Die Beschützer 2 "Zeit des Erwachens"

Dirk van den Boom, die Beschützer Band 2, Titelbild, Rezension
Dirk van den Boom

Dirk van den Boom legt mit „Zeit des Erwachens“ den zweiten und leider auch letzten Band der neuen deutschen Superhelden Serie „Die Beschützer“ vor. Als Dirk van den Boom das Abenteuer verfasst hat, zeichneten sich die enttäuschenden Verkaufszahlen noch nicht ab, so dass die Serie natürlich kein abgeschlossenes Ende präsentieren kann. Der Cliffhangar ist passend gewählt und Dirk van den Boom führt im Grunde die von Martin Kay begonnene Exposition mit weiteren, über Superkräfte verfügende Menschen genauso fort wie die politischen Ränkespiele im Hintergrund als auch die Legimitation der im Auftaktroman gegründeten „Beschützer“ Organisation mit ihrem reichen Gönner/ Sponsor im Hintergrund.

Die fehlenden Verkaufszahlen haben nichts mit der Qualität der Serie zu tun. Aber vielleicht sind sowohl Vermarktung als auch Struktur unglücklich gelaufen. Die Titelbilder – für einen Verkauf über das Internet noch wichtiger als in der Buchhandlung – sind qualitativ unterdurchschnittlich. Die Protagonisten wirken steif und unnatürlich, es fehlt beiden Bildern eine innere Dynamik. Vergleicht der Leser die „Qualität“ dieser Titelbilder mit den Augenfängern, die unter anderem auch die „Scareman“ Serie im Atlantis Verlag erhalten hat, dann wirkt die Aufmachung nicht Verkaufs fördernd.

Ein zweites Problem ist der Aufbau der Serie. Martin Kay wirkt im ersten Roman zu ernsthaft, zu bemüht und vor allem zu sklavisch überambitioniert, um den auch für Superheldengeschichten notwendigen leichten Touch zu erzielen. Natürlich hat es vielleicht Dirk van den Boom mit seiner grundsätzlicher selbstironischen Erzählstruktur und seinem Hang auch zu derben Witzen deutlich leichter als Martin Kay, der auch bei seiner Serie „Dust“ ähnliche tempotechnisch stilistische Probleme offenbart hat. Es ist erstaunlich, dass Dirk van den Boom vor allem in einem direkten Vergleich zu seinen „Tentakel“ Romanen so bieder bis phasenweise distanziert bodenständig bleibt. Ein wenig mehr groteske Überzeichnung, einen Hang zur Übertreibung inklusiv zottiger Dialoge und vor allem eine deutlich bessere Ausbalancierung des Tempos hätten dem vorliegenden Buch gut getan. Es ist frischer und freier als der erste Roman verfasst worden, aber trotzdem ermüdet die Lektüre irgendwann im phlegmatischen, sich vor allem um die eigene Achse drehenden und zusätzlich auch noch klischeehaften Mittelteil.

In einem Punkt führt Dirk van den Boom die Tradition des ersten Buches weiter. Martin Kay bezog sich noch mehr mit der allein erziehenden Mutter “Sin Claire”, die auf der einen Seite ihren Alltag weiterhin im Griff haben muss und auf der anderen Seite ihre Superkräfte kennen lernt auf einfache, zugängliche Menschen.

Dirk van den Boom geht einen Schritt weiter. Da wäre einmal der ein wenig aus der Struktur erscheinende Brückenschlag mit dem Wissenschaftler, der quasi aus den Experimenthöllen der Nationalsozialisten durch ein zu Beginn beschriebenes Experiment eines natürlich rücksichtslosen Energiekonzerns mit der Gegenwart in Kontakt tritt. Über eine Assistentin, die vor den Folgen des Experiments warnt und sich quasi wieder in einer Blase wieder findet.

Oder „Die Hand“, welche mit Hilfe ihrer Lebensenergie andere Menschenleben retten kann und damit vor einem grundlegend moralischen Problem steht, das der Autor aber im vorliegenden Buch noch ausformulieren, aber nicht angehen will.

Natürlich braucht eine Superheldengeschichte der Gegenwart auch geläuterte Menschen. Da die Geschichte in Frankfurt als Hort des üblen Kapitalismus spielt, wird ein Investmentbanker/ Vermögensverwalter/ Händler – alles Begriffe, die Dirk van den Boom ambitioniert, aber ahnungslos einsetzt – aus den dunklen Zeiten der Finanzkrise geläutert. Vorher hat er Milliarden nicht nur für seine Kunden, sondern auch sich selbst durch Insidergeschäfte verdient. Allerdings erkrankt er an einer Sonnenallergie. Wie gut das es in einem der etablierten Nachclubs die entsprechenden Medikamente direkt aus der Ukraine oder so gibt, welche allerdings entsprechende kuriose Folgen haben.
Die Stärke des vorliegenden Buches ist, dass Dirk van den Boom einen grundsätzlich unsympathisch und leider unglaublich klischeehaft entwickelten Charakter zu einer Art Helden umbauen kann. Diese Veränderungen sind im Verlaufe des Romans erstaunlich, zumal der Autor auch seiner Figur nicht als einzigem der potentiellen zukünftigen „Beschützer“ eine Art Glaubensfrage stellen muss.

