwei relativen Ausbrüchen von Gewalt.

Die Fassaden der Zivilisation sind endgültig gebrochen. Da die Akteure ausschließlich reagieren können, fühlen sie sich wie Tiere in die Enge getrieben. Selten hat man einen Science Fiction Film gesehen, der sich so wenig mit der grundlegenden wissenschaftlichen Idee, sondern den Individuen alleine auseinander gesetzt hat. Aber selten gab es einen Plot, in dem die einzige echte Aktion des Films gegen Ende zu einer Katastrophe in mehrfacher Hinsicht führte.

Ohne das Ende zu verraten muss sich Byrkit aber auch einigen Fragen stellen. Ist diese Begegnung überhaupt möglich? Andere Subgenres der Science Fiction verneinen es. Zweitens wirken Emilys Handlungen nicht konsequent genug, da sie keine Sekunde damit rechnen konnte, nicht entdeckt zu werden. Warum sie ihre Taten – sie wirken angesichts der eher atmosphärischen Spannungsentwicklung ein wenig zu brutal - nicht konsequent zu Ende führt, wird nicht erwähnt. Aber anscheinend braucht der Auteur im Regisseur diesen Moment, um seine Theorie zu beweisen.

Stellvertretend hält Byrkit vielen Zuschauern den Lebensspiegel ins Gesicht und zwingt sie, sich selbst zu hinterfragen. Wie schnell aus einer alltäglichen gemütlichen Runde von Menschen, die sich anscheinend teilweise seit den Collegetagen kennen, ein „Überlebenskampf“ in einer allerdings zugegeben extremen Situation wird, entwickelt der Film nicht nur grandios, sondern auch widerspruchslos. Die emotionale Ebene funktioniert ausgesprochen gut und macht Coherence zu den ohne Fragen sehenswertesten Streifen dieses Jahres.

Aber es gibt noch einen anderen wissenschaftlichen Aspekt, der nachdenklich stimmt. Nach dem Verlöschen des Kometen in der Atmosphäre und damit einhergehend der Normalisierung der Umstände – sie erinnern auch ein wenig an Strugatzkis Roman „Picknick am Wegesrand“ mit seinen Zonen – löst Byrkit seine distanzierte, theoretisierende Position einmalig auf und gesteht den Charakteren und damit auch dem Zuschauer zu, das er wirklich einen Science Fiction Film gesehen hat.

Bis dahin ließe sich auch David Finchers Meisterwerk Das Spiel zitieren, in dem ja Michael Douglas von seinem jüngeren Bruder gegen die Zivilisationslangeweile ein perfider, aber effektiver Streich gespielt worden ist. Tritt der Zuschauer einen Schritt zurück, dann geht es um die Quantenmechanik und damit auch Schrödingers Katze, die so lange in ihrer Kiste zwischen Leben und Nichtleben steht, wie die Box geschlossen ist.

Selten hat der Zuschauer einen Film gesehen, der diese Gedankenmodelle so überzeugend mit einfachen Mitteln erklärt hat wie Coherence und trotzdem sein Publikum faszinierte. Unabhängig von diesen Erläuterungen fügt der Film mit der „dunklen Zone“ – selten bleibt ein SF Film so oberflächlich und doch so glaubwürdig – eine Idee hinzu, für die andere Serien wie Sliders gänzlich aufwendige Wege gegangen sind.

Coherence

Da alles ausschließlich aus der subjektiven Perspektive der Charaktere erläutert wird, bleibt die Frage offen, was wirklich „real“ und was fiktiv ist. Der Spiegel hinter dem Spiegel ist wieder ein Spiegel. Das Bild, das nach unzähligen Reflexionen gesehen wird, könnte ein Abbild vom Original sein. Es muss es aber nicht zwangsläufig, da zwischen den einzelnen Spiegeln das Licht ja Raum durchdringen muss.

Obwohl die Handlung ausgesprochen verschachtelt und von einer brüchigen Balance aus Reaktion und Aktion nicht nur innerhalb der kleinen Menschengruppe im Haus, sondern verstärkter zu ihrer eingeschränkten Umgebung abhängig ist, überzeugt der Streifen. Natürlich stellen sich die Zuschauer wie die Protagonisten entsprechende Fragen. Warum fällt der Strom in der Siedlung aus? Warum sind sie alleine auf der Straße? Weiter lässt sich fragen, warum neben dem Ausfall von Handy und Internet sie nicht die möglich diskutieren, in einer der anderen offensichtlich unbeleuchteten Häuser einzudringen?

Kommen sie nicht auf diese Möglichkeit oder haben sie aufgrund der besonderen Vorkommnisse diese Alternative nicht. Ohne Frage kompromittiert Byrkit in diesem Punkt – sonst wäre es erstens zu offensichtlich und könnte zweitens die eine Mindestalternative grün nicht funktionieren – seinen Plot und versucht anfänglich das  Spektrum zu erweitern, ohne diese Komponente aktiv in die Handlung einzubeziehen. Aber das ist nicht nur hinsichtlich der Komplexität der Ideen und dem Mut, sie auf diese Art zu präsentieren, zu verzeihen.

