PR Neo 62- Gallibsos Puppen

Michelle Stern

Im vorliegenden Roman aus der Feder Michelle Sterns tauchen  nach fast zu langer Zeit Thora, Gucky, Julian Tifflor und vor allem Ernst Ellert wieder auf. Sie befinden sich an Bord der „Sternenwind“, einem Spitzkegelraumer der Loower, deren Erbe Ernst Ellert nutzt.  Die Autorin versucht, das Szenario möglichst spannend zu gestalten, reihtet sich aber in eine Reihe von Klischees hinein.  Die schwerverletzte Thora und der erschöpfte Gucky liegen in den Medotanks des Schiffes.  Nach seinem Erwachen stellt Gucky fest, dass das Raumschiff auf eine schwer zu definierende Art und Weise –  diese Oberflächlichkeit ist ein frustrierendes Element nicht nur des vorliegenden Abenteuers, sondern vor allem der ganzen „Neo“ Serie, da sie Frank Borsch und Autoren zu viele Freiheiten lässt, um bestimmte Thesen wieder zu relativieren – intelligent zu sein scheint. Dem Raumschiff wird anschließend ohne weitere Begründung eine missmutige Persönlichkeit angedichtet. Es will Thora nicht heilen, obwohl die Arkonidin schon seit einiger Zeit in den Heiltanks liegt. Aus dieser Passivität wird später eine Aktion, in dem das Raumschiff die Medoanlagen manipuliert und Thora töten möchte. Michelle Stern bereitet diesen Gesinnungswandel zu wenig vor. Hinzu kommt, dass Ernst Ellert erst eine Imperiumswelt ansteuern möchte, um den Origans der Springer abzusetzen, der aber plötzlich ebenfalls weiter an Bord bleiben möchte. Auf dem Planeten Derogwanien hofft Ernst Ellert auf Heilung.

Julian Tifflor versucht dann, mit Hilfe eines Beiboots des Spitzkegelraumers auf dem Planeten zu landen. Erstens ist es in dieser Hinsicht interessant, das das Raumschiff keinen Versuch macht, Thora an Bord zu behalten, nachdem es schon zu einer aktiven Vorgehensweise bereit gewesen ist. Zweitens ist es Wunschdenken, dass Julian Tifflor – er hat gerade die arkonidische Technik gelernt – plötzlich ein gänzlich fremdes Beiboot einer angeblich so hoch entwickelten und untergegangenen Zivilisation zumindest durch die Atmosphäre steuern kann. Schon in voran gegangenen „Neo“ Abenteuern hat der Leser den Kopf geschüttelt, wie unkompliziert und schnell das Erlernen fremder Technik geht.  Wenn das Raumschiff schon halbintelligent oder nach seinen Handlungen sogar autark ist, hätte es den Start des Beiboots ohne Probleme verhindern können. Die Loowertechnik ist allerdings nicht gegen Bruchpiloten gefeit, denn Tifflor schafft es, das Beiboot mit einer harten Landung aufzusetzen. Auf dem Planeten der Puppen  - eine der interessantesten Schöpfungen der alten Serie – werden sie ebenfalls nicht mit offenen Händen empfangen, aber zumindest bemüht man sich, Thora zu helfen.  Warum das Dorf allerdings dem irdischen Mittelalter nachempfunden worden ist, bleibt eines der Geheimnisse dieses Romans. Ebenfalls wenig überzeugend ist, dass handlungstechnisch passend und fast pünktlich Crest mit seinen drei Unithern und den Lotsen im Orbit ankommt.   

Die Idee, das man Zellaktivatorsignalen entweder durch Integration entsprechender "Sender" wie in der Erstauflage oder dank vorhandener Technik wie in "Neo" folgen kann, ist auf der einen Seite neuartig, wird aber negativ auf der anderen Seite in beiden Serien spannungstötend ausgereizt. Ohne Frage soll "Neo" eigenständig sein, aber die Parallelität von grundlegenden Ideen wird Leser beider Serien eher verschrecken. Während die Verfolgungssuche in der Erstauflage zumindest Ziel führend erscheint, wird es in "Neo" eher genutzt, um die verstreuten Nebenfiguren an einem Ort wieder zusammenzuführen. Das Ziel wird im Vergleich zum letzten Minizyklus allerdings deutlich effektiver erreicht.

