Kritik zu Conjuring - Die Heimsuchung: Die Geister, die sie jagten

Während Fans der gepflegten Geisterjagd seit Jahren auf einen neuen Film mit den Ghostbusters warten - und wohl leider auch noch eine Weile warten werden - müssen sich in James Wans neuem Film Conjuring - Die Heimsuchung ganz andere Geisterjäger einer übernatürlichen Bedrohung stellen. Die gut gemachten Trailer versprachen einen klassischen Geisterfilm mit Gänsehautgarantie und außerdem sind kalte Schauer jeglicher Art im Sommer etwas Verlockendes. Gründe genug dafür, dass ich mir diesen Film im Kino nicht entgehen lassen konnte.

Conjuring - Die Heimsuchung erzählt eine Geisterhausgeschichte, wie sie typischer für das gute, alte und seit einiger Zeit fast in Vergessenheit geratene Genre nicht sein könnte. Es ist das Jahr 1971. Die Familie Perron hat ein altes Farmhaus auf dem Land erworben und möchte sich dort, nach finanziellen Problemen in der Vergangenheit, ein neues Leben aufbauen. Kurz nach dem Einzug müssen die neuen Bewohner jedoch feststellen, dass sie in ihrem Domizil nicht allein sind. Dunkle Mächte haben sich dort versammelt und beginnen - sowohl mit den Eltern, als auch mit den 5 Töchtern - des Nachts immer üblere Spiele zu spielen. Was als Geisterschabernack beginnt, wächst sich innerhalb kürzester Zeit zu einer waschechten Bedrohung für Leib und Leben aus. Als Mutter Carolyn nicht mehr weiter weiß, geht sie auf die Geisterjäger Ed und Lorraine Warren zu und bittet diese verzweifelt um Hilfe. Die Warrens haben auf ihren Reisen durch die USA, immer auf der Suche nach dem Übernatürlichen, schon viel gesehen und schon etliche Geister und Dämonen besiegt. Auf ihrem Gebiet sind sie Experten, die ihre Erfahrungen mit der Öffentlichkeit in Vorträgen, Interviews und Berichten teilen. Was sie in dem alten Haus erwartet, übersteigt die Erwartungen der Spezialisten, die nach ihrer Ankunft am Ort der Geschehnisse schnell erkennen, dass sie nicht nur der Perrons wegen den Kampf gegen das Böse aufnehmen müssen. Die Geister, die sie bisher jagten, waren nichts im Vergleich zu denen, die das renovierungsbedürftige Haus der gepeinigten Familie bewohnen.

 

Regisseur James Wan bewies schon im Jahr 2004 mit Saw, dem Film, der ihm zum Durchbruch verhalf, dass er ein außergewöhnliches Gespür dafür hat, das Erzähltempo zu variieren, Gänsehautatmosphäre aufzubauen und Schockmomente gezielt zu platzieren. Conjuring - Die Heimsuchung ist zwar weder von der Machart noch vom Subgenre her vergleichbar mit "Saw", zeigt allerdings ebenfalls, dass Wan es versteht, durch das Medium Film eine unglaublich beklemmende Stimmung zu transportieren. Mit seinem neuesten Werk erbringt er den ultimativen Beweis dafür, dass es auch mit sehr reduzierten Stilmitteln nach wie vor möglich ist, die Zuschauer das Fürchten zu lehren. Geister brauchen nicht notwendigerweise einen Bombastsoundtrack und ein Spezialeffektgewitter, um ihre gruselige Wirkung zu entfalten. "Back to the roots" ist das Grundthema, das bei Conjuring - Die Heimsuchung von der ersten Sekunde an mitschwingt. Von der Ausstattung des Geisterhauses über die Geschichte bis zur Bildkomposition merkt man dem Film an, dass die Macher sehr viel Mühe in seine Entstehung investiert haben. Der Retro-Gedanke ist im positiven Sinne allgegenwärtig.

Conjuring - Die Heimsuchung ist ein sehr ruhiger Horrorfilm, der sich größtenteils auf seine Atmosphäre verlässt. Wer viel und blutige Geisteraction erwartet, wird enttäuscht werden. Gegen Ende nimmt das Ganze durchaus noch einmal Fahrt auf, dies betrifft aber in der Summe die wenigste Zeit des Films. Davor wird langsam und bedächtig, teilweise für meine Begriffe etwas zu schleppend, erzählt. An der einen oder anderen Stelle hätte der Spuk ruhig noch etwas ausgeprägter, sogar drastischer, dargestellt werden können. So entstehen doch einige spürbare Längen, die Potenzial für zusätzliche Schockmomente geboten hätten. Auch hätte das Finale meiner Meinung nach ruhig etwas heftiger ausfallen können - gar nicht im Bezug auf Gore-Effekte, sondern vielmehr im Hinblick auf eine größere Entladung der aufgebauten Spannung. Im letzten Viertel des Films wird, im Gegensatz zu seinem Rest, mit vielen vorher ungenutzten Elementen experimentiert. Es gibt buchstäblich schwindelerregende Kamerafahrten, die ich absolut großartig fand, die von großem Einfallsreichtum zeugen und die mich fast vor Freude jubeln ließen. Die Schauspieler dürfen noch einmal richtig aus sich herausgehen. Aufgrund der in weiten Teilen zelebrierten Langsamkeit wirkt all das jedoch wie der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein.