Immer wenn die Figuren die im Grunde brüchige Sicherheit des Hauses verlassen, nähert sich der Regisseur aber auch absichtlich als weitere falsche Fährte eher dem Horrorgenre an. Dunkle Gestalten, hell erleuchtete Fenster – am Ende variiert der Autor diese Idee und der Regisseur Byrkit setzt sich unglaublich effektiv wie einfach in Szene -, gefundene Gegenstände, geheimnisvolle Botschaften. Seit Herrschaft der Schatten hat man derartig gruselige, aber auch effektive Szenen nicht mehr gesehen, die in keinem Blutbad enden.

Vor allem sie entstehen wirklich ausschließlich in der Phantasie der Zuschauer. Erst am Ende unterliegt Byrkit Plottechnisch dem Genre geschuldet der Notwendigkeit, in
einzelnen Segmenten den Schritt weiter zu gehen und etwas zu „zeigen“. Es bleibt aber offen, ob es der Beginn einer neuen Intensität dieser Nacht ist oder vielleicht nur der Abschluss einer ganzen Kette von ähnlichen Variationen. Möglichen hätte es ausreichend gegeben.

Wie bei einem Mosaik werden aber alle und wirklich alle Fragmente nicht chronologisch gezeigt, sondern müssen wild durcheinander zusammengebaut werden, damit es ein einheitliches Bild ergibt. Es ergibt sich schließlich wieder eine Art Realität, sie ist aber nicht mehr „heil“ oder objektiv. Nicht nur intellektuell werden Grenzen durchbrochen.

Coherence

Wie bei Timecrimes, der als Zeitschlaufe verschiedene Ereignisse immer leicht variiert wiederholte und damit nur bedingt dem Zuschauer einen Wissensvorsprung zu geben schien, verlaufen die einzelnen Handlungsabschnitte nicht chronologisch. Die zweite Hälfte von Coherence ist vergleichbar einem flachen Stein, der immer wieder aufs Wasser aufschlägt. Auch wenn die ausgelösten Wellen physikalisch immer gleich entstehen, sind sie nicht nur hinsichtlich ihrer Laufrichtung oder Anzahl unterschiedlich, sie begegnen ihren Vorgängern und Nachfolgern und verlieren dadurch ihre Form.

Genauso funktioniert Coherence. Es gibt keinen echten Anfang. In keiner der unzähligen Möglichkeiten – hier beschränkt sich Byrkit mehr und mehr auf Andeutungen – und es gibt kein echtes Ende. Es ist am Ende eine Unmöglichkeit der Quantenmechanik eingetreten, die in dieser Form nicht sein darf und wahrscheinlich nicht sein kann, aber der Zuschauer wird sie akzeptieren. Vielleicht weil sein Verstand mit Emile sympathisierend ihr einen Ausweg wünscht, der brachial wie brutal ist. Aber könnte sie überhaupt für ein Verbrechen an sich selbst, für einen multidimensionalen Ausbruch von Masochismus bestraft werden?

Diese Frage will der Film nicht beantworten.- Dieser Frage kann der Plot überhaupt nicht beantworten. Er will es auch nicht. Stattdessen beantwortet Byrkit eine Reihe von Fragen, die sich unzählige Zuschauer mehrfach in ihrem Leben und die acht hier versammelten Menschen spätestens an diesem Abend gestellt haben. Von dieser rückblickend erst erkennbaren sehr einfachen Frage baut Byrkit seinen Plot auf. Im Gegensatz zu anderen Filmen wie Nolans Memento wird die Chronologie relativ früh auf zwei anderen gestört. 

Da wäre die verbale Ebene mit den gut geschriebenen Dialogen, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vereinigen. Und schließlich während des Kometenfluges die Idee, das diese bislang verbale und damit passive Wunschvorstellung sind in einer Nacht während nur einiger Stunden manifestieren kann.

Coherence ist ein Film, der provoziert, verblüfft, intellektuell nicht nur die acht beteiligten Menschen herausfordert und anstrengt. Ein Film, der trotz oder wahrscheinlich wegen des geringen Budgets, dem Realismus seiner Inszenierung, der ohne Drehbuch im Grunde jeden Abend ihre Rollen neu entwickelnden Laienschauspieler und einer Variation der Quantenmechanik so gut funktioniert.

Vielleicht auch, weil Coherence den Protagonisten und den Zuschauern an keiner Stelle voraus ist. Gemeinsam müssen sie raten, unterscheiden, beurteilen. Es hängt vielleicht nicht das Leben, sondern nur die geistige Gesundheit der Protagonisten von Entscheidungen – sie sind nicht immer richtig oder falsch, sie müssen nur getroffen werden – ab. Auf jeden Fall rückt der Zuschauer beunruhigend nahe an diese Figuren heran und der Verzicht auf eine gängige Erzählstruktur verunsichert noch mehr. Intellektuelles, aber unterhaltsames Science Fiction Kino, das zum mehrfachen Ansehen einlädt. Das den Zuschauer herausfordert, die acht mal X Figuren zu sortieren und ein eigenes Urteil zu fällen.

Ein größeres Kompliment kann man heute einem Film nicht mehr machen.

Coherence Trailer

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