Zero Cool

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John Lange (Michael Crichton)

Während seiner Studienzeit hat Michael Crichton insgesamt acht Thriller unter dem Pseudonym John Lange geschrieben. Wer die Bücher liest, wird nicht nur einige Aspekte seiner späteren unter eigenem Namen veröffentlichten Arbeiten finden, sondern einen Hang zu exotisch Plätzen, eine Verbindung zur Vergangenheit teilweise in Form von Artefakten oder Kunstschätzen und einen alltäglichen Antihelden, der sich plötzlich lebensgefährlichen Gefahren nicht nur stellen muss, sondern Überlebensstrategien improvisiert. Nichts umsonst spricht der amerikanische Radiologe Peter Ross nach einer gefährlichen Situation seine bildhübsche Begleiterin direkt an und gibt ihr zu verstehen, dass nicht jeder Schreibtischtäter so handeln würde. Zu diesem Zeitpunkt hat der Arzt schon einige der teilweise skurrilen, mit Decknamen wie „Graf“ oder „Professor“ ausgestatteten Gegner auf effektive Art und Weise getötet. Ebenfalls auffällig ist, dass Michael Crichton durch den Rahmen – ein älterer Peter Ross erzählt seinem Enkel vom aufregendsten Abenteuer seines Lebens – den eigentlichen Plot weiter dem Leser entzieht und im Grunde ein wichtiges Spannungselement – wird Peter Ross die Sache unbeschadet überstehen – sogar eliminiert.

Wie es sich für John Lange Thriller gehört, erfolgt der Einstieg unmittelbar und durch den Rahmen sogar schneller als bei seinen anderen Bücher. Peter Ross reist zu einer Konferenz nach Barcelona mit einer gewissen Vorlaufzeit am Strand und einigen zur kulturellen Unterhaltung heran gehängten Tagen. Am Strand lernt er die wunderschöne Angela Locke kennen. Der Titelbildzeichner Greg Manchess hat nicht nur Angela visualisiert, sie liest auch mit „Grave Descent“ einen weiteren John Lange Thriller. Während Peter Ross ihr näher kommt, wird er von einem Mann gewarnt, eine Autopsie zu vollziehen. Kurze Zeit später wird er mehr oder minder druckvoll aufgefordert, an einem Toten eine Autopsie zu vollziehen. Peter Ross weigert sich selbst als die Summen für ihn Schwindel erregende Höhe erreichen. Zu einem tödlichen Kreuzfeuer wird es, als plötzlich die andere Interessegruppen der Autopsie nicht mehr so warnend gegenüber steht. Ross stellt nicht nur fest, dass der Mann erschossen worden ist, er wird gezwungen, ihm einen Gegenstand anstelle des Herzen einzupflanzen. Aber dieser Sekunde beginnt eine tödliche Jagd auf ihn, wobei insbesondere zwei Frauen eine Art Katz- und Maus Spiel initiieren, um ihn endgültig nicht nur zu verwirren, sondern zum Abschuss nach Preisgabe seines rudimentären Wissens freigeben.

 

Der Leser bewegt sich ausschließlich auf Augenhöhe von Peter Ross. Das er seine ganze Geschichte in dieser Form der Enkel mitgeteilt hat, erscheint fragwürdig. Dazu sind die Details zu minutiös gezeichnet und einige Passagen wirken zu chronologisch angeordnet. Es spielt aber keine Rolle. Durch die neben der Ich- Perspektive intimste Form der Erzählung wird vor allem der Leser nicht nur nahe ans Geschehen heranrückt, er muss die einzelnen Versatzstücke wie Peter Ross selbst zusammenfügen. Wie es sich für einen Crichton/ Lange Thriller gehört, liegt eines der Geheimnisse in der Vergangenheit. Es wertvolles Artefakt der Maya Kultur soll anscheinend in die USA, aber vor allem aus Spanien heraus geschmuggelt werden. Dazu greift die eine Organisation zum Plan mit der Leiche, da Tode eher oberflächlich untersucht werden. Die andere Gruppe möchte den Gegenstand selbst unter Kontrolle bringen. Da sich die beiden Oppositionen nicht nur kennen, sondern mit exotischen Mordwerkzeugen sich insbesondere in der zweiten Hälfte des Thrillers bekämpfen, stellt sich für den Leser mehr als für Peter Ross die Frage, ob ein direktes Vorgehen gegeneinander nicht effektiver gewesen wäre. So dient Peter Ross nicht nur als Mittler, sondern wird zwecks Informationsbeschaffung gefangen gehalten oder teilweise sogar gefoltert. Dabei ist es von Beginn an fragwürdig, ob er überhaupt über diese Informationen verfügt. Der grundlegende Plan ist beiden Seiten genauso bekannt wie die angebliche Identität der Leiche. Und ein entsprechend präparierter Körper ist nicht ganz so leicht zu verstecken. Während der finalen Auseinandersetzung fügt Peter Ross einige ihm zugespielte und nicht erarbeitete Informationen zusammen, so dass er schneller als die Gegner auf die Leiche stößt. Aber diesem Moment greift Crichton weniger auf einen konsequenten Handlungsverlauf zurück, sondern öffnet mit Ratten und entsprechendem Gas in einer unter Denkmalschutz stehenden Stätte dem Zufall zu sehr die Tür. Auch wenn die einzelnen Szenen spannend sind, erscheinen sie stark konstruiert. Aus den James Bond Filmen ist die exotische Art und Weise eines Angriffs nicht nur auf Ross, sondern auch auf dessen allgegenwärtige Freundin Angela entnommen. Warum Ross aber angegriffen werden muss, um den Gegenstand in „Besitz“ zu nehmen, wird nicht dem Leser klar. Um die Spannungsschraube weiter anzuziehen, wird Peter Ross noch eine falsche Identität inklusiv der entsprechenden Entführung vorgegaukelt. Zu diesem Zeitpunkt weiß Ross aber nicht abschließend, wo sich der Gegenstand befindet. Crichton spielt mit der Gutherzigkeit des Amerikaners. Er hätte auch ohne Probleme sehr viel effektiver seine nicht koschere Freundin zurücklassen und fliehen können. Die Schurken stünden in diesem Fall mit leeren Händen da. Stattdessen vertrauen beide Seiten auf die finale Konfrontation, in deren Verlauf Ross den Feind mit seinen eigenen Waffen schlägt. Auch hier braucht der Autor eine Reihe von Zufällen, die wahrscheinlich in einem Kinofilm deutlich besser funktionieren als bei einem geschriebenen Buch. Unabhängig von diesen Schwächen präsentiert Crichton ein doppeldeutig zynisches Ende. Um seine These zu beweisen, muss Peter Ross in doppelter Hinsicht zeigen, dass wie in „The Maltese Falcon“ alle Seiten am Ende mit buchstäblich leeren Händen dastehen.

