Dan Shocker´s Macabros 11- Der Todesfluch der Aanss

Christian Montillon

Mit “Der Todesfluch der Aanss” liegt der zweite und dritte Teil der “Hierarchie des Grauens” vor. Stilistisch scheint der Roman nicht von den Autoren der letzten Bände geschrieben worden zu sein. Auch wenn die Hintergrundbeschreibungen farbenprächtig und exotisch sind, wirken die Dialoge teilweise übertrieben gekünstelt. An einigen Stellen hätte der Lektor Christian Montillon nachhaltiger eingreifen können, damit der erzähltechnisch Fluss noch harmonischer erscheint.
Die Handlung schließt direkt an “Phantomas Schneekreaturen” an. Dabei verrät der Klappentext sehr viel vom zweiten Teil des Doppelbandes. Anfänglich ist Danielle von der Dämonenkönigin direkt vom Altar weg in eine fremde Welt entführt worden. Natürlich wollten Ihr Björn Hellmark und ihr Verlobter Rani folgen. Die Dämonenkönigin macht Danielle zu ihrem Werkzeug, um die in einer Zwischendimension hausenden Aanss restlos zu vernichten. Auf einer Parallelhandlung wird eine Gefreitin der Bundeswehr aus ihrer Welt gerissen und ebenfalls in diese Zwischenwelt versetzt. Das Titelbild von R. S. Lonati zeigt sie mir ihrer Panzerfaust, allerdings ohne die lindgrüne Bundesweguniform, wie sie Hellmark und Rani für den Baumkreaturen rettet. Es geht zumindest in diesen Szenen nicht über solide Technik und eine ruhige Hand.
Auch wenn sich der Kampf gegen die Dämonenkönigin vielleicht ein wenig zu lange hinzieht und der Grundplot des Romans insbesondere in der zweiten Hälfte auf eine Reihe von Klischees - Rani schleicht sich in Mascadas Reihen ein und erhält ein für den Leser wenig überraschendes Angebot, das er im Grunde zum Leidwesen seiner Vertrauten/ Freunde nicht “ablehnen” kann, zurückgreifen muss, überzeugt die ganze Geschichte durch eine Vielzahl von Schauplätzen und die Integration vieler aus der Originalheftromanserie bekannter Figuren, Welten und Völker.
Das tragische Schicksal der Aanss erinnert ein wenig an die nordamerikanischen Indianer, von denen in Coopers bekanntem Roman nur einer schließlich überlebt. Die Aanss wirken als Opfer sehr überzeugend gezeichnet. Der Autor/ die Autorin bemüht sich, ihre Welt als eine Mischung aus primitiver Hochkultur und strengen Regeln zu zeichnen. Je überzeugender diese Beschreibungen sind, um so mehr drastischer wirkt die Zerstörung ihrer Kultur durch die “Deus Ex Machina” Lösung Danielle. Natürlich könnte es die Dämonengöttin selbst viel effektiver und schneller erledigen, aber diese Vorgehensweise dient als Teil eines vielleicht zu komplizierten Plans. Die Auflösung dieses Handlungsarms ist vielleicht ein wenig zu hektisch, aber zumindest nihilistisch folgerichtig. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob es sich um eine endgültige, tragische Lösung handelt oder ob auch in diesem Fall der Tod wichtiger Figuren nur ein vorübergehender Zustand ist.
Mit dem zweiten Teilroman “Höllenwahl- der sechste Hauptdämon” beginnt der schwächere Teil dieses Doppelbandes. Rani will sich wie schon angesprochen als sechster Hauptdämon in die Reihen der Dämonenkönigin einschleichen. Es nur oberflächlich geplantes Vorgehen, das eine gewisse Grundnaivität Mascadas voraussetzt. Hinzu kommt, dass Rani momentan waidwund ist und es unwahrscheinlich erscheint, das Björn Hellmark angesichts der wichtigen Ereignisse auf einen Freund zurückgreift, der abgelenkt ist. Im Gegensatz zu den Protagonisten erfährt der Leser, das auf Seiten Mascadas alles zu einem umfangreichen Plan gehöret, dessen Ziel die Infiltrierung von Hellmarks engstem Vertrautenkreises ist. Da der Handlungsbogen nicht abgeschlossen ist, fällt ein endgültiges Urteil schwer. Aber hinsichtlich des Haupthandlungsbogens wird auf eine Reihe von Klischees des Genres zurückgegriffen, die pflichtschuldig wie mechanisch abgearbeitet werden. Hier hätte der Leser mehr erwartet.
