Perry Rhodan Neo 97 "Zorn des Reekha"

Perry Rhodan Neo 97, Zorn des Reekha, Rezension, Thomas Harbach
Michael H. Buchholz

Mit dem von Michael Buchholz geschriebenen Neo Roman beginnt im Grunde das große Aufräumen. Die Miniserie „Kampfzone Erde“ ist nach zwölf Taschenheften ausgelaufen und dient doch als Brückenschlag bis zur Nummer einhundert, mit der die neue Exposeredaktion das Zepter in die Hand nimmt. Nicht nur diese ungeplante Überbrückung lässt den Roman unrund erscheinen. Stilistisch arbeitet sich der Autor förmlich in den nicht befriedigenden Plot hinein und versucht die einzelnen Baustellen leider teilweise in Zeitraffermanier fertigzustellen.

Chetzkel führt die überlebenden Gefangenen der neuen Erde quasi im Triumphzug zurück zur Erde und will ihnen dort als Exempel den Prozess machen. Die Naats sind in extra mit Schirmfeldern isolierten Käfigen inhaftiert, die Menschen und Ferronen dagegen zusammen. In der Gruppe befinden sich auch einige Arkonidenabkömmlinge, die zu den Menschen übergelaufen sind.  

Chetzkel will den Terranern gemäß dem arkonidischen Flottenrecht den Prozess machen. Michael Buchholz informiert die Leser eher bemüht und umständlich über die rechtlichen Hintergründe, wobei im Grunde es auf Floskeln hinausläuft, denn jede angreifende Partei in der Geschichte der Erde hat ebenfalls so gehandelt. Warum der Fürsorger in dieser Situation überhaupt eingreifen wollte, wird nicht herausgearbeitet. Das ein im Grunde unlösbarer Konflikt zwischen dieser Doppelspitze besteht, ist seit dem ersten Auftreten bekannt. Keiner der Autoren hat Frank Borsch Expose folgend die Sinnhaftigkeit dieser zweigeteilten Führung hinterfragt oder zumindest positiv herausgearbeitet. Viel schlimmer ist, dass auch Michael Buchholz die beiden wichtigen Protagonisten ausschließlich opportun einsetzt und im Grunde mit langen Dialogpassagen in erster Linie die Seiten füllt, ohne die Handlung voranzutreiben. So berät sich der Fürsorger mit dem eher in seiner Loyalität flexiblen Agenten Jemmico der Regentin. Auch die Gespräche mit Homer G. Adams sind eher durchwachsen. Es werden Andeutungen gemacht, aber in diesen vorsichtig gestalteten Szenen kommt keine nachhaltige Spannung auf. Alleine Chetzkel als Figur überzeugt bislang. Er ist das Sinnbild der Soldaten, die mit eiserner Härte bis Rücksichtslosigkeit das Imperium zu seiner Blüte getrieben haben und deswegen wie eine Mischung aus der langjährigen Tradition und einem gesunden Egoismus erscheinen.

Warum sich Chetzkel dann allerdings mit seiner Katzenfrau Mia hinsichtlich des Standorts des Schauprozesses beraten muss, ist ein weiterer offener Punkt. Mit Schauprozessen haben die Arkoniden ihre schlechten Erfahrungen in den letzten Taschenheften gemacht. Natürlich will Chetzkel zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Er hofft, den Widerstand aus seinen Verstecken zu locken und dann endgültig mit den Gefangenen zu vernichten. Ein ambitionierter, eher ambivalent beschriebener Plan, der vor allem durch den Standort Dortmund und die Ruhrarena den Lesern ein kleines Schmunzeln auf die Lippen treibt.  Wie Chetzkel die Gefangenen für die Medien spektakulär in der Arena platziert, ist ohne Frage lesenswert, erinnert aber auch ein wenig an die „Tribute von Panem“ und vergleichbare Kinostreifen. Interessant ist, dass Chetzkel zumindest erkannt hat, das die bisherige Strategie mit einer engen Zusammenarbeit mit den Terranern in militärisch relevanten Bereichen gescheitert ist. Anstatt den Terranern schließlich den Ruhm der Tauchaktion zuzugestehen, rudert Michael Buchholz zurück und versucht auf der anderen Seite eine einzigartige KI im Sonnensystem als Urheber des Trojaners darzustellen. Das könnte erklären, warum die Arkoniden so naiv gewesen sind, die überflüssige Wasserversorgung ihrer Schiffe nicht zu schützen, wirkt aber gleichzeitig wie ein bemühter Brückenschlag zu einer weiteren Instanz hinter einer Instanz. Anstatt langsam die Handlungsbögen zu vereinfachen und damit einen glatteren Übergang zu ermöglichen, wirkt vieles, was Chetzkel plötzlich herausfindet, eher bemüht. Negativer Höhepunkt des ganzen Romans ist, dass Chetzkel die Anzahl der Angreifer auf die Arena und ihre Bewaffnung unterschätzt. Mit einer Befreiungsaktion hat er gerechnet, aber im Kern müssen sich die Menschen nicht einmal richtig anstrengen, um natürlich nur fast erfolgreich zu sein. Vor allem wenn man bedenkt, dass alleine Satraks K.I. bei einer Analyse des Publikums auf die Idee kommt, es müssten mehrere hundert Kämpfer im Saal sein. Es ist vielleicht noch nachvollziehbar, wenn wie in der Erstauflage viele Völker einmalig von den überraschenden Aktionen der aufstrebenden Menschen überrascht werden. Aber bei „Neo“ kennen die Arkoniden inzwischen die Menschen und sollte es sich wirklich um eine geplante Aktion handeln, die aus ihrer Sicht Terroristen und nicht Freiheitskämpfer in der Arena zu isolieren und festzusetzen, dann haben sich die Besatzer zum wiederholten Mal leider sehr naiv angestellt. Auf der anderen Seite muss man die Menschen bewundern. Innerhalb von 24 Stunden haben sie in einer Arena mehr als sechshundert auch noch bewaffnete Kämpfer stationiert. Da blieb nicht einmal die Zeit, die Waffen vorher dort zu verstecken. Klar wollte Chetzkel diesen Angriff und hat vielleicht diese Schlampereien des Sicherheitspersonals zugelassen, dann hätte der Autor diesen Punkt aber deutlich herausarbeiten müssen. Davon ist leider keine Rede, so dass entweder zwischen Gleichgültigkeit des Autoren hinsichtlich der unlogischen Vorgänge oder wenig effektiven Textkürzungen entschieden werden kann.

