Wer oder was bist du? - Kritik zu Reminiscence: Die Erinnerung stirbt nie

Reminiscence Hugh Jackman Rebecca Ferguson.jpeg

Nick Bannister (Hugh Jackman) lebt an der durch den steigenden Meeresspiegel überfluteten Küste von Miami. Das Spezialgebiet des Privatdetektivs ist der menschliche Verstand: Seinen Auftraggebern hilft er dabei, in die dunkelsten Winkel ihres eigenen Geistes vorzudringen und dort Zugang zu verschütteten Erinnerungen zu finden. Bannisters Leben verändert sich radikal, als mit Mae (Rebecca Ferguson) eine neue Klientin auftaucht. Aus einem einfachen Auftrag entwickelt sich eine gefährliche Besessenheit. Während er versucht, die Wahrheit über Maes Verschwinden herauszufinden, deckt Bannister eine brutale Verschwörung auf. Am Ende muss er sich die Frage stellen: Wie weit kann man gehen, um die Menschen, die man liebt, zu halten?

Mit Reminiscence: Die Erinnerung stirbt nie wagt Autorin, Regisseurin und Produzentin Lisa Joy, bekannt als Mitschöpferin der HBO-Serie Westworld, ihr Spielfilm-Regiedebüt. Die Prämisse sowie der namhafte Cast bestehend aus Hugh Jackman (X-Men-Franchise, Greatest Showman), Rebecca Ferguson (Mission-Impossible-Franchise) sowie Thandiwe Newton (Westworld, Solo: A Star Wars Story) haben Hoffnungen auf ein gelungenes Debüt gemacht. Leider sorgt die Umsetzung des Stoffs schnell für Ernüchterung.

Einen Schuss Memento und eine große Prise Inception

Lisa Joy ist mit dem Drehbuchautoren Jonathan Nolan verheiratet und somit die Schwägerin von Christopher Nolan. Allzu oft drängen sich im Verlauf des Films Parallelen zu den Werken von Ehemann und Schwager auf, denen Joy mit ihrem Debüt jedoch nicht standhalten kann. Zu deutlich sind die Inspirationen von Memento im Hinblick auf die Erzählstruktur sowie zu Inception. Damit hat Joy sich die Messlatte zu hoch gelegt.

Immerhin beginnt der Film mit einer gelungenen Kamerafahrt über eine halb versunkene Stadt vielversprechend. Es ist Miami, wie sich schnell herausstellt. Warum aber die Stadt in diesem Zustand ist … nun, darüber lässt Joy ihr Publikum den gesamten Film über komplett im Dunkeln. Ebenso wenig gibt es auch nur den Hauch einer Erklärung für einen häufig erwähnten Krieg, in dem Nick Bannister und seine Gehilfin Watts gedient haben. Stattdessen biegt Joy mit der Handlung, sobald es ansatzweise um die Hintergründe geht, von einem Sci-Fi-Thriller in Richtung Liebesgeschichte ab und sorgt damit für einigen Frust.

"Jessica! Wie sehr ich dich liebe! Lass mich der Liebe Vielzahl aufzählen!"

Denn damit bleiben die Figuren erschreckend blass. Gerade die Motivation der Hauptfigur Nick ist aufgrund des steten Wechsels zwischen Thriller und Romanze nicht nachvollziehbar. Wie kann sich ein Mann, der so reserviert und professionell agiert wie Nick, binnen weniger Augenblicke so in Mae verlieben, dass er anschließend jede Ratio über Bord wirft? Man verzeihe den Vergleich, aber da wirkt Roger Rabbits Liebe zu seiner Frau Jessica um einiges glaubwürdiger. Woher der Vergleich übrigens kommt? Nun, sollte man sich jemals zu einem Reboot für Falsches Spiel mit Roger Rabbit entscheiden, hat Rebecca Ferguson sich als fleischgewordene Jessica Rabbit mit ihrem roten Kleid und dem Gesang eindeutig für die Rolle empfohlen …

Wie konstruiert Joys Drehbuch ist, wird im weiteren Verlauf der Handlung schnell deutlich. Selbst, wenn jemand die Geschichte nicht allzu sehr hinterfragen möchte, drängen sich doch rasch einige Fragen auf. Eine Frau wie Mae nimmt die Dienste Nicks in Anspruch, weil sie ihren Schlüssel verloren hat? Ernsthaft? Dafür geht sie zu einem so cleveren Privatdetektiv, der über so einen simplen Auftrag nicht stolpert? Die weiteren Andeutungen, wer Mae ist und die auf ihr Verschwinden deuten, sind außerdem nicht wirklich subtil, sondern blinken eher wie Neonschilder auf. Es scheint, als hätte Joy befürchtet, dass ihr Publikum der Geschichte sonst nicht folgen könnte. Durch ihre Erzählweise sorgt sie jedoch dafür, dass die Auflösung wenig überraschen kann, dazu ist Reminiscence: Die Erinnerung stirbt nie nicht intelligent genug erzählt.

Handlung nja, Kulisse jaaaaa!

Auch der Cast kann den Film leider nicht retten. Hugh Jackman, Rebecca Ferguson und Thandiwe Newton liefern eine routinierte Leistung ab, ohne sich jedoch allzu sehr ins Zeug zu legen. Dass die Chemie zwischen Jackman und Ferguson leidlich stimmt, hat das Publikum schon in Greatest Showman sehen können, somit war die Besetzung der Darsteller für die beiden Hauptrollen ein überschaubares Risiko.

Womit Reminiscence: Die Erinnerung stirbt nie aber überzeugen kann, ist die Optik. Die bereits erwähnte Kamerafahrt zu Beginn gibt die Marschroute für die nächsten knapp zwei Stunden vor. Das stark überflutete Miami wirkt wie ein postapokalyptisches Venedig und gibt sich zum Großteil düster und trostlos. Im Kontrast dazu stehen die Momente, welche die Romanze in den Vordergrund stellen. Hier dürfen helle, warme Farben ran. Innovativ sind die Bahnfahrten, die sich durchweg sehen lassen können sowie eine Szene in einem gefluteten Konzertsaal, die sich als heimliches Highlight des Films entpuppt. Wenn schon die Handlung nicht wirklich überzeugen kann, dann immerhin die Kulisse - somit ist bei Reminiscence: Die Erinnerung stirbt nie nicht alles verloren.

Fazit

Reminiscence: Die Erinnerung stirbt nie hätte das Potential für spannende Kinostunden gehabt - wäre der Film nicht unentschlossen gewesen, ob er ein Sci-Fi-Thriller oder eine Romanze sein möchte. So sorgt der stete Wechsel zwischen den Genres für blasse Figuren, die ihr Publikum nicht mitreißen können. “Die Erinnerung stirbt nie” ist der deutsche Untertitel zum Filmtitel - dennoch wird diese Geschichte den wenigsten in Erinnerung bleiben.

REMINISCENCE: DIE ERINNERUNG STIRBT NIE - Trailer #1 Deutsch German (2021)

Regeln für Kommentare:

1. Seid nett zueinander.
2. Bleibt beim Thema.
3. Herabwürdigende, verletzende oder respektlose Kommentare werden gelöscht.

SPOILER immer mit Spoilertag: <spoiler>Vader ist Lukes Vater</spoiler>

Beiträge von Spammern und Stänkerern werden gelöscht.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren.
Ein Konto zu erstellen ist einfach und unkompliziert. Hier geht's zur Anmeldung.