Sherlock Staffel 4: Kritik zu "Das letzte Problem"

SPOILER

Nachdem die ARD am Pfingstwochenende mit der Ausstrahlung von der vierten Staffel Sherlock begann, steht an diesem Sonntag bereits wieder das Finale an. Zum Abschluss wartet noch einmal ein besonders emotionaler Fall auf Sherlock und Watson.
 
Nach dem Ende von "Der lügende Detektiv" ist nun endlich klar, wer sich hinter der kryptischen Nachricht verbirgt. Sherlock hat eine Schwester, die von Mycroft schon vor vielen Jahren als höchst gefährlich eingestuft wurde. Dass Eurus nun wieder frei sein soll, kann Mycroft nicht glauben, sodass sich die beiden Holmes-Brüder und Watson aufmachen, um das Gefängnis Sherrinford zu überprüfen. Dort wartet Eurus allerdings bereits schon auf ihre Geschwister und hat ein perfides Spiel vorbereitet.

Nele

Woohoo, was für ein Ritt. "Hirn aus und auf sich wirken lassen. Bloß nicht zu viel nachdenken" wäre mein Tipp an Leute, die die Episode noch nicht gesehen haben. Mit einem dicken Grinsen.
 
Es passiert eine Menge. Wenig davon scheint zu Sherlock zu passen und doch weiß "Das letzte Problem" zu unterhalten. Hochsicherheits-Gefängnisinsel, gelöschte Erinnerungen, mordende Kinder, Escape-Room-Horror, Flugzeugentführungsdrama, Familienzwist, Moriarty – was will man mehr.
 
Vieles ergibt vorne und hinten keinen Sinn und Eurus "Ostwind" Holmes als hochintelligente Psychopathin und Spiegelbild dessen, was Sherlock auch sein könnte, ist eigentlich reichlich überzogen. Doch es funktioniert. Auch dass sie trotz Gefangenschaft hinter so ziemlich allen Ereignissen in Sherlocks Leben (und seinen fehlerhaften Erinnerungen daran) steckt – einfach mal so hinnehmen und sich treiben lassen.
 
Die Folge gewinnt zudem durch das sehenswerte Zusammenspiel zwischen John, Sherlock und Mycroft – die Darsteller scheinen spürbar Spaß an ihren Rollen gehabt zu haben.
 
Am Ende bleibt reichlich verbrannte Erde (tatsächlich und im übertragenen Sinne), aber auch lange nötige Offenheit, Aussprache und vorsichtiges aufeinander zugehen. Zusammen mit Marys Abschlussmonolog zu den "Baker-Street-Boys“ fühlt es sich stark nach einem Serienende an.
 
Andererseits könnte es als Grundstein für einen kleinen Neuanfang dienen – befreit von den Verstrickungen der bisherigen Staffeln wieder zurück zur Basis und die gereifte Beziehung zwischen Sherlock und Watson im Blick.

Hannes

"Das letzte Problem" beginnt zunächst einmal mit der langweiligsten Auflösung eines Cliffhangers aller Zeiten. Dass die Macher von Sherlock generell schon immer besser im Aufbauen Cliffhangern als im Auflösen waren, konnte man bereits schon im Staffelauftakt sehen. In der finalen Folge von Staffel 4 wird es jedoch noch einmal besonders verdeutlicht. Letztendlich löst man die ganze Sache in einem Nebensatz auf, was dann doch sehr enttäuschend ist.
 
Die anschließende Geschichte dürfte das Publikum vermutlich ziemlich spalten. In der gesamten Staffel konnte man schon beobachten, dass es Steven Moffat und Mark Gatiss vor allem darum ging, bestimmte Momente und Situationen zu schaffen. Die Art und Weise, wie man zu dem jeweiligen Punkt kommt, war allerdings häufig sehr holprig und mitunter auch einfach unlogisch geschrieben. "Das letzte Problem" treibt die Entwicklung auf die Spitze.
 
Sobald man beginnt, einen genauen Blick auf die Geschichte zu werfen, fällt dieses schnell auseinander. Die Handlung ist einfach zu unlogisch, was auch daran liegt, dass die Fähigkeiten von Eurus schon beinah übermenschliche Züge annehmen. Dazu muss der Zuschauer häufig die Logik vor der Tür lassen, sonst dürften die Fragen, welche die Geschichte aufwerfen, schnell über Hand nehmen.
 
