Der Musterschüler / Buster Keaton, der Student

Originaltitel: 
College
Land: 
USA
Laufzeit: 
62 min
Regie: 
James W. Horne
Drehbuch: 
Bryan Foy, Carl Harbaugh
Darsteller: 
Buster Keaton, Anne Cornwall, Flora Bramley
Kinostart: 
17.10.27

Nach dem kommerziellen Desaster seines eindrucksvollsten Films „The General“ entwickelte sich für Buster Keaton die Zukunft deutlich schwieriger. Privat begann seine Ehe zu bröckeln, er durfte seine Kinder nicht sehen und begann zu trinken. Zumindest in „College“ zeigen sich die alkoholischen Exzesse noch nicht, seine athletische Fitness ist weiterhin verblüffend. Ihm gelingt eine Rolle rückwärts mit einer vollen Kaffeetasse in der Hand, aus der nichts verschüttet wird oder sein finaler Hürdenlauf ist eine gelungene Mischung aus Kraft und Eleganz.


Filmkritik:
von Thomas Harbach

Nach dem kommerziellen Desaster seines eindrucksvollsten Films „The General“ entwickelte sich für Buster Keaton die Zukunft deutlich schwieriger. Privat begann seine Ehe zu bröckeln, er durfte seine Kinder nicht sehen und begann zu trinken. Zumindest in „College“ zeigen sich die alkoholischen Exzesse noch nicht, seine athletische Fitness ist weiterhin verblüffend. Ihm gelingt eine Rolle rückwärts mit einer vollen Kaffeetasse in der Hand, aus der nichts verschüttet wird oder sein finaler Hürdenlauf ist eine gelungene Mischung aus Kraft und Eleganz. Nur den Sprung mittels einer Wäschestange in den ersten Stock zur Rettung seiner Geliebten hat er einem professionellen Sportler der Universität von Kalifornien überlassen. Sicherlich dürften die privaten Eskapaden dazu beigetragen haben, Keaton nicht nur einen Wachhund in Form eines zweiten Regisseurs zur Seite zu stellen, sondern vor allem seine Budgets, aber nicht unbedingt seine Kreativität zu beschneiden.

Mit dem Zusammenbruch der United Artists begann das Starsystem zu wanken. Weiterhin erkannte zumindest Buster Keaton, dass die Tage des Stummfilms gezählt gewesen sind. Es lässt sich nicht mehr feststellen, ob die Idee, eine der damals populären College- Filme als Komödie zu drehen, von Buster Keaton selbst stammt oder er in seiner beginnenden Verzweifelung, einen Kassenschlager zu produzieren einfach zu einem populären Stoff gegriffen hat.

Das klassische Schema der Collegekomödie, in welcher nicht unbedingt heldenhafte Charaktere schließlich das hübsche Mädchen im Gegensatz zu den eher dumm dargestellten Sportathleten abschleppen und heiraten, hat er beibehalten. Um diese nicht unbedingt originelle Grundidee hat Buster Keaton eine Reihe von visuellen Gags, aber auch sarkastischen Seitenhieben platziert, die schließlich am Ende wahrscheinlich überraschend deutlich in seiner privaten Situation kumulieren. Das ihm nicht unbedingt zum Lachen zu Mute gewesen ist, erkennt man an dem vermeidlichen Happy- End.

Der spontane Held heiratet das hübsche Mädchen, kurze Zeit später in ihrer Ehe haben sie sich nichts mehr zu sagen, als altes Ehepaar schweigen sie sich an und schließlich stehen ihre beiden Grabsteine zwar nebeneinander, aber den Betrachter lässt der Eindruck nicht los, als wenn sie sich schon lange nicht mehr zu sagen gehabt haben und dieser Zustand in alle Ewigkeit weiter bestehen wird.