Der interessanteste Faktor am ganzen Roman ist das Eingreifen Callibsos, der durch seinen Zeitbrunnen immer wieder auf Derogwanien landet.  Callibso kann in die Zukunft sehen, wobei diese - wie die beiden Exkurse zeigen - wahrscheinlich eher subjektiver Art ist.- Sonst wäre er nicht so überrascht, dass nicht Rhodan zum Planeten der Puppen gekommen sind, sondern mit Crest, Thora, Gucky oder Tifflor bislang Randfiguren des komischen Gesehens Und diese sind auf der Welt ohne das Wissen Rhodans gelandet. Callibso nimmt Thora und ihre Mitstreiter mittels geistiger Kontrolle in Geahrsam, um Crest anzulocken, wobei dieser keine Absicht zeigt, nicht in die potentielle Falle zu laufen.

Ab diesem Augenblick wird das Geschehen noch grotesker. Im Vergleich zur ersten Auflage, in der ES lange Zeit das einzige Überwesen - von Superintelligenz war noch nicht die Rede - gewesen ist, dem die Menschheit begegnete, versucht Frank Borsch dagegen Mächtigkeitsballungen und Superintelligenzen sowie deren Helfer von Beginn mehr in die Handlung zu intrigieren. Der Jähzorn Callibsos ist vielleicht noch zu akzeptieren, warum aber Rhodan auf bislang unerwähnte und ihm unbekannte "Pläne" reagieren soll, bleibt eher unausgesprochen. Auch die Idee, dass Crest stellvertretend für Rhodan einen Zellaktivator von Es trägt, eine tödliche Bestrafung hervorrufen soll, wirkt überzogen. Immerhin befindet sich Callibso in der Mächtigkeitsballungs ES und eigentlich hätte der Mächtige diese Entwicklung aus seinen Reisen durch den Zeitbrunnen sehen können. Wie Michelle Stern diese dramaturgisch wichtige und dramatisch fast lächerlich beschriebene Sequenz schließlich auflöst, ist bezeichnend für den Stillstand der "Neo" Serie. Callibso reist in die Zukunft und sucht für seine Erkenntnisse die Schuld bei ES. Trotzdem entlässt er die plötzlich geheilte Thora zusammen mit Crest in die Freiheit und lässt nur - ein wichtiges Hilfsmittel für Füllromane - die Ereignisse aus ihrem Gedächtnis streichen. Der Hass auf ES scheint plötzlich verflogen und die Idee, Rhodan mit unfreiwilliger Hilfe der beiden Arkoniden anzulocken und von seiner Tour durch das große Imperium abzulenken, überhaupt nicht angedacht. Es ist schade, dass insbesondere der schon angesprochen interessante Hintergrund der Puppen auf Derogwanien gegen Ende des vorliegenden Romans so oberflächlich und klischeehaft abgehandelt wird. Callibsons Handeln bzw. Nichthandeln wirkt exzentrisch und inkonsequent. Vor allem wird die über den ganzen Roman aufgebaute Spannung nicht freigesetzt, sondern die einzelnen Handlungsansätze fallen auf den enttäuschenden letzten Seiten förmlich zusammen.

In Bezug auf die potentiellen Konflikt zwischen ES und Callibso gibt es ebenso Informationen wie hinsichtlich Ernst Ellerts ambivalent eingesetzter Fähigkeit, selbst in die Zukunft zu sehen und potentielle Konflikte - wie bei der Ermordung des Regenten - zu erahnen, aber falsch zu interpretieren.

Zusammengefasst ist der vorliegende Roman unabhängig von Michelle Sterns souveränen Stil der Versuch, die bislang semirealistische "Neo" Handlung auf eine Superintelligenzenhandlungsebene zu hieven und gleich wieder zu relativieren. Vieles unterliegt weiterhin dem Faktor Zufall und mit dem intelligenten Raumschiff der Loower wird eine unglaubwürdige Bedrohung heraufbeschworen, die letzt endlich durch Tifflors unwahrscheinliche Flugkünste hinter der Planetenkrümmung verschwindet. Ein Füllroman, dessen viele Informationen realistisch gesprochen, den Horizont des Lesers erweitern können, auf der anderen Seite den wichtigsten handelnden Protagonisten gleich wieder genommen wird.

 

Taschenheft

Pabel Verlag, 160 Seiten

Erschienen 31.01.2014

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