Captain America: Civil War Kritik Reloaded - noch einmal mit Spoilern

SPOILER

Seit ein paar Tagen ist The First Avenger: Civil War aka Captain America: Civil War nun schon in den deutschen Kinos zu sehen. Der generelle Tenor und auch die ersten Zahlen sprechen dabei deutlich für den Film. Grund genug für uns noch einmal einen zweiten Blick auf Marvels Comicabenteuer zu werfen. An dieser Stelle weisen wir aber erst einmal deutlich auf mögliche Spoiler hin. Es wird keine Zurückhaltung in der Kritik geben. Wer den Film noch nicht gesehen hat, sollte lieber einen Blick auf die spoilerfreie Kritik werfen.

Da es sich hier um die zweite Kritik handelt, verzichten wir am Anfang auf die inhaltliche Zusammenfassung und steigen direkt ein. Los geht es ähnlich wie im Film mit der Betrachtung der Actionszenen. In vielen Kritiken wird ja vor allem das Aufeinandertreffen der beiden Avengers-Teams gelobt, das auch ohne Zweifel das Highlight des Films ist. Allerdings tut man den anderen Actionszenen damit fast schon ein bisschen Unrecht. Diese sind ebenfalls alle auf einem mehr als richtig gutem Niveau, wobei es den beiden Regisseuren Anthony und Joe Russo gelingt, nahtlos an ihre Arbeit in The Return of the First Avenger aka Winter Soldier anzuknüpfen. Vor allem die beiden ersten Szenen in Lagos und Bukarest haben hier auch wieder diese spürbare Härte, die schon im Vorgängerfilm so prägend war. Bemerkenswert ist dies gerade auch, weil die Russos eigentlich nicht aus der Actionschiene kommen. Die beiden waren vor Winter Soldier eher für Filme und Serien wie Community, Ich, Du und der Andere, Arrested Development oder Happy Endings bekannt. Nichts davon schreit Actionfilm. Und doch könnte man meinen, die beiden hätten nie etwas anderes gemacht.

Richtig motiviert in den Kampf

Captain America: Civil War am Ende nur auf seine Action herunterzubrechen ist aber ebenfalls zu kurz gedacht. Die Geschichte wird durch ein richtig gutes Drehbuch zusammengehalten. Dabei schaffen es die Drehbuchautoren Christopher Markus und Stephen McFeely nicht nur eine runde Geschichte zu erzählen. Die große Stärke des Films sind die zu jeder Zeit nachvollziehbaren Motivationen. Der Zuschauer weiß bei fast allen wichtigen Charakteren immer, warum sie bestimmte Entscheidungen treffen und kann diese auch meist nachvollziehen. Dies bezieht sich nicht nur allein auf den Streit der Avengers, der oft hervorgehoben wird, da hier die Motivation die größte Rolle spielt. Abgesehen von War Machine und Falcon, die sich für ihre Seite primär deshalb entscheiden, weil sie der jeweilige Sidekick des Anführers sind, handeln alle Avengers nachvollziehbar. Ein gutes Beispiel ist Black Widow, der man anmerkt, dass sie in den Avengers eine Art Ersatzfamilie gefunden hat und es ihr vor allem darum geht, das Team zusammenzuhalten. Als sie dann aber merkt, dass dieses Schiff abgefahren ist, wechselt sie dann doch die Seiten und tut das, was richtig und nicht das, was bequem ist.

Wie schon erwähnt sind die Motivationen aber nicht nur bei dem Avengers-Konflikt spannend herausgearbeitet. Auch der Endkonflikt zwischen Captain America und Iron Man macht es dem Zuschauer nicht einfach. Klar kann man Bucky nicht persönlich für den Tod von Tony Starks Eltern verantwortlich machen, schließlich stand er unter dem Einfluss von Hydra. Auf der anderen Seite musste Tony gerade erfahren und sogar mit ansehen, wer seine Eltern auf dem Gewissen hat. Allein der Satz: „I don't care, he killed my Mom“ bringt die Gefühle in dieser Szene perfekt zum Ausdruck. Tony mag vielleicht nicht unbedingt recht haben, trotzdem agiert er nachvollziehbar. Der folgende Konflikt ist letztendlich unausweichbar.

Hauptsache komplex

Ermöglicht wird dieser intensive finale Kampf durch den Plan Zemos, des neuen Schurken des Films. Hier hat das Drehbuch von Civil War allerdings auch eine seiner größten Schwächen. Das Endergebnis, beziehungsweise das, was aus Zemos Plan resultiert, ist eine starke Wendung und absolut passend für den Film. Wie wir dort allerdings hinkommen, basiert auf so vielen Zufällen und Annahmen Zemos, dass es nur bedingt glaubwürdig ist. Allein die Tatsache, dass der Plan zwischenzeitlich auf der rechtzeitigen Auslieferung eines Paketes per Lieferdienst basiert, darf man schon sehr mutig nennen. Den Hang zu überkomplizierten Plänen inklusive notwendiger Zufälle finden sich allerdings immer wieder bei Hollywood-Schurken. Vor allem wenn der Zuschauer glauben soll, dass hier ein besonders verschlagener Gegner am Werk ist, wird es meist übertrieben komplex aber auch oft unglaubwürdig. Ähnliche schlechte Beispiele sind hier auch The Dark Knight Rises, Iron Man 3, Batman v Superman und die letzten beiden James Bond.

