Kritik zu Westworld 1.01 - Die ganze Welt ist eine Bühne

Ein Vergnügunspark in Westernoptik voller Androiden. Bewaffneter Androiden. Bewaffneter Androiden, die von den menschlichen Gästen - "reiche Arschlöcher", wie sie im Pilotfilm an einem Punkt charmanterweise genannt werden - aufs Übelste misshandelt und gequält werden, hilflos ihrer Programmierung und dem Drehbuch, dessen Handlung sie immer wieder nachspielen müssen, ausgesetzt, Spielball von Menschen vor und hinter den Kulissen.

Was soll da schon schiefgehen?

1973 setzte sich der Spielfilm Westworld mit dieser Frage auseinander und beantwortete sie zwar spannend, aber relativ simpel. Die Androiden drehten wegen eines Fehlers im Programm durch, die Menschen kämpften um ihr Leben. Selbst Yul Brynners ikonischer Revolverheld erfuhr außer "ist echt böse" keine nennenswerte Charakterisierung. Thema war die Unbeherrschbarkeit der Technik und die Angst vor dem, was Menschen erschaffen, wenn sie Gott spielen - was Autor Michael Crichton dann später in Jurassic Park wieder aufgriff.

Westworld, die Serie, macht bereits in der ersten Szene deutlich, dass es hier anders laufen wird. Da treffen wir auf Dolores (Evan Rachel Wood), eine sichtlich verängstigte Androidin, die von einer körperlosen Stimme verhört wird. Sie führt uns als Zuschauer in ihre Welt, eine von Klischees gegprägte Westernkulisse mit zwielichtigen Spielern, ehrlichen Ranchern, weisen Prostituierten und vernarbten Banditen. Aber nicht alles passt zusammen. Das automatische Klavier im Saloon spielt "Black Hole Sun" und zwischen den Westernfiguren tummeln sich Gäste, die ihr Verhalten mit teilweise verstörenden Bemerkungen kommentieren. Virtual Reality mit Ganzkörperkontakt.

Während wir die Westernwelt hauptsächlich aus der Sicht der Gastgeber - so nennt man die Androiden als Gegenpol zu den Gästen - erleben, stehen hinter den Kulissen die Menschen im Vordergrund. Wie Götter blicken sie auf eine Miniaturversion der Welt, die sie erschaffen haben, herab, und bestimmen über das Schicksal ihrer Bewohner. Doch das Betriebsklima auf diesem Olymp ist nicht gerade "Brücke der Enterprise"-harmonisch. Am Stuhl des Parkschöpfers Dr. Ford (Anthony Hopkins) wird kräftig gesägt, keiner kann den Drehbuchautor leiden und zwischen der Verwaltung und der Einsatztruppe, die sich um fehlerhafte Androiden kümmert, gibt es Spannungen. Man merkt als Zuschauer schnell, dass diese Leute auf die sich anbahnende Krise nicht vorbereitet sind und dass im Hintergrund (noch) unsichtbare Kräfte wirken, die über sie bestimmen wie sie über die Androiden.

Und diese Androiden sind das Herz der Serie. Sie sind die Affen in Planet der Affen: Prevolution, hilflos, unterdrückt und gefangen in einer Welt, die sie nicht verstehen. Doch ihre Existenz wirft auch Fragen auf, die über Verantwortung und Macht hinausgehen. Ist es verwerflich, einen Androiden wie einen Drucker wegzuwerfen, nur weil er menschlich aussieht? Wann wird aus Programmierung Bewusstsein, wann werden aus NPCs Sklaven? Sind wir gütige Götter oder Cthulhu? Das sind die Themen, um die es in Westworld geht, und die Serie spricht sie an, ohne zu belehren oder zu ermahnen. Stattdessen flechtet sie sie in eine spannende, intelligente, teils witzige, teils melancholische Handlung ein - Jurassic Park trifft Ex Machina.

Fazit

Jonathan und Lisa Joy Nolan öffnen im Pilotfilm zwar die Tür zu Westworld, schalten aber nicht das Licht ein. Man erahnt vieles, vermutet einiges, rätselt über manches. Doch das ist keine Sekunde lang frustrierend, ganz im Gegenteil. Die angerissenen Handlungsstränge (vor allem die um Ed Harris' Figur und Dolores) sind so vielschichtig und in ihren Wendungen so unvorhersehbar, dass sie sich gern alle Zeit nehmen können, die sie brauchen. Natürlich ist es möglich, dass man, wenn das Licht angeht, in einer Bruchbude steht, aber nach diesem Auftakt kann ich mir das nur schwer vorstellen.

Wenn das so weitergeht, muss sich HBO um die Preisverleihungen nach Game of Thrones keine Sorgen machen.

Dreams Trailer: Westworld (HBO) - MATURE

Westworld

Originaltitel: Westworld (2016)
Erstaustrahlung 03. Oktober 2016 bei HBO
Darsteller: Anthony Hopkins, Ed Harris, Evan Rachel Wood, James Marsden, Thandie Newton, Jeffrey Wright, Tessa Thompson, Sidse Babett Knudsen, Rodrigo Santoro, Luke Hemsworth, Clifton Collins, Jr.
Produzenten: Jonathan Nolan, Lisa Joy, J. J. Abrams, Bryan Burk
Entwickelt von: Jonathan Nolan, Lisa Joy
Basiert auf dem Science-Fiction-Western Westworld (1973) von Michael Crichton
Staffeln:
2+
Anzahl der Episoden: 10+


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