Perry Rhodan Planetenroman 35/36

Clark Darlton, Perry Rhodan Planetenroman 35/36, Rezension, Thomas Harbach
Clark Darlton

Mit “Planet der Mock” wird der allererste und seitdem auch im Rahmen des Heyne Verlages nachgedruckte Planetenroman aus der Feder Clark  Darltons mit einem interessanten Nachwort Rainer Nagels neu veröffentlicht. Die humanistischen Elemente inklusiv der Sinnlosigkeit des Krieges werden von Walter Ernsting genauso angesprochen wie eine interessante evolutionäre These, das immer die intelligentere Rasse die dümmere, wenn auch körperlich vielleicht überlegenden Gegner beseitigen kann. Das gilt für das tragisch ironische Ende dieses Romans in  doppelter Hinsicht. Ohne zu viel vorweg zu nehmen, setzen die Mocks bei ihren Feinden – den Drags – einen Schlussstrich, während auf der Erde der überlegende Mensch einen der Mocks buchstäblich zertritt.  Nicht immer sind die einzelnen Situationen ausreichend logisch vorbereitet und mehr als einmal braucht Walter Ernsting auch die schriftstellerische Freiheit, schwierige Situationen durch einen Trick aufzulösen, aber für einen Roman mit mehr als fünfzig Jahren auf dem Buckel liest sich die Geschichte immer noch sehr gut. Rainer Nagel spricht es an. Die Ideen eines sehr kleinen, aber technologisch weit gediehenen Volkes ist seit der Veröffentlichung von „Planet der Mocks“ in die Perry Rhodan Serie nicht nur mit den Swoon, sondern auch den Siganesen eingezogen. Hier geht es darum, dass Walter Ernsting im Grunde Gullivers Reisen – die Menschen in Person von Reginald Bull, Tifflor, Perry Rhodan und Gucky sind dabei die staunenden und nichts ahnenden, allerdings auch auf dem Auge förmlich blinden Beobachter/ Besucher-  mit der noch rudimentären Insektenforschung im Allgemeinen und der Auseinandersetzung mit den Ameisen und ihren Staaten im Besonderen kombiniert hat. Aus heutiger Sicht ist die verzerrte Perspektive der beiden Seiten kein Novum mehr, aber in den sechziger Jahren müssen einige Leser verwirrt geschaut haben, wenn die Mock von Meter und Kilometern sprechen, während später die Terraner diese Größenangaben relativieren. Wie in einigen anderen seiner Romane hat es Walter Ernsting geschafft, eine fremde Kultur vertraut zu beschreiben und trotzdem exotisch. Der Autor gibt dem Leser viele Möglichkeiten, zumindest an der Oberfläche die Mocks kennenzulernen, wobei ihre pazifistische Struktur zu wenig herausgearbeitet wird. Auch das Motiv, auf den vierten Planeten auszuwandern anstatt die Feinde wie am Ende zu bekämpfen, hätte ein wenig besser vorbereitet werden können, denn das die Waffen ausschließlich einer nur fiktiven Defensive dienen, wirkt wenig überzeugend. Auf der anderen Seite geht der Autor auf die Schwarmstruktur ein, die fehlenden familiären Bindungen, die Ausbildung und die strenge Hierarchie mit einer Königin an der Spitze. Wenn der Mensch schließlich die kleinen Händchen der Mocks erkennt, ihre wache Intelligenz und schließlich den verzweifelten Versuch, die unterbewussten menschlichen Wünsche zu erfüllen, ist die Erschaffung einer fremden Kultur mit entsprechenden markanten und gut gezeichneten Charakteren perfekt. Die Expedition der Mocks erinnert nicht nur zufällig an den ersten „Perry Rhodan“ Roman. Während die Menschen auf dem Mond die Arkoniden finden, werden die Mocks auf dem vierten Planeten von den Menschen „gefunden“, aber nicht wirklich erkennt. Selbst der Wissenschaftler ist betriebsblind, während Guckys telepathische Fähigkeiten durch die Mock Bilder in die falsche Richtung gelenkt wird. Dass die Funde auf dem vierten Planeten auf ein kleines Volk hindeuten und das die Raketen auch klein sind, hätte angesichts der Wunder, welche insbesondere die Anführer Perry Rhodan, Reginald Bull, der junge Tifflor, aber auch Gucky schon in der Frühphase im Universum gesehen haben, weniger überraschen sollen. Hier wirken sie nicht nur betriebsblind, sondern dumm. Auf dem dritten Planeten kommt es dann zur Verbrüderung mit den auf einem Neanderthalerniveau befindlichen Menschen ähnlichen Drad.  Durch die wechselnde Perspektive kann Walter Ernsting die einzelnen Szenen dreidimensionaler, plastischer, aber auch ironischer beschreiben.  Bis zum Epilog handelt es sich bei „Planet der Mocks“ – ob der Name des Volkes auch eine doppelte Bedeutung hat, ist heute sicherlich nicht mehr zu klären – um eine First Contact Geschichte, in der  Grunde alles schief geht, was nur passieren kann. Es ist eine Geschichte aus der Frühphase des Solaren Imperiums, als die ganze Führung einfach in eine GAZELLE steigen und zu einem neu entdeckten Planeten fliegen konnte.  Der Epilog ist im Grunde tragisch. In die Enge getrieben und aufgrund der Nichtwertschätzung des Lebens der Mock haben sie sich endlich und endgültig entschieden, um ihre Heimat zu kämpfen. Stellten die Drad bis dahin ein Ärgernis da, so werden sie jetzt gejagt. Das wirkt wie schon eingangs erwähnt angesichts der Aufrüstung ein wenig überzogen – immerhin müssen die Mock die Technik gänzlich unter der Erde auf einer kargen Welt entwickelt haben -, zumal die Drads schon immer nach den Mock als Delikette ausschauten. Genüsslich räumt Walter Ernsting mit einigen Klischees auf und lässt auch die Waffen sprechen, bevor auf der Erde selbst gezeigt wird, wie verzweifelt der Kampf der Mock in der Zukunft aussehen wird. Ein solider, ein interessanter, viele Klischee nicht immer bis auf den Punkt gebracht auf den Kopf stellender Roman, der aus einer alt bekannten Idee – Lilliput auf einer fremden Welt – etwas Originelles macht.   