Abgesehen von Zemo gibt es auch noch ein paar andere Kleinigkeiten im Drehbuch, die im Film nicht unbedingt stören, aber trotzdem merkwürdig sind. Ein gutes Beispiel ist der erste Auftritt von Bucky, bei dessen Festnahme plötzlich deutsche Polizeieinheiten in Bukarest aktiv sind. Abgesehen von dem Punkt, warum ausgerechnet die deutsche Polizei in der rumänischen Hauptstadt eingreifen muss, stellt man sich auch die Frage, wieso die Handlung unbedingt noch den Sprung nach Bukarest machen musste. Letztendlich hätte man den Teil auch einfach bequem in Berlin spielen lassen, schließlich geht es handlungstechnisch im Anschluss ohnehin nach Deutschland. Ein etwas älteres Haus mit einem langen Treppenaufgang und einen Autobahntunnel dürfte sich sicherlich auch in Berlin finden lassen. Und mit einem Problem von mangelnden Schauplätzen lässt es sich auch nicht erklären, schießlich springt die Handlung auch ohne Bukarest in der ganzen Welt umher.

Nicht konsequent genug

So wirklich ins Gewicht fällt Bukarest wie gesagt nicht, dafür kann man dem Film aber zumindest noch eine größere Sache vorwerfen. Trotz deutlich düsterer Handlung und dem Konflikt zwischen den Avengers fehlen am Ende so etwas richtige Konsequenzen. So wirklich aufgelöst wird das Problem nicht. Letztendlich gehen Iron Man und Captain America jeweils ihre Wege und das dürfte es bis Avengers: Infinity War gewesen sein. So stark die Handlung des Comics oft auch kritisiert wurde, gibt es in dieser am Ende zumindest einen konsequenten Abschluss. Der Film endet dagegen einfach und lässt vieles offen. Opfer müssen beide Seiten ebenfalls nicht beklagen. Hier zeigt sich bei Marvel wieder ein altes Problem. So möchten die Verantwortlichen anscheinend keinen wichtigen Charakter über die Klinge springen lassen, bis man zumindest Infinity War erreicht hat. Dies ist vor allem unverständlich, wenn man bedenkt, dass Joss Whedon in Age of Ultron so nebenbei Quicksilver um die Ecke bringt. In Civil War wäre der Tod eines Helden viel tragischer gewesen und hätte sich vermutlich erheblich stärker auf die Geschichte ausgewirkt. Stattdessen bekommen die Zuschauer die Verletzung von War Maschine (die einzige Sache, die man vielleicht nicht hätte im Trailer spoilern müssen), die zudem auf Friendly Fire zurückgeht. Trotz mehr Ernsthaftigkeit können die Verantwortlichen bei Marvel Studios aus ihrem Korsett nicht ganz ausbrechen.

Fazit

Ich habe Civil War mittlerweile zwei Mal gesehen und für mich gehört Marvels neustes Kinoabenteuer nach wie vor zu den besten Comicverfilmungen überhaupt. Der Film macht so viel richtig, dass man ihm auch problemlos ein paar Dinge verzeiht. Mit etwas mehr Mut und ein paar Anpassungen bei Zemo wäre das Ergebnis am Ende sogar perfekt geworden. Letztendlich sind die angesprochenen Kritikpunkte aber Gemecker auf ganz hohem Niveau. Captain America: Civil War beweist, dass auch nach 13 Filmen im MCU immer noch richtig viel Spaß und Unterhaltung stecken.

Spoiler sind in diesem Kommentarbereich ausdrücklich erlaubt. Aus Rücksicht gegenüber anderen Lesern wäre eine Spoilerleiter aber eine nette Geste.

Originaltitel:
Captain America: Civil War
Kinostart:
28.04.16
Laufzeit:
147 min
Regie:
Joe & Anthony Russo
Drehbuch:
Christopher Markus, Stephen McFeely
Darsteller:
Chris Evans, Robert Downey Jr., Scarlett Johansson, Sebastian Stan, Anthony Mackie, Paul Bettany, Jeremy Renner, Don Cheadle, Elizabeth Olsen, Paul Rudd
Die Marvel-Helden im Krieg gegeneinander: Der Film wird sich des aus den Comics bekannten "Civil War"-Handlungsbogens bedienen, bei dem es die Helden untereinander aufnehmen.

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