Schnurrli, was ficht dich an?! - Kritik zu Cats

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Achtung, Achtung, das ist keine Übung! Verlassen Sie bitte sofort den Kinosaal! Oder besser noch: Gehen Sie gar nicht erst rein! Aber wir wissen ja, wie Menschen ticken: Rät man ihnen, etwas nicht zu tun, werden sie erst recht neugierig. Ich funktioniere auch so. Deshalb, und nur deshalb, gibt es diesen Text.
Um es gleich vorweg deutlich zu machen: Der neue Cats-Kinofilm ist exakt genauso, wie der Trailer es schon hat ahnen lassen, nur noch länger und schlimmer. Er sollte, wenn möglich, unter keinen Umständen, also wirklich gar nicht, angesehen werden. Nein, auch nicht ironisch oder mit viel Schnaps. Aber ihr wollt ja wieder alle nicht hören.

Katzenmenschen unter sich

Zum Ausklang des Filmjahres 2019 dürfte eine der meistgestellten Fragen sein: Was genau hat Andrew Lloyd Webber eigentlich wirklich dazu bewogen, ein Stück über tanzende und singende Katzen zu schreiben? Nicht nur wurden seit Anfang der 80er- Jahre Generationen von Tänzern und Sängern mit hautengen Fellkostümen und großzügigem Katzen-Make-Up über Bühnen gescheucht, auch wurden Schulklassen von übermotivierten Musiklehrern mit schmerzvollen Arien wie dem berüchtigten Gassenhauer “Memories” gequält. Aber sei es, wie es sei: Das Stück hat längst Weltruhm erlangt. Dass eine Kino-Adaption nicht ausbleibt, war daher also eigentlich zu befürchten.

Bevor wir uns auf die zahlreichen rant-würdigen Details stürzen, sollten wir kurz klären, worum es überhaupt geht: Eine Bande Katzen will wie jedes Jahr in einer magischen Nacht den sogenannten Jellicle Ball ausrichten. Als Höhepunkt soll eine Katze gewählt werden, die in einer höheren Sphäre wiedergeboren werden darf. Die älteste Katze, Old Deuteronomy (Judi Dench) hat die Qual der Wahl. Bevor sie sich jedoch entscheiden kann, tritt der Katzen-Fiesling Macavity (Idris Elba) in Erscheinung und entführt die Seniorenkatze. Schließlich schafft es der mit magischen Kräften ausgestattete Jungkater Mr. Mistofelees, Old Deuteronomy wieder in die Mitte der Katzen zu zaubern und die Wahl kann stattfinden. Nun gut.

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Film sucht Publikum

Als Filmkritiker hat man ein strukturelles Problem: Musicals zeichnen sich nicht gerade durch eine stringente Handlung aus. Ständig wird die Geschichte unterbrochen, um jedem Mitglied des Ensembles seine Musiknummer zu gönnen. Immerhin das kann Cats vorweisen: Es gibt absolut keine Rahmenhandlung, das heißt, dass wirklich in jeder Minute unaufhörlich gesungen statt geschauspielert wird. Für mich, die ich vorher nicht besonders mit der Handlung des Musicals vertraut war, hieß das immerhin: Die Laufzeit wird nicht unnötig in die Länge gestreckt. Halleluja!

Für wen die Filmadaption nun genau gemacht sein soll, bleibt fraglich. Musicalfans sind vielleicht mit dem Musical besser bedient. Alle anderen sollten es sich gut überlegen, ob sie die zwei Stunden Lebenszeit investieren. Denn der Film hat absolut nichts Neues zum Machwerk von Lloyd Webber beizutragen.

Tobias Kitty

In den vergangenen Jahren gab es schon so einige Musicals, die es auf die Leinwand geschafft haben, man denke nur an Hugh Jackman in The Greatest Showman, der es in der Bildsprache und den Sets durchaus mit Oscar-Kandidaten wie La La Land aufnehmen kann, oder Sweeney Todd, einem verspielten Stück über einen blutrünstigen Barbier, bei dem sogar hartgesottene Slasher-Fans auf ihre Kosten kamen.

Die Macher von Cats allerdings scheinen all diese Entwicklungen verpasst zu haben. Die Kameraarbeit macht absolut nichts daraus, dass man mit knackigen Schnitten oder Details spielen könnte. Wie einfach wäre es gewesen, liebenswerte kleine Szenen in die Handlung einzustreuen, in denen die Katzen ihre Eigenheiten darstellen, die sie so kräftig besingen. Dann müsste man zwar noch immer Lloyd Webbers Arien hören, hätte aber wenigstens etwas zu gucken.

