Die Invasion

Robert A. Heinlein

Mit im Original “The Puppet Masters” legt der Heyne Verlag einen ursprünglich schon 1951 veröffentlichten und in den neunziger Jahren verfilmten Roman Robert A. Heinleins erneut neu auf.  Nach Heinleins Tod ist ein ungekürzter Text – etwa 30.000 Worte länger – des Romans publiziert worden, welcher auch die Grundlage der vorliegenden Heyne Ausgabe zu bilden scheint.

Der deutlich bekanntere, thematisch vergleichbare, aber inhaltlich bessere, insgesamt vierfach verfilmte Roman „Invasion of the Body Snatchers“ von Jack Finney ist vier Jahre später erschienen. Eine der klassischen „Star Trek“ Geschichten „Operation Annihilate“ hat die Grundidee von Heinleins Geschichte auch aufgenommen, aber nur sehr wenig extrapoliert.   Es ist durchaus möglich, dass Finney Heinleins Buch kannte.  Der Band erschien zwischen seinen populären Jugendbüchern und ist eines der ersten Bücher Heinleins nach dem Krieg, in welchem er seine erzkonservativen, aus seiner Sicht auch patriotischen Ideen einer demokratischen, aber auch stetig wachsamen wie wehrhaften USA zu Papier brachte.

Dabei orientierte sich Heinlein genau an den Pulp Geschichten, die er immer wieder als literarisch minderwertig verachtete. Es kann kein Zufall sein, dass seine fremden Invasoren wie Blutegel erscheinen, die sich eng mit dem neuen Wirt verbinden.  Im Gegensatz zu John W. Campbells ebenfalls verfilmter Novelle „Das Ding aus einer anderen Welt“ besteht aber die Möglichkeit, diese den Willen der Menschen brechenden Parasiten zu erkennen und auch zu vernichten.  Dazu müssen sich aber die Menschen ausziehen und impliziert auch verwundbar machen. Die wenigen  „Guten“ – es handelt sich fast ausschließlich um Mitarbeiter und Angehörige von Regierungsbehörden bzw. Ordnungsdiensten – können nur die Übernommenen feststellen, in dem sie diese minutiös untersuchen. Bei Campbell war eine Blutprobe wie in John Carpenters Film von Nöten.

Der Aufbau des Romans folgt vor allem Campbells Novelle, auch wenn die Geschichte im amerikanischen Hinterland beginnt. Es wird die Landung einer fliegenden Untertasse beobachtet. Heinlein hält sich nicht mit Expositionen oder so auf.   Relativ schnell machen seine eher dem Hardboiled Detective Roman entnommenen Figuren klar und deutlich, dass es keine Alternativen gibt. Entweder wird der Feind gnadenlos zurück geschlagen und besiegt oder die Menschheit – in diesem Punkt wird der Amerikaner wieder ambivalenter und dehnt die Bedrohung auf die ganze Welt aus, obwohl in erster Linie die tapferen Amerikaner den einsamen Kampf schlagen – wird in ihrer bestehenden Form untergehen.  Die Fernsehserie „V“ übernimmt dabei einen Aspekt, den Heinlein mehrfach anspricht, der aber später bei der Kinoadaption verloren gegangen ist. Es besteht tatsächlich eine implizierte Möglichkeit, mit den Parasiten zu kommunizieren. Wie in "V"  vermitteln/ implizieren die Außerirdischen die Idee, dass die Menschen auch im Angesicht des gerade zu Ende gegangenen Zweiten Weltkriegs dank der Parasiten friedlicher miteinander leben können. Aber dieser potentiell positive Punkt steht dem "freien Willen" der Amerikaner entgegen, so dass er angesprochen, aber nicht weiter extrapoliert wird. 

Heinlein erzählt die Geschichte aus der Sicht vor allem eines Regierungsbeamten. Es ist erstaunlich und ungewöhnlich für seine Erwachsenenromane, dass Heinlein dabei auf die Ich- Perspektive zurückgreift, zumal auch sein Held Sam Nivens – natürlich ein Deckname – teilweise unter dem Einfluss der Parasiten ist.  Dabei orientiert sich Heinlein auch an Flemings James Bond Romanen, denn Nivens ist in der längeren Fassung gleich mit einer Blondine im Bett und kein Kostverächter. Im Grunde ist Nivens die Art von Chiffre, welche die Parasiten aus den Menschen machen wollen. Immer wieder neue Namen, neue Tarnidentitäten und nicht wirklich fassbar. 