Wem es allerdings gelingt, über die Logik des Gezeigten hinwegzukommen, den erwartet eine unglaublich spannende und sehr emotionale Folge. "Das letzte Problem" bieten einfach so viele unglaublich gut gespielte und geschriebene Szenen, dass man über die Geschichte im Hintergrund hinwegsehen kann. Das Telefonat mit Molly oder die Szene, in der Mycroft seinen Bruder dazu bringen will, ihn umzubringen, sorgen einfach für Gänsehaut und zeigen so viel von den Charakteren, die man in den vergangenen sieben Jahren lieb gewonnen hat.
 
Wenn das Bild so gut aussieht, kann man es irgendwie doch verschmerzen, dass das Gold am Rahmen schon merklich abgeblättert ist. Und so endet die vierte Staffel von Sherlock, und eventuell sogar die ganze Serie, vielleicht nicht mit der besten aber definitiv mit einer der emotionalsten Folge.

Katrin

Das Finale einer Staffel sollte etwas sein, auf das man hinfiebert. Der Moment, den man nicht erwarten kann, da alle lose Fäden zusammengeführt werden und in nervenaufreibenden Szenen einen wilden Ritt liefert.
 
Bei Sherlock war das in der Regel auch nie das Problem. Bis zu “Das letzte Problem”. Die gesamte Folge ist ein einziges Problem.
 
Da offenbart eine Serie, dessen Hauptfigur ein Logik-Fetischist ist, haarsträubende Logik-Löcher. Streng genommen müssten Eurus Super-Beeinflussungs-Kräfte eigentlich übernatürlichen Ursprungs sein, wenn man bedenkt, was ihr in diesem Hochsicherheitsgefängnis so alles möglich ist. Dabei wirkt sie zuweilen schlichtweg wie eine Zicke und lässt jegliche Eleganz eines intelligenten, aber irren Kriminellen missen.
 
Wie eine Ohrfeige kommt es daher, welche Rolle Moriarty letztendlich in dem Spiel über mehrere Staffeln eingenommen hat. Sogar der “Miss me”-Cliffhanger wird undankbar aufgelöst; Moffat und Gatiss machen aus dem Bösewicht schlechthin nichts weiter als eine dumme Marionette. Ärgerlich. Höchst ärgerlich.
 
Zwar wirkt “Das letzte Problem” mitunter wie ein Kammerspiel, da sich die Handlungsorte fast nur auf das klaustrophobische Gefängnis konzentrieren. Jedoch mag so gut wie nie Nervenkitzel aufkommen, das Schema der Aufgaben ist nach der ersten bereits deutlich. Somit können die vermeintlichen “Wendungen” nach einer Entscheidung auch nicht recht für eine Überraschung sorgen.
 
Grundsätzlich krankt die Episode aber daran, dass sie es nicht schafft, eine emotionale Bindung zu den Figuren aufzubauen. Man bedenke, dass Sherlock, Mycroft und John sich in einer Ausnahmesituation befinden, in denen jede Schwäche in der Beziehung untereinander ausgenutzt werden soll. Wenn dann der klassische “Wen wird er töten? Den Bruder? Oder seinen besten Freund?”-Moment nicht funktioniert, läuft etwas gewaltig schief.
 
Die Andeutungen auf das Ende sind nicht schwierig zu verstehen, wer aufmerksam zuschaut, wird vom Finale nicht wirklich überrascht. Oder… doch. Denn mit der Abschlussmontage präsentieren Moffat und Gatiss derart klebrigsüßen Kitsch, dass einem rationalen Zuschauer schlecht werden könnte. Marys salbungsvolles “Meine Baker-Street-Jungs” ist nach einer Folge voller Ärgernisse der letzte Tritt, den es nicht mehr gebraucht hat.
 
Man kann nur vermuten, dass die Autoren mit dieser Folge alles auf Anfang setzen wollten, sollte es noch eine Staffel 5 geben - die vermutlich nach “Das finale Problem” einen kreativen Reboot bekommen wird. Anders ist der Totalausfall des Finales und damit auch der gesamten Staffel nicht zu erklären.

Originaltitel: Sherlock (seit 2010)
Erstaustrahlung am 25.07.2010
Basiert auf den Sherlock-Holmes-Detektivgeschichten von Sir Arthur Conan Doyle
Darsteller: Benedict Cumberbatch (Sherlock Holmes), Martin Freeman (Doctor John Watson), Una Stubbs (Mrs. Hudson), Rupert Graves (Greg Lestrade), Louise Brealey (Molly Hooper), Mark Gatiss (Mycroft Holmes)
Produzenten: Mark Gatiss, Steven Moffat, Beryl Vertue
Staffeln: 4+
Anzahl der Episoden: 13+


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