Im Nachhinein entpuppt sich leider auch die Geschichte als ein sehr gewolltes Konstrukt mit vielen gedanklichen Stolperfallen. Nicht die regelmäßigen Hinweise darauf, dass das Gezeigte auf einer wahren Begebenheit basiert, störten mich. Vorlagen und reale Ereignisse werden in Filmen regelmäßig zurechtgebogen. Das ist bis zu einem gewissen Grad auch legitim, vor allem dort wo viel Fantasie ins Spiel kommt. Die Story von Conjuring - Die Heimsuchung ist in sich und innerhalb ihrer eigenen Gegebenheiten, also den selbst auferlegten Rahmenbedingungen, nicht schlüssig und wirkte auf mich zu schnell zusammengeschustert, insbesondere das Ende. In meinem Hirn rotierten beim Verlasen des Kinosaals einfach zu viele Fragen, die im Laufe des Films erst aufgeworfen, dann aber nicht konsequent genug beantwortet wurden. Ich habe nichts gegen ein paar offene Enden, die zum Weiterdenken anregen, zu viele Widersprüchlichkeiten sind allerdings zu vermeiden. Darüber hinaus fühlte ich mich vom zweiten Trailer zum Film belogen, in dem prominent in Texteinblendungen gesagt wird, worum es bei Conjuring - Die Heimsuchung angeblich NICHT geht. Durch diesen hatte ich als Auflösung etwas Anderes, etwas Neues, erwartet.

Der beste Schauspieler in Conjuring - Die Heimsuchung ist in meinen Augen übrigens Hund Dusty. Das Tier spielt seine - leider sehr kurze - Rolle als Sadie, Familienhund der Perrons, einfach hinreißend. An seine Darbietung kann keiner der anderen Beteiligten heranreichen. Die Geisterjäger werden verkörpert von Patrick Wilson als Ed Warren und Vera Farmiga als Lorraine Warren. Positiv ist zu bemerken, dass Lorraine zwar als medial veranlagt aber gleichzeitig als nervenstark, also nicht zu zerbrechlich, dargestellt wird. So wird es glaubhaft, dass die Experten für Geister und Dämonen gut als Team funktionieren. Innerhalb der Familie Perron übernimmt Lili Taylor als Mutter Carolyn die stärkste Rolle. Die Veränderungen, die sie während des Films durchmacht, spielt sie überzeugend. Ron Livingston als Roger Perron geht etwas im Geschehen unter. Dafür ist die schauspielerische Leistung der Akteurinnen, die die fünf Töchter spielen, nicht zu verachten. Positiv fiel mir insbesondere Joey King als Christine Perron auf, die die Zuschauer Angst und Schrecken intensiv mitfühlen lässt.

Conjuring - Die Heimsuchung ist ein atmosphärisch dichter Horrorfilm, der durch seine klassische Machart und mit viel Liebe zum Detail bei der Inszenierung punkten kann. Das volle Potenzial der Geschichte wurde meiner Meinung nach nicht ausgeschöpft, was dazu führt, dass Längen als solche deutlich wahrgenommen werden. Wer Lust auf gut gemachtes Retro-Gruseln hat - oder wer auf der Suche nach Ideen für fiese Streiche ist, die er seinen Mitmenschen in der Nacht spielen kann - für den ist dieser Film trotzdem die richtige Wahl.

Conjuring 2 Poster
Originaltitel:
The Conjuring 2
Kinostart:
16.06.16
Regie:
James Wan
Drehbuch:
Carey Hayes, Chad Hayes
Darsteller:
Vera Farmiga, Patrick Wilson, Frances O’Connor, Madison Wolfe, Lauren Esposito, Patrick McAuley, Benjamin Haigh, Maria Doyle Kennedy, Simon Delaney, Franka Potente, Simon McBurney
Edward und Lorraine Warren sind zurück und ermitteln diesmal in England. The Conjuring 2 nimmt sich den "Poltergeist von Enfield" als Vorlage.

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