 

Auch wenn die Handlung einige Zufälligkeiten und Kompromisse aufweist, liest sich „Zero Cool“ – der Titel bezieht sich auf Peter Ross Spitznamen, der eher abfällig gemeint ist – ungemein kurzweilig und unterhaltsam. Michael Crichton hat ja immer klargestellt, dass die John Lange Thriller in erster Linie Flughafenunterhaltung sind. Bücher, die man während eines Fluges oder einer Bahnreise innerhalb der Flug bzw. Fahrtzeit goutieren kann. Bei denen sich der Leser nicht betrogen fühlt, die aber auch an der Oberfläche bleiben. Diese Prämissen erfüllt der Roman ohne Frage. Peter Ross ist ein angenehmer, eher glatter, ein wenig naiver amerikanischer Arzt, der sich in die Wildnis – in diesem Fall Spanien – auf eine Konferenz begibt, um neben einigen Tagen Spaß einen Vortrag zu halten. Er ist dem anderen Geschlecht zugetan, auch wenn Crichton hinsichtlich der Beschreibung eher oberflächlich wirkt. Wie ein typischer Hitchcock Antiheld gerät er in Ereignisse, die er nicht mehr kontrollieren kann. Und das alleine aufgrund der Tatsache, dass er ein amerikanischer Arzt ist, der angeblich für die Zollbehörden gültig eine Autopsie durchführen und einen entsprechenden Totenschein ausstellen kann. Das Einfügen des Gegenstandes hätte jeder örtliche Arzt sehr viel billiger erledigen können. Für den Leser stellt sich nur die Frage, warum die Schmuggler keinen Menschen vergiftet und dann einen Herzinfarkt als Todesursache ausgesucht haben. Das wäre glaubwürdiger als zwei Schussverletzungen, die selbst bei einer oberflächlichen Untersuchung durch den Zoll aufgefallen wären. Im Verlaufe der Handlung wächst Peter Ross über sich hinaus, wobei er die Gegner mit seinem Intellekt und seinen Instinkten besiegt. Er greift also nicht auf plötzliche Manneskraft zurück. An seiner Seite stehen zwei unterschiedliche Frauen. Angela ist eine klassische Schönheit, die sich Peter Ross anscheinend schon bei seiner Ankunft aus einem eher konstruierten Grund ausgesucht hat. Als Femme Fatale gehört ihr die Schlussszene, wobei Crichton in dieser Hinsicht sehr oberflächlich bleibt. Auf der anderen Seite ist Karin Brenner eher ein manipulierender Katalysator. Crichton gibt sich Mühe, zwei unterschiedliche Frauentypen mit eigenen Zielen zu entwickeln. Wie schon erwähnt wirken die Hintermänner eher wie Karikaturen. Insbesondere der gnomenhafte „Graf“ mit seinem Faktotum erscheint wie eine Parodie auf die zahlreichen James Bond Gegner. Allerdings auf ein intelligentes Westentaschenformat reduziert. Der Professor als Gegenspieler hält sich deutlich zurück. Während die Einführung der einzelnen Gruppen sehr effektiv erfolgt, greift Crichton in der zweiten Hälfte des Romans auf einige gut geschriebene Actionszenen – wie die Flucht aus dem großen Haus des Grafen sowie die finale Auseinandersetzung in einem der spanischen Wahrzeichen aus der Maurenzeit – zurück, um die komplizierte, aber rückblickend nicht unbedingt komplexe Handlung zufrieden stellend, sowie sehr effektiv abzuschließen.

Zusammenfassend ist „Zero Cool“ ein kurzweilig zu lesender Thriller, dessen Vorlage „The Maltese Falcon“- damit ist der Roman und weniger die ohne Frage gelungene Adaption gemeint – klar zu erkennen ist. Und trotzdem macht der Roman auf einer trivialen Ebene unglaublich viel Spaß vor allem an heißen Sommertagen an einem Strand irgendwo in Europa. 

Hard Case Crime, Paperback, 220 Seiten

ZERO COOL
Michael Crichton writing as John Lange
October 2013
ISBN: 978-1-78329-121-2
Cover art by Gregory Manchess

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