Project Daedalus - Kritik zu Star Trek: Discovery 2.09

SPOILER

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Die Fallhöhe zur überwiegend positiv bewerteten letzten Episode war hoch, doch auch diese Woche kann Star Trek: Discovery überzeugen. Jonathan Frakes hat sich für “Projekt Daedalus” abermals auf den Regiestuhl geschwungen. Das Drehbuch schrieb Michelle Paradise, aus deren Feder auch die finalen Episoden 13 und 14 stammen. Zudem bildet sie für Staffel 3 zusammen mit Alex Kurtzman das neue Showrunner-Gespann.

Rote Augen, rote Shirts und andere Unglückszeichen

Erfreulicherweise hat man das Geheimnis rund um Cylonen-Airiam nicht unnötig in die Länge gezogen. Gerade noch ist sie deutlich sichtbar vom Zukunfts-Matrix-Sonden-Monster infiziert worden, ein paar mysteriöse leuchtende rote Augen zwischendurch reingeschnitten, und schon liefert Star Trek: Discovery eine Auflösung. Zumindest ein wenig.

Leider ist jedoch gleich zu Beginn offensichtlich, dass ihr diese Episode nicht sonderlich gut bekommen wird. Bislang war ja noch nicht einmal klar, was sie überhaupt ist. Zwar hat Airiam in Staffel 2, wie auch der Rest der Brücken-Crew, etwas mehr zu tun bekommen, blieb jedoch weiterhin blass. So wirkt die plötzlich gezeigte Hintergrundgeschichte ähnlich, als ob sie sich ein rotes Uniformshirt übergezogen hätte: Sie ist so gut wie tot, Jim.

Dennoch kommt das freundschaftliche Verhältnis insbesondere von Tilly, Detmer und Burnham zu Airiam überzeugend rüber. Es stellt sich heraus, dass Airiam ein Mensch ist beziehungsweise war. Bei einem Shuttle-Unglück kommt ihr Mann ums Leben, und sie wird schwer verletzt. Durch den Einsatz massiver Technik wird sie gerettet, ist nun jedoch eine Art halber Roboter - auch wenn der Ausdruck “kybernetisch erweitert” bevorzugt wird. Eine Folge ist, dass sie alle Eindrücke nicht mehr im Schlaf verarbeitet, sondern einmal die Woche vor der schwierigen Entscheidung steht: Welche Erinnerungen sollte oder möchte man behalten, welche müssen gehen.

In kurzer Zeit schafft man so, untermalt von schönen Bildern und Überblenden, einen großen Sprung was die Verbundenheit zum Charakter angeht. Gerade rechtzeitig, damit ihr brutaler Tod am Ende der Episode berührt und die sichtbare Betroffenheit der kompletten Crew nicht völlig befremdlich wirkt.

Noch besser wäre dies jedoch wohl gelungen, wenn man schon zuvor immer mal wieder kleine Einblicke zu Airiams Hintergrund bekommen hätte. Kam die Entscheidung zum aktuellen Handlungsstrang relativ spontan? Ansonsten wäre dies ja auch eine gute Geschichte für einen Short Trek gewesen, wenn man ihr denn die paar Minuten innerhalb der beiden Staffeln bisher nicht gönnen wollte.

Logische Emotionen

Die Episode bietet ein Minenfeld, den Tod eines Crewmitgliedes und einen Kampf um Leben und Tod. Doch Burnham und Spock schaffen es mit ihrem äußerst angespannten Verhältnis, selbst ein Schachspiel hitzig - oder in Spocks Falle emotional - werden zu lassen.

Spock muss herausfinden, warum der Rote Engel ausgerechnet ihn erwählt hat. Etwas, dem er nicht mit Logik beizukommen scheint. Doch auch Burnhams Versuche, ihm auf die Sprünge zu helfen, scheitern. Tatsächlich möchte man Spock zujubeln, als er seiner Schwestern das “es geht nicht immer nur alles um dich” an den Kopf wirft. Naheliegend, dass die Logik-Extremisten eher ein Problem mit einem Halb-Vulkanier als bloß mit einem menschlichen Pflegekind haben.

Im Wechsel mit dem neutraleren Austausch bei der Arbeit im Labor mit Stamets darf Ethan Peck endlich mehr Nuancen seiner Spock-Darstellung zeigen. Der spätere Enterprise-Spock ist deutlich erkennbar und doch handelt es sich hier auch klar noch um eine jüngere Version, dem noch etwas Reife und Erfahrung - vor allem im Umgang mit sich selbst - fehlt.

Extreme Logik

Juhu, Pike darf weiter seinen prinzipientreuen Captain raushängen lassen! Und auch Admiral Cornwall zeigt sich in voller Aktion - schon im Kleinen nebenbei, wenn sie etwa Detmer für das Durchqueren des Minenfeldes Anweisungen gibt und durch ihre Stärke Vertrauen schafft “wie in der Akademie”. Pike und Cornwall geben zusammen schon ein ziemlich gutes Führungsteam ab.