Das Keaton mit einem so boshaften Ende durchgekommen ist, zeigt seinen Einfluss am Set. Im Grunde konzentriert sich die Kamera immer wieder auf den tollpatschigen Musterschüler, der nur aufgrund der Liebe zu einem jungen Mädchen von seiner Verachtung den dummen Sportlern gegenüber abweicht und sie ausgerechnet durch Höchstleistungen auf dem Gebiet zu beeindrucken sucht, was sie wahrscheinlich am wenigsten in ihm vermutet. Im Gegensatz zu der in seinen ersten Filmen visuellen Wandelbarkeit – schnelle Schnitte, Zoomfahrten so weit mit den primitiven Möglichkeiten möglich, verschobene Perspektiven inklusiv der selten verwendeten Froschperspektive – ist „The College“ war steril, stummfilmtypisch inszeniert worden. Im Gegensatz zu „The Three Ages“ oder „The General“ verzichtete Keaton – egal welchen Stellenwert man dem Regisseur zugesteht, es ist und bleibt ein Keaton-Film – auf teure Sets, drehte auf Sportplätzen, in den Straßen und schließlich auch die Rennbootszene auf einem echten Fluss.

Nicht selten konnte er die imposanten Gebäude Los Angeles sehr geschickt im Hintergrund seines Films platzieren, eine Kostensparende, aber schließlich effektive Methode. Da Keaton visuell so gut wie gar nicht als Regisseur gefordert worden ist, kann er sich gänzlich auf seine Persönlichkeit konzentrieren. Er beginnt den Film mit einer eher unterdurchschnittlichen Hommage an Klamaukkomiker, in dem sein von Muttern extra für die Verabschiedung an der Schule gekaufter Anzug erst im Regen eingeht und schließlich von einem Heizkörper zumindest angesengt wird. Mit diesen ersten Szenen wird eine Erwartungshaltung beim Zuschauer geweckt, gegen die Keaton im Verlaufe des Films anarbeitet. Als er seine Rede vor dem gelangweilten Publikum hält, in welcher er den geforderten Geist über den gesunden Körper stellt, wirkt er arrogant. Allerdings hat die Bezeichnung des Studenten von der traurigen Gestalt in der Filmgeschichte wahrscheinlich niemals besser gepasst.

Keaton isoliert seinen typischen durchschnittlichen Verlierer von seinen Zuhörern und vor allem auch seinem Publikum. Später erkennt der außen stehende Betrachter, dass Keaton eine junge Frau liebt, welche seine Gefühle nicht zu erwidern scheint und ihn als aufzieht als mag. Das aufgrund des von ihr gereichten kleinen Fingers Keaton seine bisherige Lebensplanung über Bord wirft und auf das gleiche College wie sie geht, zeigt das typische Bild eines emotional verarmten Bücherwurms und Muttersöhnchens. Für das teure College muss Keaton arbeiten, hier teilt sich zumindest für einen Augenblick die Handlung.

Nicht nur als Sportler ist der Musterschüler ein Versager, auch im Berufsleben. Er versucht sich als Barkeeper. Dabei imitiert er den Starbarkeeper mit seiner fließenden Leichtigkeit des Coktailmixens und scheitert schon am Aufschlagen eines Eis. Sehr viel ironischer ist Keatons zweiter Job, er arbeitet als Farbiger in einem Restaurant – die Schuhcreme ist natürlich extra überzogen aufgetragen – und wir schließlich vom Restaurantbesitzer und den Farbigen, die sich aufgrund seiner Maskerade in ihrer Ehre verletzt fühlen, aus dem Haus gejagt. Während Keaton auf seiner ersten Arbeitsstelle sich auffällig tollpatschig benimmt, zeigt er auf seinem zweiten Job immer unbewusst seine athletischen Fähigkeiten.