Sehr viel interessanter und boshafter ist der zweite Roman dieser Ausgabe „Flug der Millionäre“. Ursprünglich als Planetenroman 17 erschienen setzt sich Clark Darlton in typischer, sehr effektiver Manier mit der Gier der Menschen auseinander und schafft es trotzdem mit einem  bittersüßen Ende versöhnlich über seine Protagonisten zu richten. Dabei greift der Autor auf markante so fast klischeehaft gezeichnete Typen zurück. Ob der Silberbaron Garcia auf den Vorbildern der „Sun Koh“ Serie basiert, kann nicht bewiesen werden, aber als Lateinamerikaner, brutaler Opportunistischer Mörder und schließlich auch Charmeur vor allem in Zusammenhang mit Ernstings Respekt vor der Serie ist das anzunehmen.  Börsinger dagegen ist ein deutscher Stahlbaron, der überdeutlich den Krupps nach empfunden worden ist. Vielleicht auch ein Ausdruck von Ernstings Abneigung gegen die Kriegsgewinnler. Die reiche Witwe Mabel immer auf der Suche nach der Jugend – von hinten sieht sie wie dreißig aus, von vorne eher wie sechzig, ihr tatsächliches Alter -  ist im Grunde eine Opportunisten, die den amerikanischen Jugendwahn widerspiegelt. So weit es die Schere im Kopf auch erlaubt, ist Mabel auch hinter Männern, vor allem jüngeren Männern her und ist sich nicht zu schade, auch mal ihre hübsche Tochter zu missbrauchen. Alle drei haben ihren Alterszenit überschritten, den Höhepunkt ihrer wirtschaftlichen Macht aber erreicht. Neidvoll schauen sie auf Perry Rhodan und seine Getreuen, die dank der Zellduschen lange vor den Aktivatoren über sechzig Jahre nicht altern werden. Sie entschließen sich, eine Gazelle mit dem etwas naiven wie schnell schwer verliebten Mangold zu kapern, die Besatzung zu erpressen und Wanderer anzufliegen.  Es lohnt sich, den Band an Hand von Rainer Nagels Nachwort anzugehen. Es ist der zweite Roman im Rahmen der „Zaubermond“ Doppelbände, der sich mit dem Thema Wanderer und damit auch ES auseinandersetzt. Während der Schrotthändler in „Die Ferrol- Dolche“ zu einem Opfer von ES Ränkespielen geworden ist und als Mittel zum Zweck – die Dolche sollten den Weg nach Hause finden  - benutzt worden ist, geht Clark Darlton einen gänzlich anderen Weg. Keine Nebenstrecke wie in den ersten Heftromanen der Serie angedeutet, sondern direkt zum Ziel. Mangold kennt als einer der Wegbegleiter Perry Rhodans den Weg zum Planeten, auch wenn es in dieser Hinsicht angesichts der Weiten des Alls Clark Dalton ein wenig zu einfach macht. Während zusätzlich in „Die Ferrol- Dolche“ im Grunde ein sympathischer Lebenskünstler ich auf der „Flucht“ vor seinen Gläubigern Wanderer nähert, sind es hier drei eiskalte und fordernde, absolut unsympathische Kapitalisten, denen man ihr Schicksal wünscht. ES tritt als alter Mann auf, der ihnen nicht nur eine Zelldusche, sondern vor allem ihre Wünsche dreitausendfach gewährt. Spätestens in diesem Augenblick müsste man zweifeln. In ihrer Eitelkeit wünschen sich die drei nicht nur 62 Jahre kein Altern, sondern drei/ vier Jahre jünger zu werden. Mit den absehbaren fatalen Folgen, die Ernsting mit der moralischen Keule verabreicht.  Die Idee des umgekehrten Lebensverlauf, das Erwachen der Begierden und schließlich der ultimative Ausgang einer „zwei Männer und eine Frau auf einer isolierten Insel“ Konstellation bürgt wenige Überraschungen. Allerdings muss auch Perry Rhodan einsehen, dass ES Strafe nicht widersprochen werden kann. Jahre später werden in anderen, kosmopolitischen Situationen mit der Aufnahme der Menschheit in der Superintelligenz oder mit dem freiwilligen Sterben der Mutanten diese eher den fernöstlichen Lehren entsprechenden Kreisläufe von Leben, Sterben und Wiedergeburt wieder angesprochen, aber mit dieser Idee schließt Darlton auch einen Kompromiss mit dem Leser. Auch wenn Perry Rhodan erfolglos und vor allem aufgefordert Wanderer wieder verlassen muss, ist seine Mission hinsichtlich des doppeldeutigen Happy Ends nicht vergebens gewesen und zumindest einer der Reichen hat die Chance auf einen kompletten, ballastfreien Neuanfang.