Irgendwo Mittler in diesem Geschehen ist vielleicht der ehemalige Cop Kevin Burscheid, der sich mit den neuen Helden – die Öffentlichkeit und vor allem die Presse scheint auf sie nach einigen Einsätzen zu fliegen – sowie deren Finanzier im Hintergrund genauso herumschlagen muss wie mit der Polizei, welche die Vigilanten natürlich ohne die zu erlassenden gesetzlichen Grundlagen auf die gleiche Stufe wie die Verbrecher stellt.

Hinzu kommt noch der gekaufte Politiker mit seinem Hang zu Massageöl in seiner schwarz finanzierten Villa in Spanien, der vor allem den finsteren Kapitalisten in Form einer Verbrecherorganisation immer wieder wichtige Informationen zu spielen muss. Natürlich hat diese Vorgehensweise einen Preis, den er mittels eines USB Sticks – die Szene wirkt so bizarr und antiquiert, dass der Leser im Grunde nur noch schmunzeln kann – in einem Hochsicherheitsbunker mit geschützten Informationen einhalten muss.

Dirk van den Boom beginnt seinen Roman mit der angesprochenen Explosion einer Forschungseinrichtung im Stuttgarter Raum. Der Leser weiß, dass es sich um ein Experiment handelt, das von einem wie eingangs erwähnt skrupellosen Energiekonzern aufgrund oberflächlicher Messergebnisse vorangetrieben worden ist. Lange Zeit weiß bis auf den Leser und die nackte Assistentin niemand, was wirklich in dieser Anlage geschehen ist und ob es sich um einen Anschlag handelt. Nach diesem dynamischen und lesenswerten Auftakt zerfällt die Handlung auf die einzelnen Ebenen, in denen Dirk van den Boom die zukünftige Vielzahl von neuen Protagonisten nicht selten während der Interaktion mit den schon etablierten Charakteren „vorstellt“. Die einzelnen Szenen sind routiniert geschrieben worden. Der Leser glaubt Dirk van den Boom auch, dass das Schreiben Spaß gemacht hat, aber der Funke will nicht wirklich überspringen.

Dabei ist das Potential weiter vorhanden. Vielleicht wäre es sinnvoller, die Serie umfangtechnisch pro Band deutlich zu reduzieren, das Tempo zu erhöhen und die Hintergründe der Protagonisten mittels kürzerer, deutlich packender erzählter Rückblenden zu etablieren. Mit attraktiveren Titelbildern sollte sich die Serie eher über Mund zu Mund Propaganda als Schläfer im deutschen Superheldenmarkt verkaufen und platzieren lassen. Natürlich ist es wichtig, dass sich die Serie sowohl für den Verlag als auch die beteiligten Autoren rechnet, aber um gleich einen Gassenhauer zu setzen, ist die Struktur überambitioniert und damit schwerfällig. Hart gesprochen ist auch Martin Kay auf der notwendigen tragisch tragenden Ebene als Autor zu schwach, um diese seltsame Mischung aus kindlicher Naivität den Superhelden gegenüber und dem durchaus vorhandenen politischen Realismus in einer zynischen egoistischen Zeit in sprachlich überzeugende Bilder zu bringen. Auch Dirk van den Boom scheitert auf einem höheren Niveau an dieser Aufgabe, wobei er mit einigen seiner „Rettungskreuzer Ikarus“ sowie den angesprochenen „Tentakel“ Arbeiten die sprachliche Gabe mitbringt, absurde Geschichten überzeugend zu erzählen oder realistische Storys ins grotesk humorvolle zu übersteigern, so dass die Aufmerksamkeit des Lesers alleine über den Erzählstil förmlich festgebunden wird.

Das Potential der Serie ist weiterhin vorhanden und der deutsche Handlungsort – ausgerechnet Frankfurt – bietet ausreichende Möglichkeiten, um die Geschichten und Dramen zugänglich und packend zu gleich zu erzählen, aber Dirk van den Boom und leider Martin Kay haben irgendwie bislang nicht den Schlüssel gefunden und werden ihn durch die Einstellung der Serie auch nicht mehr finden können.

  • Taschenbuch: 220 Seiten
  • Verlag: Atlantis Verlag (31. Dezember 2016)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3864023475
  • ISBN-13: 978-3864023477