Der soziale Kommentar, dass Farbige sich nur für die niedersten Jobs von weißen Aufpassern drangsaliert eignen, ist ganz absichtlich in diese seichte Komödie gestreut worden. Wie wenig sich Keaton für das Drehbuch wirklich interessante, beweist der komplette Abbruch dieser Handlungsebene, nachdem er zweimal gescheitert ist, braucht er nichts mehr für seinen Lebensunterhalt dazuzuverdienen. Als Sportler erweist er sich als Versager im Baseball, als Null in der Leichtathletik und schließlich „bedroht“ er den schuleigenen Achter. Auch hier wirkt das Drehbuch unbalanciert und seltsam ambivalent.

So wird ihm der Job als Steuermann auf dem Achter vom Schuldirekter verschafft, der vorher seine geistigen Fähigkeiten herausgestellt hat. Selbst kein Sportler versucht er dem jungen Mann zu helfen, als dieser ihm von seiner unglücklichen Liebe berichtet. Es ist erstaunlich, wie schnell sich ganz bewusst als Theoretiker charakterisierte Menschen auf diese klischeehaft simplifizierte Ebene begeben. Als Keaton erkennt, dass der Coach des Achters in ihm einen Versager sieht, wächst er zum ersten Mal aus der schablonenhaften Figur hinaus und bietet seinen freiwilligen Rücktritt an.

Da der Coach allerdings den falschen Mann eingeschläfert hat, muss Keaton einspringen und erringt schließlich mit einer artistischen Einlage den Sieg für sein Team, seine Schule, seine Liebe und seine eigene Persönlichkeit. Vorher zeigt seine deutlich herausgestellte Unsportlichkeit auch wenn es ein Widerspruch ist seine körperlich sehr gute Verfassung. Ob es die Verrenkungen beim Baseball sind, die fast melancholisch wirkenden Erfahrungen bei der Leichtathletik und schließlich der Einsatz als lebender Steuermann, Keaton beherrscht seinen Körper und vor allem jede Szene, in der er auftritt.

Emotional wird er nur an zwei Stellen der sanften Komödie gefordert – einmal zu Beginn, als seine Mutter als einzige im Saal geblieben ist und seiner Rede gelauscht hat, ein anderes Mal, als seine Flamme ihm im neuen College im Grunde bei ihrer ersten Begegnung sehr schnippisch und arrogant den Laufpass gibt -, dagegen kann er mit seiner körperlichen Präsenz überzeugen und rettet den Film aus seiner Oberflächlichkeit und vor allem in Bezug auf das Drehbuch Klischeehaftigkeit.

Kein typisches Fettnäpfen wird ausgelassen, keine Standardsituation zumindest angedeutet, wenn nicht durchgespielt und der Höhepunkt entspricht eher der Verzweifelung, Keaton zu einem Held der letzten Minute zu machen als ein wirklich überzeugenden Plotende zu verfassen. Geschickt wird der Zuschauer manipuliert, bis ihm im Grunde nichts anderes übrig bleibt, als den Helden wider Willen, den intelligenten Musterschüler auf seinem sportlich herausragenden, aus der Verzweifelung geborenen Lauf des Lebens zu beobachten und mit ihm zittern. Das er rechtzeitig kommt, um die holde Maid zu retten, steht außer Frage.

Es geht nur um das „Wie“ und nicht das „Warum“. Keaton macht in „The College“ eine ausgezeichnete Miene zum eher oberflächlichen Spiel. Nach seiner subtilen, sehr intelligenten Komödie mit tragischen Zügen „The General“ muss er sich unterfordert gefühlt haben. Trotzdem liefert er eine überzeugende Leistung in einem nur noch wegen seiner Persönlichkeit interessanten Film ab. Das sein Stern und die für ihn typische Komödie nach der Beschneidung seiner kreativen Möglichkeiten am Sinken begriffen ist, überzieht „The College“ mit einer fast greifbaren Melancholie.

