Hans Gesamtausgabe Band 3

Hans, Gesamtausgabe Band 3, Titelbild, Rezension
André-Paul Duchâteau & Kas

In seinem abschließenden reichhaltig bebilderten Vorwort geht Patrick Gaumier nicht nur auf den neuen Zeichner „Kas“ und sein bisheriges Schaffen sowie einige Inspirationen aus der vor allem polnischen Science Fiction ein, sondern er bemüht sich, die erkennbaren literarischen Vorlagen wie „Alice im Wunderland“ oder „Schöne, neue Welt“ herauszuarbeiten. Während „Alice im Wunderland“ im ersten Abenteuer „Die Prinzessin von Ultis“ noch erkennbar ist, erscheint die Idee der Herrschaft der Tyrannen eher herbeizitiert, da Kas und der Autor A.P. Duchateau sich eher an den Pulpcomics wie „Flash Gordon“ mit ihrer Mischung aus Science Fiction und Fantasy sowie den überdimensionalen, stetig wiederkehrenden Antagonisten wie in diesem Fall Argor orientieren. Auffällig ist, dass Kas nicht nur einen eigenen Stil mitbringt, der realistischer und weniger phantastisch im Detail erscheint, sondern dass Duchateau und Kas immer mehr Bilder für sich sprechen lassen. Ganze Actionseiten kommen ohne Beschreibungen oder Dialoge aus.  Auch wenn die Abenteuer abgeschlossen sind, wirken die Enden wie zum Beispiel der Start der Rakete im vorletzten Band „Das Geheimnis der Zeit“ eher unrund und bedingen zum Beginn des abschließenden Albums „Im der Land der Abgründe“ sogar einen starken Bruch.

Duchateu weißt aber auch richtig auf neue Figuren wie die abschließend zur Stieftochter erklärte Amazone Ayda hin, die mit ihren roten Haaren sogar einer Red Sonja Inkarnation ähnelt, während Orchidees und Hans Tochter Mahonia anfänglich dickköpfig pubertär und anschließend eine wunderschöne junge Frau ist. Der Zeitreise sei dank. Die Zeitreise ist ebenfalls ein deutlich ambivalenteres Mittel, um nicht nur die Zeit, sondern vor allem auch teilweise den Raum zu überbrücken. Verbindendes Element der vier hier zusammengefassten Alben – ursprünglich in den Jahren 1997 bis 2000 erschienen – ist der Hüter dieses Geheimnisses Hans, der sich im Grunde durch ein geschicktes Verschieben in der Zeit sogar selbst begegnen kann. Zusätzliche Würze erhält vor allem die Geschichte durch das Töten von Hans Klon, einer Idee, die im ganzen Comic immer wieder nur angerissen, aber an keine Stelle wirklich zufrieden stellend und vor allem nachhaltig genug abgehandelt worden ist. Politisch ambitioniert, aber auch unentschlossen werden die Herrscher als brutale Tyrannen – deren Hinrichtungs- und Foltermethoden sind interessant – dargestellt oder das einfache Volk als dummes Vieh, dessen Pazifismus den Keim ihres eigenen Untergangs in sich trägt. Da Hans nicht nur auf das Wohlwollen der Stadtregierung – eine Art Oligarchie – angewiesen, sondern immer wieder die Königin um Hilfe bitten muss, bleiben die Ansätze in diesen in erster Linie sehr stringenten Abenteuern an der Oberfläche. Interessant ist, das Hans wie die klassischen Pulphelden immer wieder nur reagieren und an keiner Stelle agieren muss. Entweder wird er wie im abschließenden Album um seine Familie zu schützen auf eine seltsame, sich natürlich als viel zu komplizierte Falle herausstellende Mission in eine Art außerirdisches „Jurassic Park“ geschickt oder er muss wie im Auftaktalbum seiner Tochter folgen. Hinzu kommt, dass in dem an Michael Moorcocks dunkle Fantasy Geschichte um den ewigen Helden erinnernden besten Album dieser Sammlung „Das Regenbogenschwert“ er seine Stadt vor dem unheimlichen Nebel retten muss. Da die Prämissen für jedes Album sehr unterschiedlich ist, unterhält die zusammengefasste Veröffentlichung der Alben erstaunlich gut und unterstreicht, wie interessant und vielschichtig im Groben inzwischen „Hans“ Welt geworden ist.

