Gejagt

Der eiserne Druide 6, Titelbild, Rezension
Kevin Hearne

“Gejagt” ist der inzwischen sechste Band der Chroniken um den eisernen Druiden.  Am Ende des fünften Bandes im Gegensatz zur amerikanischen Ausgabe – dort erschien die Novelle erst in der vorliegenden Ausgabe – verband die einzige in diesem Universum spielende Novelle zwei Romane, nämlich den vierten und den fünften Band. Der Übergang zwischen dem fünften und dem hier vorliegenden sechsten Teil ist deutlich nahtloser und schneller, so dass es nicht empfehlenswert ist, die Saga mit „Gejagt“ zu beginnen. Viel mehr nutzt der Autor „Gejagt“, um die zahlreichen zu offenen roten Fäden aus „Erwischt“ fortzuführen, aber der inzwischen dominierenden Serienstruktur folgend nicht abzuschließen.

Atticus, Granuaile und Oberon sind auf der Flucht vor zwei mystischen Jägerinnen namens Diana und Artemis, während gleich zu Beginn von „Gejagt“ Morrigan eher verzweifelt bemüht, ihnen ein wenig Zeit zu verschaffen. Sowohl der griechische als auch römische Pantheon sind sauer auf Atticus, weil  es Atticus während einer im Grunde selbstmörderischen Aktion gelungen ist, den Gott des Weins Bacchus in einer Art Zeitschleife gefangen zu setzen.

Kevin Hearne greift zu Beginn  des Romans leider nicht nur auf eine Reihe von Actionszenen zurück. Sie gehören zu den Stärken der ganzen Serie, da der Autor immer wieder Klischees umschifft und möglichst intelligente Lösungen sucht, mit denen im Grunde unmögliche Situationen aufgeklärt werden können. Wenn Kevin Hearne in Form ist, verzichtet er auf „Deus Ex Machina“ Lösungen und bereit die jeweils finale Konfrontation ausgesprochen geschickt vor. Wenn Kevin Hearne aber entweder keine Lust oder keine neue Idee hat, dann schüttelt er Erklärungen aus dem Ärmel und versucht die meistens während der Epiloge zu erklären.  Unterminiert wird dieser dynamische Auftakt allerdings durch den Tod einer wichtigen und beliebten Nebenfigur.  Es ist nicht unbedingt notwendig, den Leser auf den Tod eines Charakters vorzubereiten. Das kann durchaus überraschend erfolgen und wenn diese Szenen gut geschrieben worden sind, demonstrieren sie, dass der Autor sich den Gefahren für seine Figuren durchaus bewusst ist und dieses Risiko auch dem Leser zeigen möchte.  

Das große Problem ist weniger der Tod oder die ganze Szene, sondern die Tatsache, dass Kevin Hearne fast entschuldigend den Rest des Buches damit verbringt, diese Szene zu erklären.  Atticus mit seinem schlechten Gewissen wirkt dabei nicht überzeugend. Zu viele Risiken ist der Charakter gegen wirklich alle Ratschläge in den ersten fünf Büchern eingegangen. Dabei hat er selbst seiner Jahrtausende lange Lebenserfahrung widersprochen.  Anstatt mit diesem Fakt natürlich umzugehen und es als eine Art Berufsrisiko anzusehen, sucht Atticus nach Erklärungen und der Autor macht nicht zum ersten Mal im Rahmen der Serie den Fehler, rückblickend etwas zu relativieren, was sich so auf den ersten Blick nicht abgespielt haben kann. Damit nimmt er seinen eigenen Romanen nicht nur notwendige innere Logik, sondern an einigen Stellen zu Lasten einer Art Comic Relief interessante Ecken und Kanten.  Dabei geht unter, dass vor allem Atticus kleines Team auch die Fronten wechseln kann. Es ist eine viel interessantere, ebenfalls wenig vorbereitete Wendung, die aber aus sich selbst heraus in dieser Konstellation und angesichts der Herausforderungen nicht nur nachvollziehbar, sondern gänzlich überzeugend ist. 

Weiterhin positiv und eine Tendenz der letzten Bücher verstärkend ist die Verteilung von Lasten. In den ersten Romanen agierte Atticus vor allem als opportunistischer Einzelgänger, der sich bei Bedarf Hilfe im wahrsten Sinne des Wortes organisierte.  Seit zwei Romanen verteilt sich die Verantwortung mindestens auf Schultern. Neben dem eisernen Druiden gewinnt Granuaile mehr und mehr an Format. 

Zusätzlich erweitert Kevin Hearne die Erzählperspektive und hat wichtige Passagen aus der Sicht der ersten Schülerin des eisernen Druiden seit mehreren tausend Jahren geschrieben. Spannung erzählt dieser Abschnitt zusätzlich aus der Tatsache, dass die drei ausschließlich reagieren können und müssen, aber im Grunde nicht wissen, woher wirklich die Gefahr lauert.  Durch das relativ hohe Tempo und die wechselnden Erzählebenen werden die sich Ad Absurdum führenden Passagen mit Atticus Monologen deutlich in den Hintergrund gedrückt und das Buch wirkt stringenter und damit auch lesenswerter als vor allem der zweite und dritte Teil der Saga um den eisernen Druiden.  Oberon hat weiterhin seine wichtigen Szenen und der Humor wirkt weniger kindisch/ kindlich als im letzten Buch. Die Erweiterung des Teams um Granuaile funktioniert aber auch noch aus einem anderen Grund gut. Von Beginn an hat der Autor impliziert, dass sie über andere Fähigkeiten verfügt und eine attraktive wie eigenständige Persönlichkeit ist. Diesen Aspekt der Saga baut der Autor sehr konsequent weiter aus. Dadurch wirken einzelne Sequenzen weniger vorhersehbar und aus sich selbst heraus spannender. 

Leider macht der Autor im letzten Abschnitt des Romans den Fehler, dieses Trio wieder zu sprengen und keine entsprechenden Erklärungen nachzuliefern.   Atticus als Einzelgänger ist keine neue Idee, wird zu wenig überzeugend präsentiert.  Dabei hat die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert und Granuaile hat sich unabhängig von ihrer fehlenden Erfahrung als mehr als ebenbürtig, in einigen Bereichen sogar überlegen erwiesen.

„Gejagt“ ist im Gegensatz zum vierten und fünften Roman deutlich besser komponiert und strukturiert.  Auch wenn es mit dem angesprochenen unvorbereiteten Tod und den rückblickenden Erklärungen eine auffällige Schwäche gibt, schafft es Kevin Hearne vor allem in dem sehr stringenten Mittelabschnitt – bislang eine der größten Schwächen des Autoren, einen Plot über mehr als vierhundert Seiten konsequent zu erzählen – zu überzeugen. Neueinsteiger sollten aufgrund der immer komplexer werdenden mystischen Hintergrundstruktur mit ohne Frage aber auch ungewöhnlichen Göttern aus allen klassischen antiken Reichen sowie dem umfangreichen Figurenkosmos  die Serie entweder mit dem ersten oder dem vierten Band beginnen. In diesen Romanen hat Kevin Hearne einmal alle wichtigen Grundlagen seines Kosmos gelegt bzw. im vierten Roman „Getrickst“ noch einmal aufgefrischt. 

 

  • Taschenbuch: 364 Seiten
  • Verlag: Klett-Cotta; Auflage: 1. Druckaufl. (8. April 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3608961364
  • ISBN-13: 978-3608961362
  • Originaltitel: Hunted
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