Nur am Ende mit seinem bösartigen Epilog erkennt der Zuschauer für einen Augenblick, welch sensibler Mensch und vor allem künstlerisch herausragender Geist Buster Keaton wirklich gewesen ist. Um einen Film wie „The College“ aus dem Durchschnitt zu retten, kommt diese Erkenntnis zu spät. Im Gegensatz zu „The Three Ages“ ist die Musik dieses Mal deutlich passender. Das Bild ist für sein Alter sehr gut, die Digitalisierung hat ganze Arbeit geleistet. Im Vergleich zu „The three Ages“ finden sich kaum Nitratflecken, nur wenige Szenen wirken zu hell – ein erstes Zeichen der Auflösung des Filmmaterials – und die Einführung ist pointiert und informativ.

An Extras finden sich auf der DVD hauptsächlich Einblicke in das eher kärgliche Spätwerk Keatons, das oft nur noch als harter Broterwerb und abhängig von karikativen Gönnern charakterisiert. wird. In der Reklamesendung „The Buster Keaton“ Show für das Studebakerauto tritt Buster Keaton in einem fingierten Boxkampf gegen einen eifersüchtigen Riesen an. Keaton hat einzelne Dialogszenen, der lustige Film lebt aber in erster Linie von seiner weiterhin Körperbetonten Komik, bildet nicht nur eine gute Ergänzung und „The College“, sondern zeigt, auch wenn seine Komik ein wenig altbacken wirkt und nur wenige neue Ideen präsentiert werden, daß Keaton auch nach der Stummfilmzeit die Aufmerksamkeit des Publikums fesseln konnte.

Mit das beste aus der „Candid Camera“ werden Ausschnitte aus einer Show mit Keaton gezeigt, in der er im Restaurant seine Mitesser verblüfft. Es lohnt sich, den kurzen Ausschnitt zweimal zu sehen, einmal mit voller Konzentration auf Keaton und ein weiteres Mal mit dem Fokus auf die nichts ahnenden Restaurantbesucher. Als letztes reines Keaton- Dokument findet der Zuschauer den Trailer zu „How to stuff a wild Bikini“, einem der vier Beach- Movies. Keaton hatte Auftritte in allen vier Filmen. Mack Sennett hat ebenfalls eine Reihe von Kurzkomödien über verschiedene Themen gedreht.

In „Run, Girl, Run“ hat er sich auch dem Universitätssport angenommen. In der Hauptrolle Carole Lombard, allerdings ist der Humor dieses Films deutlich zynischer und bösartiger. Nur wenige Szenen bringen im Gegensatz zu „The College“ den Zuschauer heute noch zum Lachen. Aus historischer Sicht allerdings eine hervorragende Ergänzung. „Ballpark“ aus dem Jahr 1929 ist einer der letzten Stummfilmzeichentrickfilme mit Felix the Cat. Der Zeichner Paul Terry weigerte sich, seinem Werk eine Tonspur beizufügen. Er nimmt in dem kurzweiligen Film die amerikanische Sportbesessenheit und ihren zur melodramatischen Exzentrik auf die Schippe und ihm gelingen einige sehr gute, bösartige Seitenhiebe, welche der Zuschauer in Buster Keatons Film nur ansatzweise erahnen kann.

Ein weiterer Zeichentrickfilm der Serie „Merrie Melodies“ ist „Sport Champions“ des Jahres 1941. Die Wettkämpfe finden im Avery Memorial Stadion statt. Eine der vielen Anspielungen auf das Tex Avery- Universum, welches noch sechzig Jahre nach ihrem Höhepunkt die Zuschauer fasziniert. Farbenprächtig und für sein Alter in einem hervorragenden Zustand ist eine Ansammlung von Anti- Sportrekorden in der Tradition von Keatons- Film. An diesem Musterbeispiel lässt sich auch gut ablesen, dass der Tonfilm insbesondere diesen Komödien sehr gut getan hat, alleine der überdrehte Reporter verdient für seine verbalen sportlichen Leistungen eine Pappmedallie. Auch wenn die Extras mehr im Tenor mit dem Hauptfilm im Zusammenhang stehen, runden sie eine sehr gute Präsentation des Films ab.

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