Von seinem Chef – „Old Man“ genannt – erhält er den Auftrag zusammen mit einer eher spröden Rothaarigen – die Landung eines UFOs zu untersuchen. Dabei verlädt Heinlein vor allem seine Leser, denn es handelt sich um einen Schulbubenstreich, während die eigentliche Invasion quasi an den Bundesagenten vorbei anläuft.   In der Folge entwickelt Heinlein eine Reihe von Handlungsmustern, auf denen unzählige Invasionsgeschichten später basieren werden. Es sind nicht überlegene Waffen, gegen die sich die Menschen in der Tradition H.G. Wells „Kampf der Welten“ zur Wehr setzen müssen, sondern wie Propaganda und Paranoia säen die Fremden in erster Linie Misstrauen.  Dieses Sprungbrett bildet auch den Kern der immer wieder von Kritikern aus verschiedenen politischen Lagern hinterfragten Intention des Autoren. In zahlreichen Interviews hat Heinlein behauptet, dass er in seinen Erwachsenenbüchern nicht selten das Mittel der Satire, gut versteckt, gegen aus seiner Sicht zweifelhafte politische Exzesse einsetzt. Selbst der später geschriebene „Starship Troopers“ soll als Satire und politische Warnung verstanden werden.

Heinlein versucht in seiner Warnung vor dem Totalitarismus, den die Parasiten durch Gleichschaltung aller Menschen erreichen wollen, die schwierige Balance zwischen bürgerlichen Grundrechten, Meinungsfreiheit und entschlossenen Vorgehen gegen die Feinde zu finden.  Heinlein erweist sich dabei als aufmerksamer Beobachter, welche die nationalsozialistische Propaganda auf die allgegenwärtigen Medien in seinem fiktiven Schmelztiegel der USA überträgt und aufzeigt, dass das Recht auf Information dem Allgemeinwohl auch manchmal nachstehen kann und muss. Eine These, die in der Gegenwart wahrscheinlich noch härter diskutiert wird als in den aus heutiger Sicht noch bescheidenen fünfziger Jahren. Für Heinlein ist es undenkbar, dass freie Menschen mit einem freien Willen sich nicht mmer gegen die unfreien Länder mit einer aufgezwungenen Denkweise durchsetzen werden. Dabei spielt es keine Rolle,  ob es sich um menschliche oder außerirdische Diktatoren handelt. Der Weg zurück in diese Freiheit ist von Opfern gekennzeichnet und niemals einfach, aber Entschlossenheit und Würde sind wichtige Leitplanken.  Das Buch verfügt über das hohe Tempo der Jugendromane, während die Charakterisierung der Protagonisten deutlich moderner und vielschichtiger ist. In Bezug auf seine männlichen Überhelden erweist sich Heinlein wieder allerdings als stereotyper Autor. Nivens und der alte Mann sind austauschbar. Sie trennen zwar gute dreißig Jahre, aber in vielen ihrer Handlungen sind so vorhersehbar, während die rothaarige Mary im Grunde an Virginia Heinlein erinnert. Hübsch, intelligent, entschlossen , kraftvoll, eine eigene Persönlichkeit, die sich aber freiwillig dem in einigen Punkten ihr unterlegenen, aber männlichen Kollegen Nivens unterordnet. 

Während die ursprüngliche Fassung vor allem durch ihr hohes Tempo und eine Aneinanderreihung von intelligent geschriebenen Actionszenen auch heute noch gut zu lesen ist, erscheint die längere Version ein wenig zu getragen. Heinlein versucht zu viel zu erklären und gerät dabei wie bei einigen seiner späteren Bücher in die Zwickmühle, zwischen belehren und unterhalten.  In der Kurzfassung haben die Agenten anfänglich genauso viele Probleme, die aus Heinleins Sicht erdrückende Bürokratie zu bekämpfen wie gegen die Außerirdischen zu Felde zu ziehen. In der längeren Version wird diese Kritik ein wenig relativiert und durch den größeren Umfang in den Hintergrund gedrückt. Trotzdem und fast monton sich wiederholend weist Heinlein überdeutlich darauf hin, dass für ihn die Demokratie die beste aller schlechten parteipolitischen Welten ist und die Amerikaner im Allgemeinen dafür verantwortlich sind, sie zu erhalten. Finney geht bei seinem vier Jahre später veröffentlichten Roman mehr auf das Zwischenmenschliche ein, während Heinlein die Übernahme durch die Parasiten als letzten Tropfen sieht, welcher die andauernde Verweichlichung des eigenen Volkes zum Stoppen bringen soll.  Heinleins nicht selten implizierte aus heutiger Sicht antiquierte Moralvorstellungen wirken in einem direkten Vergleich zu Campbells Männergeschichte im ewigen Eis und Finneys Versuch, der amerikanischen Kleinstadt die Unschuld zu rauben wie eine lächerliche Parodie auf die damalige Realität, aber hinsichtlich der Kniffe und Wendungen ragt sein im Original sehr viel effektiver betitelter Roman „The Puppt Masters“ selbst in der ein wenig zu sperrigen längeren Fassung aus den drei vergleichbaren Texten positiv wie angreifbar/ konträr heraus.

Die Wiederauflage der ungekürzten Fassung ist überfällig und lässt eine Auseinandersetzung mit dem Text im Geiste Heinleins insbesondere im direkten Vergleich zur komprimierten, aber nicht uninteressanten, mehrfach immer wieder in Deutschland aufgelegten ursprünglichen Fassung zu.  

 

  • Taschenbuch: 416 Seiten
  • Verlag: Heyne Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3453317424
  • ISBN-13: 978-3453317420
  • Originaltitel: The Puppet Masters