Hinsichtlich der Diskussion um Perry Rhodans kosmische Bestimmung und damit die Ehre der Zelldusche sowohl an Rhodan als auch sein Team bleibt Darlton bei Floskeln. Es ist natürlich auch schwierig, typische Kapitalisten Homer G. Adams gegenüber zu stellen, der wie Rhodan und Bull durch zahlreiche auch wirtschaftliche Beteiligungen und die Mittel des Staats über einen Einfluss verfügt, der in den falschen Händen nicht unterschätzt werden sollte.  Aber es gibt keinen Fall, in dem Adams seine Macht ausgenutzt hat. Das gehört zu den Gesetzmäßigkeiten der Perry Rhodan Serie. Nicht unbedingt als rein antikapitalistisches Manifest zu verstehen zeigt Darlton aber doppeldeutig zynisch die Gier der Reichen nach dem nicht mit Geld zu bezahlenden Leben. Sie lernen auf ihrer Reise und werden schließlich im Paradies auf Wanderer sogar ein wenig menschlich, sie sind bereit, ihren Reichen gegen diese Jahre mehr einzutauschen, aber wie es sich für eine moralische Geschichte gehört, kommt diese Erkenntnis zu spät und eine klassische Rettung gibt es für sie nicht. Vielleicht macht diese Konsequenz der Handlungsführung „Der Flug der Millionäre“ zu einem herausragenden frühen Leseabenteuer, in dem der Humanist Clark Darlton das komische Wunder von Wanderer, die bitterböse Exzentrik der Superintelligenz und schließlich die großen Schwächen der auf der Erde nicht kleinen, im All aber unbedeutenden Menschen mit pointierten Dialogen geschickt gegenüberstellt.           

              

Zaubermond Verlag, 360 Seiten

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