In Bezug auf die wichtigen Figuren erscheint der Roman ambivalent. Insbesondere Mascada wirkt zu eindimensional beschrieben. Sie erklärt Danielle stellvertretend für den Leser sehr lang, detailliert und breit ihre Pläne. Diese Passagen erinnern an die “James Bond” Filme, in denen der Schurke auch unmittelbar vor seiner Niederlage dem sich in einer verzweifelten Situation befindenden Geheimagenten ihrer Majestät alles erzählen mussten. Zumindest folgt der Plot in diesem Doppelband nicht dem Klischee. Trotzdem leidet Mascada seit einigen Romanen unter ihren komplizierten Plänen und hat viel von ihrer erotischen Ausstrahlung verloren. Danielle als unwilliges Opfer gerade vom Altar geraubt reagiert zu unterkühlt auf diese extreme Situation. Beim zumindest verbalen Duell der beiden Frauen hätten deutlich mehr die Funken fliegen können und müssen.
Der “gehörnte” Rani agiert im ersten Teil des vorliegenden Doppelbandes verständlicherweise wie ein Schatten seiner selbst. Trotzdem fehlt dieser Figur eine verzweifelte Seite. Björn Hellmark in Kombination mit seinem Doppelgänger operiert offensiv und gezielt, auch wenn er keinen echten Plan vorweisen kann.
Mit der Soldatin Claudia Becker wird eine neue Figur eingeführt. Auch hier wird im Vergleich zu den ersten, auf der charakterlichen Ebene sehr viel mehr dank liebevoller detaillierter Beschreibungen überzeugenden Romanen Potential verschenkt. Sie reagiert auf das fremde Universum, in dem sie sich allerdings mit einem ordentlichen Waffenarsenal wieder findet, sehr professionell. Es wirkt bizarr, das Panzerabwehrwaffen plötzlich in das Fantasy- Universum Dan Shockers eingeführt werden, aber mit ihrer direkten bodenständigen Art könnte Claudia Becker nicht nur einen überzeugenden Gegenentwurf zum nicht mehr allmächtigen Hellmark bilden, sondern auch das bisher etwas eindimensionalen Frauenduo - Danielle und Mascada - aufmischen. Leider gerät Claudia Becker ach ihrem ersten starken, auf dem Titelbild festgehaltenen Auftritt zu stark in den Hintergrund. Auch akzeptiert sie Hellmarks Erklärungen zu schnell. Hier wird sehr viel konfliktträchtiges Potential verschenkt.
Es ist bezeichnend, wenn Nebenfiguren wie Komestos, der Priester der Aanns, welcher Ustur in seinem Gefängnis halten kann, sorgfältiger charakterisiert worden sind als einige der Hauptfiguren.
Die Demontage von Hellmarks Rückzugsdomizil Marlos geht weiter. Auch wenn die Insel wieder unsichtbar und der magische Schutzschirm wiederhergestellt worden ist, verliert die Inselgemeinschaft mit dem weißen Priester Al Nafuur in absehbarer Zeit ein ausgleichendes Element. Schon im vorliegenden Abenteuer beschränkt sich Al Nafuur Präsenz auf einige wenige Sätze und die Heilung Komestros, wobei Al Nafuur angesichts des Verlustes eines Mitgliedes der Hellmark Familie aktiver hätte eingreifen können. Aber diese Passagen gehen im zu kompakten, fast abrupten wirkenden Ende des Titelteilromans unter. Wie bei Danielle, dem verführten Dani kann bei Al Nafuur noch kein abschließendes Urteil gefällt werden, aber die Mischung aus Respekt von Dan Shockers reichhaltigem Universum und dem Versuch einer Modernisierung inklusiv Neuinterpretation funktioniert bislang und hoffentlich nachhaltig sehr viel besser als der im vorliegenden Roman zugrunde liegende Plot. “Hierarchie des Grauens” ist bislang der schwächste Teilzyklus der “Zaubermond” Serie. Das liegt in erster Linie daran, weil das durchaus vorhandene Potential zu wenig nachhaltig gehoben wird und der übergeordnete Spannungsbogen mit zahlreichen bekannten Handlungsmustern - Entführung, Opferung, Wiedergeburt - förmlich zugepflastert wird anstatt die Serie zu neuen eigenständigen Höhepunkten zu führen. Stilistisch wie schon angesprochen ambivalent überzeugt “Der Todesfluch der Aanss” eher durch die respektvolle Nutzung von Dan Schockers “Macabros” Büchern als eine eigenständige Handlung.
Auffallend bei dieser “Zaubermond” Taschenbuchausgabe ist, das erstens die jeden Teilroman einleitenden Innenillustrationen fehlen und der Klappentext sowie die Vorschau auf den nächsten Roman textlich gleich sind. Dem Leser sei überlassen, welcher der beiden Abschnitte “falsch” positioniert worden ist.

Zaubermond Verlag, Paperback

208 Seiten, März 2013 erschienen

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