Mit dem Abstrich, dass Cornwalls Ansprache gegenüber Pike, dass die Enterprise aus dem Klingonenkrieg herausgehalten wurde, damit im Zweifel “das Beste der Sternenflotte” überlebt, vielleicht etwas ungünstig war.  Bitch, please - du stehst mitten auf der Brücke, umringt von lauter Leuten, die in diesem Krieg hart gekämpft und viel verloren haben. Etwas mehr Taktgefühl und Wertschätzung wäre angebracht. Auch wenn die Sternenflotte, unter dem Deckmantel Sektion 31, fleißig verpönte Minen einsetzt und sich gegen Spock verschworen zu haben scheint. Das ist nicht mehr die Sternenflotte, die Captain Pike geheiratet hat.

Dass Spock niemanden getötet hat, war uns Zuschauern ja ohnehin schon klar. Cornwalls fliegende Lügendetektor-Kugeln bestätigen ihr immerhin, dass zumindest Spock selbst dies auch tatsächlich glaubt. Dem gegenüber steht jedoch das Beweisvideo, das sie natürlich gründlich auf Manipulation untersucht hätte. So gründlich kann das ja nun nicht gewesen sein, wenn erst beiläufig in einem geeigneten Moment Saru darauf hinweisen muss, dass auch das Wärmebild mit übertragen wird. Stellt sich heraus: Bei der Aufzeichnung und auch in der Video-Kommunikation mit Admiral Patar handelt es sich um Hologramme.

Widerstand ist nicht zwecklos

Zwar lassen uns die Logik-Extremisten (über diese Wortschöpfung werde ich noch eine ganze Weile weiter schmunzeln können) sicherlich noch nicht komplett los, doch hat die Discovery es hier mit einem deutlich größeren Feind zu tun. Airiam wurde von der Matrix-Sonde infiziert und ist nun fremdgesteuert. Nicht nur hat sie Tyler reingeritten, sondern kräftig auf der Discovery manipuliert und ist dabei, all das Wissen über Künstliche Intelligenz des vor einigen Folgen explodierten uralten Leuchteballs an die Bedrohung aus der Zukunft zu übermitteln.

Das Hauptquartier von Sektion 31, die ja gerne mit Technik rumspielen, ist bereits verloren und die Mannschaft gefroren. Eine Kleinigkeit wenn man bedenkt, dass womöglich die Auslöschung allen bewussten Lebens bevorsteht. Doch Burnham bringt es nicht über Herz, der Bitte von Airiam nachzukommen und die Schleuse zu öffnen. Ganz nach dem Motto “The needs of the many outweigh the needs of the few” will sich Airiam in einem lichten Moment selbst opfern. Statt der stark emotionalen Burnham muss Commander Nhan tätig werden. Nicht ohne dass Airiam im letzten Moment mitteilt, dass dies alles ja nur wegen Burnham geschehe. Ha, nimm das, Spock!

Kurz wurde ja auch auf Nhans kybernetische Ergänzung eingegangen. Da sie als Barzanierin eine andere Luftzusammensetzung braucht, helfen ihr die Implantate beim Atmen. Nun stellt sich mir allerdings die Frage, ob sich die nicht etwas sicherer einbauen lassen. Man denke doch nur mal an die ganzen ausgerissenen Piercings im Sportunterricht Ende der 90er-Jahre. Und da ist man immerhin dann nicht dran erstickt.

Noch einmal besonders positiv erwähnen möchte ich die Darstellung von Airiam durch Hannah Cheeseman in dieser Episode. Der Ausschnitt von ihr als Mensch war kurz, doch gelang ihr auch trotz sehr limitierter Roboter-Mimik Airiam Charakter und erkennbare Wesenszüge zu verleihen. So hätte es für den Schwenk zwischen Discovery-Airiam und Cylonen-Airiam nicht einmal das überdeutliche Rote-Augen-Signal gebraucht. Das macht den Abschied nicht leichter, zusätzlich zum abrupten Ende ohne Musik in den Endcredits. Die schwarze Abblende zum anhaltenden Meeresrauschen aus Airiams Lieblingserinnerung ist sicherlich nicht die innovativste Idee, aber äußerst wirksam.

Fazit

Kleinere Abzüge in der B-Note was die Hinerklärung (etwa Sarus Wärmeblick und Airiams Hintergrund) angeht, im Gesamten überzeugt “Projekt Daedalus” jedoch. Die Handlung wird vorangetrieben, und gleich mehrere Charaktere bekommen zumindest etwas mehr Farbe. Auch wenn die Emotionen wieder einmal über die Logik gestellt werden.

Star Trek: Discovery 2x09 "Project Daedalus" (Trailer)

Star Trek: Discovery

Originaltitel: Star Trek: Discovery
Erstaustrahlung 24. September 2017 bei CBS All Access / 25. September 2017 bei Netflix
Darsteller: Sonequa Martin-Green (Michael Burnham), Jason Isaacs (Captain Gabriel Lorca), Michelle Yeoh (Captain Georgiou), Doug Jones (Lt. Saru), Anthony Rapp (Lt. Stamets), Shazad Latif (Lt. Tyler), Maulik Pancholy (Dr. Nambue), Chris Obi (T’Kuvma), Shazad Latif (Kol), Mary Chieffo (L’Rell), Rekha Sharma (Commander Landry), Rainn Wilson (Harry Mudd), James Frain (Sarek)
Produzenten: Gretchen Berg & Aaron Harberts, Alex Kurtzman, Eugene Roddenberry, Trevor Roth, Kirsten Beyer
Entwickelt von: Bryan Fuller & Alex Kurtzman
Staffeln: 4+
Anzahl der Episoden: 42+


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