Stattdessen erstarrt das Machwerk von Tom Hooper, der sich bereits mit Les Miserables (unvergessen bleibt hier Russel Crowes äußerst fragwürdige Sangesleistung) nicht mit Ruhm bekleckert hat, aber immerhin so respektable Filme wie The Danish Girl oder The King’s Speech hervorgebracht hat, in seiner gewohnten Bahn. Der Zuschauer bekommt lediglich ein paar in die Länge gezogene Kamerafahrten über eine schlecht inszenierte CGI-Müllkippe geboten, in der man dabei zusehen muss, wie sich ein in Fellkostümen gehüllter Cast kriechend und krabbelnd fortbewegt und sich die felligen Pfoten leckt. Und das sieht genau so aus, wie ihr es euch vorstellt.

Joh Miezi

Alptraummaterial mit Furry-Fetisch

Wer auch immer beim König der Löwen Angst hatte, das “uncanny valley” durch allzu menschliche Züge der Figuren ungewollt ausloten zu müssen: Hier wird es definitiv überschritten. Die alptraumhaften Katzen-Mensch-Hybriden lassen sich mit dem Budget eines Musicaltheaters in einer Kleinstadt sicher nicht verhindern, aber wieso, in Gottes Namen, hat man sich bei einem Millionen-Dollar-Projekt dafür entschieden, die Gesichter von James Corden oder Taylor Swift mit Fell vollzukleistern?

Man wäre auch gern Mäuschen (nein, damit meine ich nicht die merkwürdig humanoide Version mit Menschengesichtern, die es auch kurz zu sehen gibt) gewesen, als viele der durchaus respektablen Schauspieler sich entschieden haben, bei diesem Projekt mitzuwirken. Weil ihnen normale Menschenkleidung zu langweilig war? Soll hier eine neue Fetisch-Gruppe erschlossen werden? Oder wurde ihnen weisgemacht, sie trügen einen Anzug mit Motion Capture-Design, der später alles wie beim König der Löwen in atemberaubend schöne CGI mit Tierdoku-Flair verwandelt? Spoiler: Das hat leider absolut nicht geklappt.

Katrin Katze

Sexy Cats, auf die niemand gewartet hat

Nochmal zum mitschreiben: Katzen haben keine Brüste, mit denen sie wackeln und tanzen. Katzen haben keine Hintern, die sie willig in die Kamera strecken. Katzen lecken sich durchaus mal an für Menschen unerreichbaren Stellen, aber der Film bekommt eine unangenehm sexualisierte Note, sobald sich beispielsweise (die leider auch recht schwachbrüstig intonierte) Rebel Wilson mit gespreizten Beinen drapiert - leider mal wieder mit dem berüchtigten Dicke-Frauen-Slapstick, nur diesmal eben in Katzenform.

Nun gut, denkt sich mancher, immerhin kann man mit Judi Dench, Idris Elba und Ian McKellen nicht viel falsch machen, richtig? Falsch gedacht. Denn die durchaus respektablen Schauspieler können hier nicht glänzen. Hier wird kaum gespielt, hier wird sich nur merkwürdig gerieben und geräkelt.
Man bekommt mit fortschreitender Laufzeit das Gefühl, sämtliche Mitwirkende hätten eine Wette verloren und müssten die Nummer nun durchziehen. Und vielleicht ist da tatsächlich etwas dran.

Das Ding mit den Schnurrhaaren

Wer, wie ich, irgendwann nach dem ersten Schock der Handlung von Cats überwunden hat, kann sich darauf konzentrieren, die Anschlussfehler bei den Computereffekten zu suchen. Und hier gibt es einige: Fell und Haaransatz kommen und gehen, oft genug werden Schnurrhaare erst in der Mitte des Films in die Gesichter gepappt, als hätte man sie vorher vergessen. Meine Theorie ist eher, dass man zumindest kurz erkennen soll, wer genau in dem Kostüm steckt.

In meinen Notizen zu Cats befindet sich, öfter als jemals irgendwo anders, das Wort “Warum?", und zwar doppelt unterstrichen und in Großbuchstaben. Selbst nach einigen Tagen Nachwirkzeit ist es mir nicht gelungen, diese Frage auch nur ansatzweise zu beantworten. Vielleicht bleibt dieses Rätsel der menschlichen Kulturgeschichte auch einfach für immer ungelöst.

Kasimir

Fazit

Hört auf uns. Bleibt zuhause. Streichelt eure Katze und entschuldigt euch sehr, sehr oft bei ihr. Wer jetzt noch immer dieses Machwerk menschlicher Irrungen auf der großen Leinwand sehen möchte: Sagt nicht, wir hätten euch nicht gewarnt.

(c) Zusätzliches Bildmaterial: Dieser Text wurde erstellt mit Unterstützung der Redaktionskatzen von Robots & Dragons.

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