Kritik zu Auslöschung - Psychedelischer Horrortrip vom Ex-Machina-Regisseur

Alex Garland hat bereits eine bewegte kreative Karriere hinter sich. Der Brite fing als Romanautor an und erreichte insbesondere durch seinen Roman The Beach Popularität. Der Regisseur und spätere Dauer-Kollaborateur Danny Boyle adaptierte das Buch mit Leonardo DiCaprio. Weitere gemeinsame Arbeiten sollten mit 28 Days Later und Sunshine folgen. Auch die Drehbücher des Science-Fiction-Dramas Alles, was wir geben mussten und des Actionkrachers Dredd stammen aus Garlands Feder.

Kein Wunder also, dass er auch mit seinem Regiedebüt, dem kopflastigen und unterkühlten Ex Machina, dem Genre treu blieb. Ein Film, der zwar keine großen Erfolge an den Kinokassen feierte, aber immerhin die Ambition besaß, den Verstand anzuregen. Die Paramount-Produzenten wurden jedoch nervös, als es um die Distribution von Garlands neuen Filmen ging. Die Auslandsrechte verkaufte das Studio an Netflix. Für internationale Kinofans bedeutet dies schon allein wegen der berauschenden visuellen Schauwerte eine kleine Enttäuschung. Angesichts des Ergebnisses, das mehr wie ein Kunstfilm im Gewand eines Genre-Schockers daherkommt, ist diese Entscheidung aus einer rein finanziellen Sicht durchaus verständlich. Auslöschung ist allerdings wegen seiner Ambitionen sehenswert, wenn man dazu bereit ist, seinen Geist entsprechend zu öffnen.    

 

Schon zu Beginn des Science-Fiction-Dramas scheint festzustehen, wo die Reise hingeht: Die Biologin Lena (Natalie Portman) sitzt in einem sterilen und isolierten Raum. Sie ist offensichtlich als Einzige von einer traumatischen und katastrophalen Expedition zurückgekehrt und wird nun von ihren verdutzten Wissenschaftskollegen dazu befragt. Vier Monate zuvor hatte sich Lena einer Reise zu einem Küstengebiet angeschlossen, das Area X (oder auch The Shimmer) genannt wird. Eine Forschungsmission, zu der ihr Ehemann, der US-Soldat Kane (Oscar Isaac), schon zuvor angetreten war und erst kürzlich und scheinbar schwer erkrankt zurückgekehrt ist.

Um herauszufinden, was mit ihm und den zahlreichen Expeditionsteams davor geschehen ist, schließt sich Lena der Psychologin Dr. Ventress (Jennifer Jason Leigh), der Physikerin Josie Radek (Tessa Thompson), der Medizinerin Anya Thorensen (Gina Rodriguez) und Wissenschaftlerin Cass Sheppard (Tuva Novotny) an, um das von einem lila leuchtenden Kraftfeld umgebenden Gebiet zu erkunden, in dem merkwürdige Dinge geschehen und die Zeit anders abzulaufen scheint.  

Mehr soll an dieser Stelle zunächst nicht verraten werden, jedoch sollte niemand Auslöschung mit einem typischen Vertreter des Science-Fiction-Horrors verwechseln. Selbst Leser der Buchvorlage von Jeff VanderMeer wird die Adaption überraschen, denn Garland stellte schon zu Beginn des Drehbuchschreibens klar, dass er nicht in der Lage sei, dem abstrakten Romanvorlage treu zu bleiben. Stattdessen nahm er sich viele erzählerische Freiheiten und wählte dazu einen durchaus interessanten eigenen Ansatz. Die erzählerischen Reise schreitet zwar langsam und gedämpft voran, ist allerdings durch eine stete Anspannung geprägt. Garland beherrscht Genreversatzstücke meisterhaft und liefert durchaus verstörende Alptraummomente, die jedoch nicht auf billige Schockeffekte setzen.

Auch wenn Garland in seinem Prolog viel vorwegnimmt, wird es schwer sein, abzuschätzen, wie die psychedelische Reise verlaufen wird. Denn die Action und Spannung spielen tatsächlich nur eine hintergründige Rolle. Garland ist vielmehr an dem psychologischen Drama interessiert, das sich Stück für Stück entfaltet. Wie sich herausstellen soll, haben alle Teilnehmer ihren psychologischen Ballast, den sie mit sich herumschleppen und der sie dazu verleiten, an einem vermeintlichen Himmelfahrtskommando teilzunehmen. Garland erzählt vom äußerst menschlichen Drang, sich selbst zu zerstören. Ein Prozess, der hier unaufhaltsam voranschreitet.

Sein Drehbuch und dessen Dialoge sind nicht gerade subtil, wenn es darum geht, diese Figurendetails für das Publikum aufzubereiten. Wie sich der Horror jedoch physisch manifestiert, setzt sich von anderen Genre-Vertretern ab. Der Regisseur orientiert sich für seinen Zweitfilm an Klassikern wie Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum und Andrej Tarkowskis Solaris. Vor allem nimmt Garland jedoch deutliche Anleihen an Tarkowskis Stalker, der ebenfalls von einer Expedition in eine außerirdisch anmutendes Gebiet handelt. Trotzdem ist er visuell und tricktechnisch bemüht, etwas wahrhaft Fremdartiges und gelegentlich Trostloses zu erschaffen. Dabei setzt er, wie schon zuvor bei Ex Machina, das relativ begrenzte Budget effektiv und größtenteils subtil ein, um diese fremdartige Welt und eine außerirdische Macht zu erschaffen, die keiner Motivation zu folgen scheint, oder zumindest keiner, die menschlich nachvollziehbar wäre. Wer jedoch konkrete Antworten oder gar konkrete Fragen erwartet, wird sich frustriert und enttäuscht aus dem Netflix-Account ausloggen.

Schauspielerisch gibt es nichts zu bemängeln: Die vier Hauptdarstellerinnen tragen problemlos die emotionalen sowie militärisch-physischen Aspekte der Mission. Zwischen Natalie Portman und Oscar Isaac baut sich ebenfalls eine überzeugende und sogar charmante Chemie auf, auch wenn sie nur wenige Rückblenden-Szenen miteinander teilen. Die Darstellungen und Emotionen bleiben insgesamt gedämpft, jedoch brodelt hier viel unter der Oberfläche.   

Fazit:

Auslöschung ist ein langsam voranschreitendes, philosophisch angehauchtes und abstraktes Science-Fiction-Drama, das vor allem auf eine befremdliche Atmosphäre setzt. Dabei sind weniger Plot-Twists oder Horrorschockeffekte zu erwarten. Vielmehr erschafft Garland eine Welt, die eine reizvolle Schönheit entwirft und mit verstörenden Alptraumbildern und -szenarien kontrastiert wird. 

AUSLÖSCHUNG | Offizieller Trailer [HD] | Netflix

Annihilation (2018) - Official Trailer - Paramount Pictures

Originaltitel:
Annihilation
Kinostart:
12.03.18
Regie:
Alex Garland
Drehbuch:
Alex Garland
Darsteller:
Natalie Portman, Jennifer Jason Leigh, Gina Rodriguez, Tessa Thompson, Tuva Novotny, Oscar Isaac
Im Inneren der Zone X hat sich die Tier- und Pflanzenwelt völlig verändert und niemand weiß, was hinter dem rätselhaften Phänomen steckt.

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