Kritik zu Legend of Tarzan - Viel Body, wenig Brain

John Clayton III, Lord Greystoke (Alexander Skarsgård), hat seine Zeit in Afrika hinter sich gelassen und lebt seit Jahren mit seiner Frau Jane (Margot Robbie) im spätviktorianischen London. Dort wird er vom amerikanischen Gesandten George Washington Williams (Samuel L. Jackson) gebeten, mit ihm in den Kongo zu reisen, um den ausbeuterischen Machenschaften des belgischen Königs Leopold II. auf den Grund zu gehen. In Afrika angekommen, wird Jane vom belgischen Gouverneur Captain Rom (Christoph Waltz) gefangen genommen. Clayton muss wieder zu Tarzan werden, um sie zu retten.

Der Vater der Superhelden

Edgar Rice Burroughs ist Erfinder sowohl von John Carter vom Mars als auch Tarzan. Beide Figuren könnten Proto-Superhelden sein: Athletisch, mit übermenschlicher Kraft gesegnet, intelligent. John Carter kann zudem durch hohe Sprünge fast fliegen. Tarzan hat es zu einer popkulturellen Ikone geschafft, nicht zuletzt durch die frühen Verfilmungen in Hollywood.

Sein Lendenschurz, das Schwingen an Lianen, der berühmte Tarzanschrei sind allgemein bekannt. Allerdings gibt es heute mit den vielen Superheldenfilmen eine große Konkurrenz, und der "Ur"-Superheld wirkt fast antiquiert. Wer nimmt Tarzan denn noch ernst?

Die Lösung: Tarzan selbst wird ein Superheld. In Legend of Tarzan wird das schon sehr früh deutlich gemacht, als John Clayton III, Lord Greystoke im England des ausgehenden 19. Jahrhunderts Kinder mit seiner veränderten Knochenstruktur beeindruckt (Zitat Tarzan: "Ich habe gelernt, auf meinen Fingerknöcheln zu laufen") und der Fähigkeit, Vogelstimmen nachzuahmen.

Dieser Tarzan, sagt Legend of Tarzan, ist eigentlich ein Mutant, der vielleicht sogar mit Tieren reden kann, so recht weiß das der Film selbst nicht genau. Und glaubt man den Hintergrundberichten zum Film, war es sowohl von Regisseur David Yates (Harry-Potter-Filme ab Der Orden des Phönix) als auch Hauptdarsteller Alexander Skarsgård so geplant, Tarzan als Übermenschen darzustellen.

Körperlich top, Niveau eher so mittel

Dementsprechend verkörpert Skarsgård als unglaublich muskulöser Tarzan auch die pure, wilde Männlichkeit, die fast schon überzeichnet wäre, wenn sich der Film nicht so ernst nähme. Etwas, das er übrigens auch mit den weniger guten Superheldenfilmen gemein hat. Dieser Tarzan sieht sich zerrissen zwischen seiner Wildheit und der Verbundenheit mit der Natur und den gesellschaftlichen Anpassungen, derer er sich in England ausgesetzt sieht. Diesen Zwiespalt arbeitet die Handlung ganz gut heraus, leider bleibt dies aber auch die einzige Charakterisierung, die Tarzan widerfährt.

Im eher mittelmäßigen Young-Adult-Drama Hüter der Erinnerung - The Giver, hatte Skarsgård trotz einer wesentlich kleineren Rolle größere Möglichkeiten, schauspielerisches Talent zu zeigen.

Aber Legend of Tarzan soll ja auch ein Superheldenfilm sein, keine Milieustudie. Allerdings sind die wenigen Actionszenen dafür zu schlecht inszeniert: Faustkämpfe sind zu kurz und wenig nachvollziehbar geschnitten, den Choreographien fehlen echte Highlights. Zwar sind manche Kampfszenen nicht ohne Witz - so verliert Tarzan beispielsweise einen Kampf -, bleiben aber hinter dem üblichen Sommer-Blockbuster-Hollywood-Futter zurück. Außerdem hat man beim Zuschauen das Gefühl, die Kämpfe waren eigentlich besser in Szene gesetzt, mussten aber für eine niedrige Altersfreigabe (in den USA PG-13) zusammengeschnitten werden.

Ein Afrika-Film ohne Afrika

Überhaupt bleibt angesichts einiger Charaktere, deren Handlungsbögen ins Nichts laufen, der Eindruck so mancher turbulenter Drehbuchkorrekturen. Der Bösewicht Captain Rom, erwartungsgemäß gut gespielt von Christoph Waltz, bleibt leider blass. Jane (Margot Robbie) wechselt irgendwo zwischen einer aufgeklärten amerikanischen Liberalen und hilfloser Prinzessin hin und her. Manchmal ergreift sie zwar die Initiative, verweist aber trotz allem immer auf ihren übermenschlichen Gefährten Tarzan, der an ihrer Stelle die Bösen bestraft. Lediglich George Washington Williams, gespielt von Samuel L. Jackson, wirkt einigermaßen sympathisch, auch wenn seine Rolle klar die des Comic Relief ist.

Legend of Tarzan ergeht sich in Panorama-Kamerafahrten und Vogelperspektiven auf die afrikanische Steppe oder den Dschungel, viele Aufnahmen vor Ort gab es aber nicht. Vielmehr wurden Aufnahmen aus den Drehorten in Afrika per Computer integriert, was zwar zu schönen Einstellungen führt, die aber trotzdem höchst künstlich wirken.

Fazit

Trotz aller Kritik ist der Film aber kein Totalabsturz: Die Handlung ist zwar im Groben vorhersehbar, bietet jedoch einige interessante Wendungen. Die Jagd nach dem Bösewicht ist ansprechend und spannend genug inszeniert, so dass der Film über weite Teile zumindest nicht langweilig wird.
Für Tarzan-Fans (gibt es die noch?) lohnt sich ein Besuch definitiv, Fans gestählter, männlicher Körper haben definitiv etwas zu gucken. Die Bemühungen, Tarzan neben den gängigen Superhelden zu platzieren, schlägt allerdings fehl, da die so wichtigen Actionszenen nicht spannend genug sind. Die Macher haben sogar Tarzans berühmten Schrei integriert - allerdings sehr behutsam.

Fun Fact zum Schluss: Der bekannteste Tarzan-Darsteller, Johnny Weissmüller, war begeisterter Jodler. Sein Tarzan-Ruf ist eine Abwandlung eines Jodel-Rufs.

Legend of Tarzan Teaser Poster
Originaltitel:
The Legend of Tarzan
Kinostart:
28.07.16
Regie:
David Yates
Drehbuch:
Adam Cozad, Craig Brewer
Darsteller:
Alexander Skarsgård, Samuel L. Jackson, Margot Robbie, Djimon Hounsou, Christoph Waltz
Die Geschichte um Tarzan von Edgar Rice Burroughs wurde in den letzten Jahrzehnten schon zigfach adaptiert, im Juli 2016 bringt Warner eine weitere Interpretation der klassischen Geschichte in die Kinos.

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