„Die Prinzessin von Ultis“ ist dabei auf der emotionalen Ebene das vielleicht schwierigste Album. Ihre Tochter flieht aus dickköpfig mit der Zeitmaschine nicht nur in der Zeit, sondern vor allem zu einer primitiven Zivilisation. Sie kommt als junge Frau dort an. Die körperliche Veränderung scheint aber in ihrem Geist keine Folgen hinterlassen zu haben. Hans muss ihr nicht nur Folgen, sondern sich dem örtlichen Regime stellen, um auf der einen Seite nicht als potentieller Verräter oder gar Zauberer hingerichtet zu werden, auf der anderen Seite aber auch seine Tochter zu befreien. Interessant ist, dass Kas und Duchaeteu die meisten Fantasy- Elemente in die Handlung haben einfließen lassen. Der Tyrann ist – wie Hans auch richtig anmerkt – nach Neros Vorbild gezeichnet. Seine Zwangsverheiratete attraktive Ehefrau sinnt weniger auf Rache denn auf Befreiung. Es gibt einen Ritter mit einem brennenden Schwert, der auf einem Pegasus den hilflosen Sklaven Mut macht. Auch das gigantische Buch als Sinnbild der Volksverdummung ist ein sehr starkes Symbol, das effektiv eingesetzt wird. Es sind die verschiedenen Elemente, die in diesem ausdrucksstarken, sehr stringenten Album nicht nur zusammenfließen, sondern vor allem eine interessante Einheit bilden. Immer wieder spielen Autor und Zeichner mit den Erwartungen der Leser und unterstreichen, das nicht zum letzten Mal in dieser Serie – siehe der Tod von Hans – nichts ist, als das es erscheint.  

 In „Das Regenbogenschwert“ wird die Stadt weniger durch die Idee eines tödlichen Nebels bedroht anstatt des im Schatten agierenden barbarischen Anführers, der gnadenlos die arme Landbevölkerung Richtung Stadt treibt, um mittels dieser rückblickend zu wenig erklärten MacGuffin in Nebelform die Stadt zu erobern. Hans macht sich auf, nicht nur das Geheimnis des Nebels zu lüften, sondern das Regenbogenschwert zu finden, das anscheinend das einzige Mittel gegen diese Bedrohung ist. Natürlich befindet sich dieses Schwert in den Händen des Erzschurken, dessen Plan nicht nur die Eroberung der Stadt, sondern vor allem Hans Tod umfasst. Vielleicht orientierten sich Duchateau und Kas trotz eines deutlich technischeren Hintergrunds und einem Zielorientierten Einsatzes der Zeitmaschine zu sehr an Don Lawrence Vorlagen. Mit der attraktiven wie rothaarigen Ayda wird eine deutlich erotischere „Gespielin“ als Hans Ehefrau Orchidee eingeführt, die vor allem in den von Kas gezeichneten Bänden nicht nur jeglichen Reiz verloren hat, sondern passiv immer wieder nur gerettet wird. Während sie in den ersten Alben vor allem durch ihren Intellekt überzeugte, ist es schade, dass Duchateau mit ihr alt erwachsene Frau nichts anfangen kann. Ayda wirkt ein wenig wie Rothaar aus den „Storm“ Abenteuern, wobei sie weniger das Breitschwert als Pfeil/ Bogen beherrscht. Das gegenseitige Retten und Beobachten zieht sich nicht nur durch „das Regenbogenschwert“, sondern auch den abschließenden Band der Serie „Im Land der Abgründe“. Dieses Abenteuer lebt vor allem von seinen Stimmungen. Nicht ganz klar ist, ob alles wirklich Realität ist oder sich einiges aufgrund von Hans „Tod“ vielleicht auch in den virtuellen Irrealitäten abspielt, die vor allem in den ersten Alben als Unterhaltung der dekadenten Bevölkerung der Stadt eine wichtige Rolle spielen.

In „Das Geheimnis der Zeit“ wird Aydas erster Freund – vielleicht ist sie deswegen inzwischen erwachsen – entführt, der sich auf einer wichtigen Expedition in einen abgelegenen Teil des Planeten befunden hat. Er dient als Köder für Hans, der alleine und unbewaffnet dem Herrscher des schwarzen Berges gegenüber treten und das Geheimnis der Zeitreise ausliefern soll. In vielerlei Hinsicht handelt es sich bei „Das Geheimnis der Zeit“ um das beste Album dieser Ausgabe. Argor – bekannt aus einem früheren Abenteuer – ist ein rücksichtsloser, wenig charismatischer, dafür effektiv und entschlossen handelnder Antagonist, der bis auf die finale Selbstüberschätzung viele interessante Aspekte mit sich bringt. Seine Arme besteht aus schwarzen Hund – Jugendlichen und Kindern, die sich hinter Masken verstecken und anscheinend tagsüber tatsächlich durch Genmanipulation zu diesen Bestien werden -, sein Schloss ist eine gigantische schwarze Kugel, die nicht nur fliegen/ schweben kann, sondern in einer der brutalsten Szenen die in die Irre gelockten Pazifisten förmlich erdrückt. Auch wenn die Entführung von Ayda, Orchie und schließlich auch dem jungen, mehrfach gefolterten Wissenschaftler wie ein Klischees wirkt, ist die Geschichte interessant, die politischen Zwischentöne ohne Belehrung oder gar Manipulation in die Handlung eingebaut und die finale Konfrontation einer Sword & Sorcery Story entsprechend direkt.

