Der Untergang

Originaltitel: 
Der Untergang
Land: 
DE / Italien / Österreich / Russland
Laufzeit: 
155 min
Regie: 
Oliver Hirschbiegel
Drehbuch: 
Bernd Eichinger
Darsteller: 
Bruno Ganz, Alexandra Maria Lara, Corinna Harfouch, Ulrich Matthes, Juliane Köhler, Heino Ferch
Kinostart: 
16.09.04

Die letzten zehn Tage sind im Führerbunker angebrochen, am Ende des Zweiten Weltkriegs. Berlin ist von den Russen eingeschlossen, der Häuserkampf tobt, unablässig donnert die schwere Artillerie und lässt selbst im neun Meter tief unter der Erde liegenden Gewölbe das Licht flackern.


Filmkritik:
von Susanne Picard (für SF-Radio.net)

Phantasie oder nicht?
Das ist die Frage, die bei Oliver Hirschbiegels und Bernd Eichingers Film sämtliche Medien beschäftigt hat. Ist es legitim, die Nazi-Verbrecher in ihren "Privatgemächern" zu zeigen und wie sie weitgehend unbeobachtet vom Rest der Welt ihre letzten Tage verbrachten? Oder sollte man dieser Zeit überhaupt nur aufarbeitend in Form von objektiven Dokumentationen begegnen?

Was man als erstes nach dem Sehen feststellen kann – so real wurde die Nazi-Zeit in Deutschland trotz aller Dokumentationen wohl noch nie abgelichtet. Die letzten zehn Tage sind im Führerbunker angebrochen, am Ende des Zweiten Weltkriegs. Berlin ist von den Russen eingeschlossen, der Häuserkampf tobt, unablässig donnert die schwere Artillerie und lässt selbst im neun Meter tief unter der Erde liegenden Gewölbe das Licht flackern.
Schon bald ist es auch dem naivsten Bunkerbewohner oder Kinozuschauer klar: Der Krieg ist verloren, das Gedankengut der Nazis Geschichte. Üble Geschichte.

Wie verhält man sich angesichts dieser Tatsache? Wie benimmt man sich, wenn man sieht: die Idee, für die man Millionen von Menschen hat in den Tod gehen lassen, ist eine ganz und gar verlorene Sache?
Der Film versucht nicht, diese Frage definitv oder gar moralisierend zu beantworten, wie man das ja eigentlich gewöhnt ist von dieser Thematik. Es geht in Deutschland nicht ohne. Oder doch? Eichinger und Hirschbiegel versuchen zu zeigen, wie Einzelpersonen mit der Tatsache umgehen, dass ihnen nur zwei Alternativen bleiben: sich von den falschen Idealen zu verabschieden oder zu sterben. Angefangen bei Traudl Junge, der ehemaligen Sekretärin Hitlers, über Magda Goebbels bis hin zum Führer selbst: Jeder hat sowohl das Dritte Reich anders erlebt als andere und geht auch mit der verzweifelten Situation auf ganz eigene Weise um.

Eine der meistgestellten Fragen rund um den Film war die: Darf man diese Monster, die ein ganzes Volk zugrunde gerichtet haben, als Menschen zeigen? Nun, Fantasyfilme sind da undifferenziert. Das Böse ist klar gekennzeichnet, vorzugsweise mit grünem Schleim oder mit deutlichen Hörnern an der Stirn, mit vielen Tentakeln und bitte möglichst identifikationsfrei.
So einfach kann und sollte man es sich mit Hitler, der Nazi-Zeit und überhaupt allen Diktaturen heutzutage nicht machen. Es gilt der Grundsatz: Das Böse ist banal. Das ist um so erschreckender, da man es auf diese Art und Weise nicht mehr eindeutig zuordnen kann.

Dem „Untergang“ ist in einigen Kritiken vorgeworfen worden, er sei zu sehr Produzentenkino und hätte keine Dramaturgie. Das ist so nicht richtig. Es wäre eindeutig falsch gewesen, hätte man über den unweigerlichen Weg in den Abgrund, der für viele der Parteigrößen eine Einbahnstraße ohne Wendemöglichkeit bedeutete, eine filmische Dramaturgie gelegt. Beinahe jeder Dialog, den man in den 150 Minuten des „Untergangs“ zu hören bekommt, ist belegt, entweder in Joachim Fests Dokumentation über die letzten zehn Tage des Dritten Reichs oder durch Traudl Junges Buch „Bis zur letzten Stunde“. Zu behaupten, der Film funktioniere nicht, weil er den Figuren keine Rolle im heutigen Moralkodex zuweise, ist schlichtweg falsch, denn das will er gar nicht. Er zeigt verschiedene Reaktionen auf ein unweigerliches Ende.

Will man untergehen, da es keine nationalsozialistische Zukunft gibt und die Wucht der Götterdämmerung den eigenen Kindern ersparen, so wie Magda und Josef Goebbels? Will man einfach nur „a schöne Leich" sein, wie man auch im Leben nur eine Zierde war, so wie Eva Braun? Oder zwar selbst untergehen, aber vorher noch die Zivilbevölkerung retten, wie Brigadegeneral Mohnke? Oder ist man nur ein einfacher und aufrechter Soldat wie Otto Günsche? Oder will man sowohl niemanden im Stich lassen als auch überleben, so wie Traudl Junge?

Der Film gibt keine Antworten auf diese Fragen, sondern überlässt das Urteil völlig dem Zuschauer. Eine künstlerische Ausformung des Filmkonzepts selbst ist daher unnötig – es ist eine Sache, ein Buch zu lesen, eine andere, die nüchternen Beschreibungen und Analysen in lebendigen Bildern auf der Leinwand zu sehen. Der Schrecken bekommt ein Gesicht, in diesem Fall dank der hervorragenden Schauspieler, die es schaffen, die vielfach dokumentierten Geschehnisse in ein lebendiges Bild zu verwandeln. Schon das kann unheimlich genug sein, auch ohne grünen Schleim und Teufelshörner.

So ist das, was gestandene Kritiker diesem Film vorwerfen, nämlich das angebliche Versagen des Konzepts, das eigentlich Besondere und Herausragende an dieser Verfilmung, besonders hier in Deutschland, wo Berichte und Filme über das Dritte Reich immer noch von eindeutigen Moralkodizes begleitet werden müssen, um Geltung erlangen zu können. Das Verdienst – und das Fazit - dieses Films ist es, das Sujet von diesem moralischen Zeigefinger befreit zu haben.

Nur einen Nachtrag muss es geben - einen Monat nach Erscheinen der DVD. Albert Speer kommt zu gut weg in "Der Untergang". Er war beileibe nicht nur der Gute, als der er da herüberkommt und hat mehr Verbrechen begangen, als er einst in den Nürnberger Prozessen bereit war, zuzugeben. Aber das ist insofern verzeihlich, als dass nur die letzten zehn Tage und dazu noch beschränkt auf den Bunker in diesem Film stattfinden und auch gezeigt werden sollen.

Es sei noch einmal daran erinnert, dass der Film nur zeigen will und nicht aufarbeiten. Albert Speer und seine Mitschuld am Nazi-Regime ist nicht das Thema des "Untergangs"; auch wenn er in den Jahren davor nicht weniger Schuld auf sich geladen hat als die anderen Großen des Nazi-Regimes - in den letzten zehn Tagen fanden diese Verbrechen nicht statt.

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