 Zumindest werden die Kampfroboter nicht mehr durch menschliches Reaktionsvermögen, sondern vor allem durch eine klebrige Masse ausgeschaltet. Das ist nicht unbedingt überzeugend, aber zumindest originell. Interessant ist auch, dass Chetzkel mit seinen Leuten die Gefangenen selbst in Erwartung eines Angriffs nicht so „geschützt“ und isoliert hat, dass eine Vereinigung vor allem mit den fatalistisch in den Tod gehenden Naats unmöglich gemacht worden ist. Chaos hin oder her, in einem abgeschlossenen Gebäude wie der Arena muss es möglich sein, die Angreifer im Notfall mit großen Schutzschilden über das ganze Areal zu isolieren, dann zu betäuben und abschließend zu verhaften.  Auf der anderen Seite erscheint es unwahrscheinlich, dass Free Earth für eine eher sinnfreie Aktion das Leben von zehntausenden Menschen aufs Spiel setzt. Das haben die Arkoniden in ihren Reaktionen bislang nicht getan.  

Die zweite Handlungsebene während des Finales zusammenlaufend betrifft den ersten Haluter der Serie. Thora als Spezialistin für außerirdische Wesen ist beim Erwachen quasi live, Crest dagegen mittels einer Videoschaltung  dabei. Der Haluter kann sich Thora greifen, wird aber überzeugt, dass diese Arkoniden zusammen mit den Menschen gut sind. Da der Haluter namens Fancan Teik im Schlaf quasi Englisch gelernt hat, geht die Verständigung relativ leicht von statten.  Nach 50.000 Jahren Schlaf hat er nach rudimentären Kenntnissen der Situation auf sein Gewissen gehört und beschließt den Menschen zu helfen. Thora „reitet“ mit ihm in die Arena – ein Bild aus der alten Serie – und stiftet noch mehr Chaos. Zwar macht der ganze Ablauf wenig Sinn und das der Zug mit dem zu diesem Zeitpunkt noch „schlafenden“ Wesen auch noch in Richtung der Arena unterwegs ist, wirkt überambitioniert und stark konstruiert, aber zumindest können die „Neo“ Leser den ersten Haluter in Aktion sehen.

Die ganze Situation gipfelt in dem Konflikt zwischen dem Fürsorger und Chetzkel. Wie schon angedeutet haben die Autoren die Positionen von Beginn an sehr unterschiedlich aufgebaut. Auch wenn die Arkoniden den Menschen gegenüber ein Besatzergehabe zeigen, agieren sie aufgrund der Kenntnisse aus der Epetrans Miniserie eher vorsichtig. Chetzkel ist ohne Frage eine Ausnahme, aber militärisch hat er beim Kampf gegen die Rebellen nicht viel verkehrt gemacht und Gräultaten kommen keine vor. Keine Morde an der Zivilbevölkerung und selbst der Tod einer jungen Frau ist rückblickend kein heimtückisches Verbrechen, sondern eine Kombination unglücklicher Umstände gewesen. Darum wirkt die Kehrtwendung eines weiteren erfahrenen Arkoniden nicht überzeugend, zumal der Autor auch sichtliche Probleme hat, die Protagonisten emotional überzeugend und nachhaltig genug zu beschreiben. Vieles wirkt zusammengestückelt. Zu viel Handlung ist zu wenig logisch und in sich geschlossen nachvollziehbar in dieses Taschenheft geklemmt worden, so dass dieser schwache „Neo“ Roman als Hilfskonstruktion hinsichtlich der Staffelstabübergabe an die neue Exposeredaktion bestehend eben aus Michael Buchholz und Rüdiger Schäfer schnell vergessen werden sollte.          

 

 

Pabel Verlag, Taschenheft 160 Seiten

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