Die letzte Geschichte „Im Land der Abgründe“ leidet ein wenig unter dem schwachen Beginn. Da Hans zum Wohle der Stadt die Anweisungen des Rats nicht befolgt hat, soll er sich eine Art Gottesurteil stellen. Seine Frau und ihre Tochter bleiben als Geiseln zurück. Er soll in einer Art Wildpark nach dem Rechten sehen. Hier werden anscheinend die gezüchteten Tiere – es gibt sogar einen riesigen Dinosaurier, allerdings auch später einen zu offensichtlich ohne Hintergrund entwickelten riesigen Roboter direkt aus dem Golden Age der Science Fiction – nachts getötet. Ayda ist Hans gefolgt und versucht ihm zu helfen, während der für ein Rocker der siebziger Jahre aussehende Wildhüter ein doppeltes Spiel inszeniert. Die Handlung fängt sehr ruhig, aber zumindest aussichtsreich an, bevor sich erstens die Ereignisse überschlagen und zweitens das Ende zu offensichtlich, zu hektisch erscheint. Es sind die ganzseitigen dialoglosen Zeichnungen Kas, die vor allem die melancholische Stimmung einer Welt wiedergegeben, die konträr zu den bisherigen Kontinenten, Städten und Kulturen auf dieser Welt erscheint. Zu viel irdische Gegenreaktion scheint in die teilweise sehr exzentrischen Figuren wie die drei Wilderer geflossen zu sein, die von Duchetau wie eine Mischung aus Terroristen und Karikaturen manches schwarzweißen „ Tarzan“ Streifen entwickelt worden sind. Zusammenfassend wirkt dieses Album wie ein Übergang zu den deutlich ambitionierten und vor allem auch inhaltlich über mehrere Bände angelegten Geschichten, deren Fragmente in dem ausführlichen Vorwort zumindest wieder gegeben worden sind. Es ist schade, das diese Ideen bislang nicht umgesetzt worden sind.

Zeichnerisch unterstreicht Kas, dass er in die großen Fußstapfen von Rosinski nicht nur treten kann, sondern er beginnend mit Hans, der inzwischen wie von Hermann erschaffen erscheint, in Kombination mit den wirklich einfallsreichen Hintergründen, den markanten Nebenfiguren und einer deutlich mehr visuell entwickelten teilweise verzerrten Perspektive der Serie ein eigenes Gesicht gegeben hat. Science Fiction Leser werden nicht an allen Stellen mit einem eher ambivalenten Einsatz der Raumzeitmaschine ohne Rücksicht auf Paradoxons befriedigt. Auch werden einige Szenarien noch einem ambitionierten Beginn nicht zufrieden stellend genug abgeschlossen, um ihre ganze ohne Frage vorhandene Tiefe auszuspielen, aber auf der anderen sehr positiven Seite finden sich in diesen vier Abenteuern so viele kleine Ideen und handlungstechnische Nebenabzweigungen, die alleine für eigene Alben ausreichend wären. Hinzu kommt die fremdartigen und doch auch vertrauten Pro- und Antagonisten, die für Comics aus den achtziger Jahren stammend erstaunlich dreidimensional und ambitioniert entwickelt worden sind.  

Ein Gesicht, das den Wurzeln Respekt zollt und doch eigene Wege geht. Mit dem Abschlussband liegen alle zwölf „Hans“ Alben in einem einheitlichen, überdurchschnittlichen Format vor, so dass die Serie ihren rechtmäßigen Platz zwischen „Luc Orient“ und spätestens mit diesem Sammelalbum auch „Storm“ einnehmen kann.

EinbandHardcover Splitterverlag
Seiten208
Band3 von 3
Lieferzeit3-5 Werktage
ISBN978-3-95839-022-5
erscheint am:01.09.2015
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