Kritik zu Victor Frankenstein: Und täglich grüßt der Horror-Klassiker

Frankenstein und sein Monster gehören ohne Zweifel zu den bekannsten Genre-Figuren in Film und Literatur. Gerade im Kino tauchen die beiden mittlerweile fast schon regelmäßig auf und so langsam könnte man auf die Idee gekommen, alle Varianten der Geschichte gesehen zu haben. Mit Victor Frankenstein versucht 20th Century Fox in diesem Jahr nun zu beweisen, dass dies eben nicht der Fall ist. Fraglich bleibt allerdings, ob ein neuer Fokus und ein paar gute Darsteller ausreichen, um den Kauf einer Kinokarten zu rechtfertigen.

Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn stellt nicht wie die meisten bisherigen Verfilmungen des Romans von Mary Shelley das Monster in den Mittelpunkt, sondern den titelgebenden Wissenschaftler und seinen Gehilfen Igor. Letzterer arbeitet zu Beginn des Films als namenloser Clown in einem Zirkus in London. Frankenstein erkennt jedoch, dass in Igor noch viel mehr steckt als nur ein verkrüppelter Spaßmacher, und rettet ihn aus den Händen des Zirkusdirektors. Die beiden schließen Freundschaft und gemeinsam forschen sie fortan an Möglichkeiten, um den Tod zu besiegen. Als Victor sich immer weiter in seine Arbeit steigert, bekommt Igor allerdings langsam Zweifel an ihren Forschungen und seinem Freund.

Die Krux der Frankenstein-Geschichte

Ganze zwei Jahre ist es her, dass Lionsgate mit I, Frankenstein die letzte große Adaption der Frankenstein-Geschichte in die Kinos brachte und damit ziemlich unter die Räder kam. Warum 20th Century Fox nur vergleichsweise kurze Zeit später glaubte, den Roman noch einmal neu verfilmen zu müssen, dürften vermutlich nur die Verantwortlichen des Studios wissen. Etwas erinnert der Film dabei an Pan, der im vergangenen Jahr für Warner Bros. ebenfalls zu einem bösen Flop wurde. Auch hier fragten sich viele im Vorfeld, ob es denn unbedingt noch einen Film zur Romanfigur braucht. Die Kinozuschauer gaben später schließlich eine eindeutige Antwort. Auch Victor Frankenstein hat exakt dieses Problem und dürfte selbst nach dem Kinostart in Deutschland kaum noch zu einem finanziellen Erfolg werden. Allerdings waren die Verantwortlichen bei Fox zumindest so klug, nicht wie bei Pan ein Budget von 150 Millionen zu bewilligen. Gerade nach dem Erfolg von Deadpool dürften der Verlust bei dem Budget von 40 Millionen für Fox verschmerzbar sein.

Grundsätzlich ist Victor Frankenstein auch nicht so schlecht, wie die bisherigen Zuschauerzahlen aus den USA und anderen Ländern schließen lassen. Mit Paul McGuigan lag das Projekt schließlich auch in durchaus kompetenten Händen. Der Regisseur hat in der Vergangenheit unter anderem vier der bisherigen zehn Sherlock-Episoden inszeniert, wozu mit Eine Studie in Pink und Ein Skandal in Belgravia für viele Fans auch die beiden besten Teile gehören. Für Victor Frankenstein versammelte der Regisseur mit Daniel Radcliffe, James McAvoy, Jessica Brown Findlay, Andrew Scott und Charles Dance zudem einen talentierten Cast um sich, wobei natürlich vor allem die beiden Hauptdarsteller Radcliffe und McAvoy zum Zug kommen. Letztendlich verhindern aber auch der Regisseur und die Darsteller nicht, dass Victor Frankenstein vor allem eine mehr als bekannte Geschichte erneut durchkaut.

Ein Twist reicht nicht aus

Schon der erste Satz in Victor Frankenstein macht deutlich, welches Problem der Film hat und nie wirklich überwinden kann. Daniel Radcliffe führt die Zuschauer zu Beginn als Erzähler in die Handlung ein und startet direkt mit dem Hinweis, dass der Zuschauer die gleich folgende Geschichte vermutlich schon kennt. Und genau das ist der Fall. Klar die deutlich bessere Ausarbeitung von Igor und der Fokus auf die Beziehung der beiden Männer mag man bisher in keiner Frankenstein-Verfilmung so gesehen haben, eine tatsächliche Daseinsberechtigung für den Film ist dies aber nicht. Letztendlich kaut die Handlung in den 110 Minuten exakt die selben Motive und Konflikte durch, die man schon in vielen anderen Frankenstein-Filmen gesehen hat. Aufgrund des Fokus auf die Beziehung zwischen Victor und Igor spielt das Monster selbst zudem nur eine sehr untergeordnete Rolle. So verkommt es am Ende lediglich zu einem Mittel, um den Plot voranzutreiben und die Geschichte am Ende zum Finale zu bringen. Von der Faszination, die Frankensteins Monster eigentlich ausmacht, ist im Film nichts mehr geblieben

Am unterhaltsamsten ist tatsächlich die Dynamik zwischen Igor und Victor geraten. Die Figur des buckligen Helfers ist ja eine Erfindung des Kinos. Da sie im Buch nicht vorkommt, kann man die Veränderungen, welche sich das Drehbuch ziemlich früh gestattet, auch bequem verzeihen. Die viktorianische Stimmung und das Londoner Settting fängt der Film ebenfalls sehr gut ein und sie helfen dabei, dass die erste Hälfte ganz unterhaltsam gerät. Gerade im zweiten Teil, wenn der Film dann aber eben doch eine Fassung der Frankenstein-Geschichte erzählt, passt aber nicht mehr so viel zusammen. Zum einen wandelt sich der Ton des Films schlagartig und wird plötzlich viel düsterer, nur um dann in der letzten Szene wieder die eher leichte Gangart des Anfangs zu übernehmen. Zum anderen wirken verschiedene Dinge in der zweiten Hälfte stark gezwungen. Ein gutes Beispiel ist dafür die obligatorische Liebesgeschichte auf. Die findet wieder einmal nur statt, weil sie eben zu einem Hollywood-Film dazugehört. Wirklich gebraucht hätte es sie nicht, dummerweise lässt sich dies aber auch über den gesamten Film sagen.

Fazit

Eigenlich ist Victor Frankenstein nur ein Film für alle, die von der klassischen Geschichte einfach nicht genug bekommen können. Ist man mit den Figuren und der Handlung vertraut, bietet die Neuverfilmung dagegen kaum etwas neues. Selbst wer noch nie etwas von Frankenstein und seinem Monster gehört hat, ist mit anderen Filmen besser beraten, da Victor Frankenstein die interessanteste Figur des Films praktisch ausspart. Am Ende bleibt ein Werk, das für einen Film-Abend mit Freunden sicherlich ok ist, den Eintrittspreis für eine Kinokarte aber nicht rechtfertigen kann.

Viktor Frankenstein - Genie und Wahnsinn Poster
Originaltitel:
Victor Frankenstein
Kinostart:
12.05.16
Laufzeit:
106 min
Regie:
Paul McGuigan
Drehbuch:
Max Landis
Darsteller:
Daniel Radcliffe, James McAvoy, Jessica Brown Findlay, Andrew Scott, Charles Dance
Der radikale Wissenschaftler Victor Frankenstein und sein ebenso brillanter Schützling Igor Strausman teilen eine noble Vision: durch ihre bahnbrechenden Forschungen wollen sie der Menschheit zur Unsterblichkeit verhelfen.

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