Das Haus Zamis 36- das höllische Kind

Rüdiger Silber & Logan Dee

Mit "Das höllische Kind" wird die Konfrontation mit den Todesboten letztendlich auch ein wenig abrupt beendet. Unter Expokrat Uwe Voehl kehrt mit Rüdiger Silber alias Malte S. Sembten ein talentierter Horrorautor in die Reihen der "Zamis" Schriftsteller zurück. Vor sieben Jahren hat er schon einmal einen Teilroman verfasst. Sein erster Abschnitt dieses zusammen mit Logan Dee geschriebenen "Doppelbandes" spielt in der Vergangenheit. Am Ende des fünfunddreißigsten "Das Haus Zamis" Abenteuers hatten die Todesboten Coco Zamis durch ihre Raben in das Jahr 1421 verschleppen lassen. Ihrer Kräfte beraubt und in einen "fremden" Körper gesteckt soll sie den Heiligen Inquisition unter Folter gestehen, dass sie eine Hexe ist. Die umgehende Bestrafung soll das Verbrennen auf dem Scheiterhaufen sein. Schon in einigen voran gegangenen Miniserien haben die Autoren mehrfach bewiesen, dass die historische Vergangenheit unheimlicher und brutaler ist als die meisten Horror Roomane. Malte S. Sembten geht nicht unbedingt mit sadistischen Vergnügen einen Schritt weiter. Coco Zamis wird nicht nur mit Folter bedroht, sie wird auch in der obligatorischen wie falschen hochnotpeinlichen Befragung mit spanischen Schuhen gefoltert und schließlich auch zum Scheiterhaufen geführt. Der Autor nimmt sich sehr viel Zeit - gut ein Drittel des ganzen Romans geht für diese in der Vergangenheit spielenden Szenen sowie einem Prolog, in dem noch auszubildende Hexe in einem sadistischen Spiel ähnlich "bedroht worden ist, drauf -, diese dunkle Zeit wieder lebendig werden zu lassen. Neben authentischen Fakten wie die Ermordung von mehrere hundert Juden auf einem bekannten Feld vor den Toren Wiens beschreibt er detailliert die einzelnen Folterinstrumente. Da Coco Zamis ihrer Kräfte beraubt worden ist, sieht sie sich in doppelter Hinsicht auf der Seite der unschuldigen Frauen. Im Prolog hat Sembten schon klar gemacht, dass echte Hexe mit ihren Kräften wenig von der Menschenbrut zu befürchten hatten. Die Vergangenheitsepisode wird wie der ganze Roman relativ schnell abgeschlossen. In die Gegenwart transportiert verschiebt sich der anfänglich ausschließlich auf Coco Zamis ruhende Fokus.

Der Schiedsrichter hat sich nur pro Forma auf die Seite der Zamis geschlagen und anscheinend das Bündnis gegen die Todesboten unter falschen Voraussetzungen unterschrieben. Sowohl Logan Dee als auch Rüdiger Silber lassen diese nicht selten nur im Hintergrund agierende Figur aufleben. Die Begegnung mit den arroganten Mafiosi gehört genauso zu den kleinen Höhepunkten des Romans wie die Tatsache, dass Tooths attraktive Sekretärin - eine Vampirin - der Werwolfsbrut, die Tooth schützen soll, neben blutigen Fleisch auch Pornos aus der Videothek um die Ecke besorgen soll.

Nachdem Coco Zamis dem Geschehen um die Todesboten lange passiv gegenüber gestanden hat, während sich ihr Vater in der Familienvilla verschanzte, übernimmt sie die Initiative und stellt insbesondere Tooths doppeldeutiges Spiel bloß. Im zweiten Teil des Romans treibt Logan Dee die Haupthandlung ausgesprochen direkt voran. Stand in Silbers Teil der historisch belegbare Schrecken im Vordergrund, entwickelt sich im zweiten Teil eine phantastische Kulisse, in welche sehr viel morbide Phantasie geflossen ist. Das lebendige Horrorhaus auf dem Prater ist der Schlüssel zu den Zwillingsseelen - damit wird der Kreis zum Prolog geschickt geschlossen - und dem Geheimnis der Todesboten.

Zu den Schwächen des Romans gehört, dass der über mehrere Romane so sorgfältig aufgebaute Handlungsbogen relativ schnell abgeschlossen wird. Obwohl Asmodi in das Geschehen in mehr als einer Hinsicht verstrickt worden ist und er Coco Zamis suggeriert, dass Dorian Hunter nicht der Vater ihres verpfändeten Kindes ist, gelingt es dem Oberteufel, die junge Hexe für den folgenden Roman wieder einzunorden und ihre eine neue Aufgabe zu zuweisen. Um den "Spannungsbogen" aufrecht zu erhalten, ist das vielleicht notwendig. In Bezug auf die Entwicklung der Handlung allerdings unwahrscheinlich, denn im Grunde haben sich die Zamis selbst aus der schwierigen Situation vor allem fristgerecht - die verstreichende Zeit bis zum Ende des Ultimatums soll die Spannung erhöhen, geht aber angesichts der zahlreichen Handlungsebenen fast unter -  selbst befreit und sollten auch nach der direkten Konfrontation mit den dunklen Familien an der langen Leine Asmodis sich deutlich aus dessen indirektem Bann befreien können. In dieser Hinsicht wirkt das Ende angesichts der Entwicklung der letzten Romane fast wie ein Rückschritt in bekannte, vielleicht auch ein wenig stereotype Bahnen.

Auf der anderen Seite kann "Das höllische Kind" aufgrund der interessanten, abwechslungsreichen sehr unterschiedlichen Hintergründe und vor allem auch der bizarren Nebenfiguren - Volkart Zamis und sein Zwillingsbruder Demian sind noch Protagonisten mit sehr viel Potential -  sehr gut unterhalten. Die Handlung ist über mehrere Ebenen ausgesprochen kompakt. Bedenkt der Leser zusätzlich, das im Prolog Informationen über die weiche Hexe Coco Zamis geliefert werden und auf einer im Hintergrund ablaufenden Handlungsebene zusätzlich Volkart Zamis eine bizarre Ausbildung mit täglichen sexuellen Ausschweifungen durchläuft, dann funktioniert der Plot Aufbau ausgesprochen gut. Potentielle Klischees wie Coco Zamis stetig wachsende Mutterliebe dem "ungeborenen" Kind gegenüber werden nur behutsam im Handlungsverlauf angesprochen und als Persönlichkeit gewinnt die junge Hexe im Vergleich zu ihrem narzisstischem Vater weiter an Profil, ohne ihre menschlichen Aspekte zu verlieren. Allerdings wirkt sie teilweise den Dämonen gegenüber zu hart, während sie die "grausamen" Menschen mehr mitleidig betrachtet. In diesem Punkt verliert ihr als abgerundeter Charakter angesichts der gemachten Erfahrungen noch ein wenig die Balance.

Mit Rüdiger Silber alias Malte S. Sembten ist ein stilsicherer Autor in den Ring gestiegen, der ohne Probleme zumindest zeitweilig den Mantel von Catalina Corvo übernimmt und mit Logan Dee ein solides Duo in einem interessanten, vielschichtigen Roman bildet.        

 

Zaubermond Verlag, 200 Seiten

Taschenbuch

www.zaubermond.de

Erschienen Dezember 2013

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