Kritik zu Cruella - "Ist das noch Punkrock?"

London in den 1970er Jahren: Inmitten der Punkrock-Revolution versucht sich die clevere Trickbetrügerin Estella (Emma Stone) mit ihren kreativen Looks einen Namen zu machen. Gemeinsam mit zwei jungen Dieben streift sie durch Londons Straßen, bis sie eines Tages das Interesse der Baroness von Hellman (Emma Thompson) auf sich lenkt. Eine Modelegende – umwerfend schick und an Eleganz kaum zu übertreffen. Doch die Begegnung der beiden ungleichen Frauen setzt eine Reihe von Ereignissen und Enthüllungen in Gang, die dazu führen, dass Estella ihre dunkle Seite nach Außen kehrt und sie zur gefürchteten und rachsüchtigen Cruella de Vil werden lassen, der im Konkurrenzkampf um das perfekte Design alle Mittel recht sind.

Cruella soll die Ursprünge der Superschurkin, die vor allem durch den Animationsfilm 101 Dalmatiner bekannt geworden ist, beleuchten. Das Setting des Films ließ im Vorfeld auf einiges hoffen, manche erwarteten sogar auf eine ähnlich beeindruckende Geschichte wie sie zuletzt Joker abgeliefert hat. Was aber definitiv noch in die Waagschale zu werfen ist: Bei Cruella handelt es sich um eine Disneyproduktion. Und die sorgt dafür, dass der Film, der Punk und Anarchie sein möchte, sich im Endeffekt in das Korsett des Konzerns fügen muss.

"Ist das noch Punkrock? Ich glaube nicht."

Die Geschichte ist vorhersehbar, und die Wendungen kündigen sich nicht gerade subtil an, sodass die Enthüllungen, die Cruella offenbaren möchte, wenig überraschen. Es dürfte dem Drehbuch nicht zuträglich gewesen sein, dass mit Tony McNamara, Aline Brosh McKenna, Kelly Marcel, Jez Butterworth, Dana Fox, Steve Zissis gleich sechs Drehbuchautoren gelistet sind. Zugegeben, die Gründe, warum eine Person sich zu einer Dalmatiner hassenden Schurkin entwickelt, dürften weniger spannend herauszufinden sein, als die dunklen Abgründe andere Bösewichte. Was die Geschichte dann aber in den ersten Minuten als erste Begründung liefert, präsentiert sich plump und so absurd, dass ab diesem Zeitpunkt bereits klar ist: Mit einer logisch und geschickt erzählten Geschichte ist nicht mehr zu rechnen.

Aber vielleicht können die Darsteller Cruella noch retten? Diese Frage lässt sich leider ebenfalls nicht mit einem klaren Ja beantworten. Emma Stone versucht es zwar, aber ihre Cruella mag einfach nicht durchgehend funktionieren. Da ist zu viel “zu” im Spiel. Zu verkrampft. Zu gewollt. Zu unlogisch. Ja, in den vorherigen Verfilmungen war Cruella de Vil eine schrille Figur. Aber Stone wirkt hier wie ein kleines Mädchen, das auf böse Frau machen möchte und feststellt, dass einiges schlichtweg fehlt. Die besten Momente sind die, in denen Stone nicht als Cruella zu sehen ist, sondern als Estella.

Emma Thompson liefert eine solide Leistung ab, dennoch drängt sich bei ihrer Figur der Baroness unwillkürlich der Vergleich zu Miranda Priestly in Der Teufel trägt Prada auf - und diesen direkten Vergleich zu Meryl Streep verliert Emma Thompson an dieser Stelle leider. Da wäre mehr drin gewesen als eine routinierte Arbeit. Schade.

Wirklich positiv fällt lediglich Mark Strong auf, der in der Nebenrolle des Boris zu sehen ist, einem Bediensteten der Baroness. Strong punktet mit subtiler Mimik und Gesten, die mehr aussagen als manch Dialog.

"It's always tease tease tease."

Nicht sehr originell ist zudem der Soundtrack. Es tauchen die Lieder genau erwartbaren Zeitpunkten auf, die schon in zig anderen Filmen ihren Einsatz fanden. Sei es "These boots are made for walking” von Nancy Sinatra oder “Come together”, bei dem es nicht einmal zu der Originalversion von The Beatles gereicht hat, hierfür musste die Coverversion von Ike & Tina Turner ran. “Sympathy for the Devil” von den Rolling Stones ist mittlerweile so oft für Schurkenmomente herangezogen worden, dass man sich wünscht, Mick Jagger und Keith Richards würden langsam mal ein Veto einlegen. Für zahme Punktöne sorgen The Clash mit dem unvermeidlichen “Should I stay or should I go”. Damit also ein Soundtrack, wie man ihn in verschiedener Konstellation oft genug in anderen Produktionen gehört hat.

Einziger wirklicher Pluspunkt bei Cruella sind die Kostüme, die am besten die Stimmung der 1970er-Jahre in London einfangen und waghalsige Kreationen der Modedesigner präsentieren. Hier hat die Verfilmung alles richtig gemacht, das Auge bekommt einiges geboten.

Am Ende steht Cruella dann aber immerhin als fertige Superschurkin da. Der Weg dorthin war steinig, unlogisch und nicht immer nachvollziehbar. Das I-Tüpfelchen ist abschließend die Midcreditscene, die eine Verbindung zu 101 Dalmatiner schafft. Plump. Und wie der komplette Film vorhersehbar und unlogisch.

Fazit

Cruella hätte mit seinem Setting die besten Voraussetzungen für eine schrille Origin-Geschichte geboten, lässt sich aber zu sehr in das familienfreundliche Korsett einer Disneyproduktion zwängen. Eine Extragebühr bei Disney+ oder den Kinoeintritt kann man sich getrost sparen und sich den Film dann gönnen, wenn er ab August ohne Zusatzkosten bei Disney+ verfügbar ist.

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