Sieben

Originaltitel: 
Se7en
Land: 
USA
Laufzeit: 
127 min
Regie: 
David Fincher
Drehbuch: 
Andrew Kevin Walker
Darsteller: 
Brad Pitt, Morgan Freeman, Kevin Spacey, Gwyneth Paltrow
Kinostart: 
23.11.95

Am ersten Tag seiner letzten Arbeitswoche wird Detective William Summerset zu einem Mordfall gerufen. Sein Name drückt aus, was in ihn vorgeht: Sein Sommer ist zuende, seine Pensionszeit naht, er ist seiner Kräfte und Blühte beraubt. Aber noch immer ist er ein brillanter Denker und scharfer Beobachter, und deswegen bemerkt er sofort, dass es sich bei dem Toten nicht um Routine handelt: Ein fettleibiger Mann, gefesselt am Esstisch, das Gesicht tief in seinem letzten Gericht vergraben.

Kurz darauf lernt Summerset den Mann kennen, der seinen Platz einnehmen soll: David Mills ist jung, hitzköpfig, ungeduldig und ehrgeizig. Obwohl Summerset auf seine letzten Tage keinen so großen Fall mehr bearbeiten möchte und die Zusammenarbeit mit Mills nicht gut funktioniert, erliegt der alte Polizist doch der Faszination dieses Mordes und erkennt nach und nach, was wirklich passiert:

Ein unbekannter Killer haucht den sieben Todsünden durch grauenvolle Morde Leben ein. Daher bleibt es nicht bei einer Leiche: Dem dicken Mann, der durch seine Maßlosigkeit mit dem Tod bestraft wurde, folgt nicht nur der Anwalt, der aufgrund seiner Habsucht auf grauenvolle Weise sein Leben lassen musste.


Filmkritik:
von Holger Lodahl (für SF-Radio.net)

"Sieben" weist in deutlichen und grausamen Bildern darauf hin, wie alltäglich die Todsünden heutzutage geworden sind. Die sieben Todsünden (oder sollte man sagen: die ehemaligen Todsünden?) sind heute überall anzutreffen – von Karriereneid über von Trägheit dick gewordenen Sozialschmarotzern bis hin zu inflationär gebrauchten und symbolisch übertriebenen Darstellung der Todsünden in Form von sieben Eissorten eines bekannten Eisherstellers.

Dieser Film dreht sich um die Frage, ob dies nicht alles gesühnt werden sollte. Um dies zu unterstreichen, schont er den Zuschauer nicht und schockt mit harten Bildern der grausam zugerichteten Leichen. Darüber hinaus zeigt er die Tatorte in der namenlosen Stadt in tristen und übervölkert erscheinenden Straßen in ewigem Dauerregen und erinnert weniger an das moderne New York denn an Sodom und Gomorra.

Daher lohnt es sich, wenn sich der Zuschauer von den Gesichtern der Schauspieler löst und seine Blicke auf die Kulisse und die Ausstattung lenkt. Arthur Max hat ganze Arbeit geleistet: Jedes Zimmer, jede Straße drückt aus, was in ihm vorgeht. Beeindruckend beispielsweise die Szene, in der die Polizei das Opfer entdeckt, das seit einem Jahr gefesselt im Bett liegt. Das Zimmer spricht fast seine eigene Sprache, so akribisch ist jedes Detail in diesem Raum platziert und es unterstreicht das Geschehene in ihm.

Jedoch soll nicht die Leistung der Schauspieler unerwähnt bleiben: Morgan Freeman ist perfekt besetzt und stellt seinen Charakter glaubwürdig dar. In seinem Gesicht sind die Spuren und die Erfahrungen seines Berufslebens zu lesen. Daher wirkt es plausibel, dass er die kompliziert platzierten Hinweise des Mörders erkennt und deuten kann.

Den Gegenpart von Summerset verkörpert Brad Pitt, der als David Mills die Welt noch etwas optimistischer sieht und seine Karriere vorantreiben möchte. Einmal mehr gelingt es Pitt, sich vom Ruf des schönsten Mannes der Welt, zu dem er mehr als einmal gewählt wurde, zu lösen und seine Ausdruckskraft unter Beweis zu stellen.

In einer ersten großen Rolle ist Gwyneth Paltrow zu sehen. Die Aufgabe ihres Parts ist es, als blonde, schöne Ehefrau David Mills’ in der Dunkelheit zu strahlen und die beiden Männer einander näher zu bringen. Ihr fällt zum Ende des Filmes die tragische Schlüsselrolle zu. Für Paltrow war Sieben ein Weg zur großen Karriere – kurze Zeit später bekam sie einen Oscar.

Kevin Spacey spielt einmal mehr den unheimlichen und undurchsichtigen Mann, wie er es auch in Die üblichen Verdächtigen getan hat. In seinem zurückhaltenden Spiel merkt man ihm an, dass unter der steifen Fassade des Mörders der Wahnsinn wohnt. Seine Figur John Doe erweist sich im Finale nicht nur als Rächer, sondern auch als Egoist: Er bedient sich am Zorn seines Gegners um sein Ziel zu erreichen.

"Sieben" ist in seiner Gesamtheit ein großer, brillianter Film, der außergewöhnlich spannend ist, aber auch mit den großen Fragen und Ängsten der Menschen spielt. Regisseur David Finchers Handschrift und Stil werden einmal mehr deutlich. Ganz ähnlich wie in "Alien 3" hetzt er seine Charaktere durch die düstere Szenerie und lässt sie auch herbe Rückschläge erleben. Die Kamera jagt den Figuren mit zuweilen verwackelten Bilder hinterher, um den Zuschauer dann durch geschickte und ruhige Platzierung auch einmal auf die falsche Fährte zu führen.

Das Finale ist spannend und überraschend. Man kann als Zuschauer erahnen, dass man etwas erwarten muss, dass einfach nicht zu erwarten ist: Der Mörder John Doe hat seine Taten zu akribisch geplant, um am Ende etwas dem Zufall zu überlassen; David Mills ist zu zornig, um sich zu beherrschen; Summerset ist doch zu alt, um körperlich fit und schnell genug zu sein. Und die Sonne strahlt am Ende allzu grell vom blauen Himmel, um ein Happy End entstehen zu lassen. Und so bleibt der Zuschauer am Ende fast so traumatisch und verstört zurück wie die Figuren des Filmes.

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