Kritik zu Star Wars: Jedi Fallen Order - Der mit der Macht tanzt

Trotz große Unruhe der Fans um Episode 8 ist es eine gute Zeit, Star-Wars-Fan zu sein. Ja, Disney setzt dem Ganzen eine unschöne kapitalistische Maske auf, doch hochwertige Produktionen schießen geradezu aus dem Boden. Die neunte Episode schließt in einem Monat schon die zweite Trilogie in den vergangenen zwanzig Jahren ab und derzeit läuft in Amerika mit The Mandalorian eine Serie mit echten Schauspielern und großem Budget. Auch hierzulande gibt es aber Zugriff auf Animationsserien wie Clone Wars, Rebels oder Resistance, Comics und Bücher. Die ganze Medienlandschaft ist von Star-Wars-Adaptionen besetzt. Die ganze Medienlandschaft? Nein! Eine von unbeugsamen Managern bevölkerte Branche hört nicht auf, der Marke Widerstand zu leisten - die Videospielindustrie.

Disney hat 2013 dem berüchtigten Publisher Electronic Arts (EA) die Rechte für Videospiele in einer weit, weit entfernten Galaxis übergeben. Ein millionenschwerer Riese mit vielfältigen Studios sollte doch zahlreiche - mindestens mittelmäßige - Titel hervorbringen. So sollte man jedenfalls denken. Es ist sehr merkwürdig, aber die EA-Ära von Star-Wars-Videospielen war weitgehend ein Misserfolg - zumindest kritisch. Finanziell dürfte die Bilanz für einen Medien-Titan wie Disney auch ernüchternd sein. Nur zwei Spiele der Battlefront-Reihe sind in den vergangenen sechs Jahren erscheinen. Ein einziges davon mit Geschichte, beide mit Marketing-begleitenden Shitstorms. Doch jetzt leuchtet ein strahlendes Lichtschwert am Horizont, eine neue Hoffnung für die Videospiele. Mit Star Wars Jedi: Fallen Order erscheint gleichzeitig der erste reine Einzelspieler-Titel von EA und das erste Star-Wars-Projekt von Respawn Entertainment (bekannt für Titanfall).

Die Walküren-Seite der Macht

Jedi Fallen Order dreht sich um Cal Kestis, einen Padawan aus der Anfangszeit des Imperiums, unmittelbar nach der Order 66 aus Die Rache der Sith. Der junge Jedi hat den Staatsstreich von Palpatine überlebt und versteckt sich als Schrottsammler auf einer gigantischen Werft. Dort arbeitet er unter Aufsicht des Imperiums inkognito daran, alte Sternzerstörer aus den Klonkriegen zu verschrotten. In seinen neuen Beruf hat Cal inzwischen einen Großteil seiner Ausbildung in der Macht verlernt. Stattdessen macht der junge Mann primär von seinen akrobatischen Fähigkeiten gebrauch, die auch einen Großteil der Spielzeit einnehmen. Er klettert an Abgründen zwischen den Schiffen entlang und springt von Plattform zu Plattform.

Jedi Fallen Order Dathomir

Aber die Idylle hält natürlich nicht lange an und Cal ist gezwungen, sich selbst zu enttarnen. Nachdem er die Macht benutzt, um einen Kollegen vor einem Sarlacc-ähnlichen Wesen zu retten, taucht die Inquisition auf. Diese gefallenen Jedi und Mitstreiter der dunklen Seite durchsuchen im Auftrag von Darth Vader die Galaxie nach den letzten verbliebenen Jedi. Bekannt dürften sie einigen Fans aus den animierten Serien sein, wo sie ihr Können in der geheimen Hubschrauber-Technik demonstrieren. Keine Sorge - dieser groteske Akt wird im Spiel nicht wiederholt. Nach einer actionreichen Flucht wird Cal jedoch von einer mysteriösen Raumjacht aufgesammelt, mit der er das Universum erkunden kann. Dabei sind auch bekannte Planeten wie Kashyyyk, die Heimat der Wookies - das Original mit drei “Y”- und Dathomir, der berüchtigte Ursprung der dunklen Nachtschwestern.

Neben einigen Kameraden wie Saw Gerrera aus Rogue One: A Star Wars Story, den Disney wohl allein für den Wiedererkennungswert im Spiel haben wollte, findet der junge Jedi in der antiken Zivilisation der Zeffo auch eine Hoffnung um den Jedi-Orden wiederherzustellen. Dank dem bekannten Vorfall um Kylo Ren weiß der Spieler nur leider, wie egal das Ende für den Kanon sein könnte. Und die Geschichte ist eigentlich auch nur eine Entschuldigung, um Cal von einer spektakulären Kulisse zur nächsten zu schicken. Es gibt einige nette Hintergrundinformationen zum Universum, aushaltbare Charaktere wie einen neuen Droiden (Merchandise!) und schicke Zwischensequenzen. Aber bei Jedi Fallen Order gilt doch das Motto: Für Star Wars kommen und für ein gutes Videospiel bleiben. Denn wer spektakuläre Kämpfe und - wortwörtliche - Machtdemonstrationen wie in Force Unleashed erwartet, wird sehr wahrscheinlich enttäuscht.

Padawan Lara Croft - den Zopf bringt sie gleich mit

Das Spiel legt einen eindeutigen Fokus auf Erkundung - wie eine ausgewogene Mischung von Tomb Raider, Uncharted, Prince of Persia und Metroid. Im Laufe der Reise geht es immer wieder an alte Orte zurück, weil neue Machtfertigkeiten und Gerätschaften weitere Pfade öffnen oder passierbar machen. Das Ergebnis ist, wie zu erwarten, auch eine Spielwelt, die keine “natürliche” Architektur hat. Wege sind dafür gemacht, per Rennen an den Wänden und Schwingen an Lianen bereist zu werden. Die Erfahrung ist so unerwartet in einem neuen Star-Wars-Spiel wie befriedigend. Sonderlich schwer sind Rätsel und Kletterpassagen nicht, jedoch kommt die Genugtuung vor allem durch den Spürsinn beim eigenen Entdecken der Welt auf.

Jedi Fallen Order Wallrun

Ja, es gibt auch ein Kampfsystem und ja, mehrere Lichtschwertvarianten dürfen sich durch Sturmtruppen, Inquisitoren und exotische Fauna brennen. Auch einige bekannte Tricks mit der Macht kommen zum Einsatz, an denen der Protagonist im Laufe seiner Reise feilt. Das funktioniert insgesamt ähnlich wie in Sekiro: Shadows Die Twice. Kämpfe sind nah und persönlich, Attacken muss ausgewichen oder mit einem gekonnten Parieren entgegengetreten werden. Das funktioniert gut, wenn auch etwas weniger präzise als bei der Konkurrenz. Zum Ende entsteht mit mehreren Fähigkeiten sogar ein gewisses Machtgefühl, wenn sämtliche Sturmtruppen-Varianten keine echte Gefahr mehr sind.

Eine gewisse Kritik muss sich das Spiel aber gefallen lassen: Dank Disney-Vorschriften dürfen keine Gliedmaßen abgetrennt oder Körper zerteilt werden. Kreaturen und Roboter können durchaus mit grazilen Manövern zerkleinert werden, nur bei humanoiden Gegnern wirkt es oft albern, wenn sie einfach leblos umfallen, obwohl das Lichtschwert gerade durch ihre Hüfte gerast ist.

Fazit

Der erste Einzelspieler-Titel seit Jahren ist nicht nur ein gutes Star-Wars-Spiel, sondern vor allem ein gutes Abenteuer. Die Inspirationen sind deutlich zu sehen, aber Jedi Fallen Order fügt die Teile zu einem stimmigen Gesamtkonzept zusammen. Alleine die Erwartungshaltung an ein Spiel mit dem Wort “Jedi” schon im Namen, kann den Eindruck natürlich negativ beeinflussen. Die Priorität liegt beim Gameplay eindeutig auf dem Klettern und Erkunden. Wer ein Hack & Slay haben möchte, das den Lichtschwertkampf wirklich verinnerlicht hat, sollte lieber Spiele wie Metal Gear Rising: Revengeance oder ältere Star-Wars-Titel anwerfen. Doch die Erfahrung, mehr Lara Croft als Jedi zu sein, ist es wert, sich darauf einzulassen.

Star Wars: Jedi Fallen Order ist für Xbox One, Playstation 4 und den PC erhältlich.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© EA

Star Wars Jedi: Fallen Order – Launch Trailer

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