Perry Rhodan Planetenroman 93/94 "Der Mordplanet" und "Aufruhr in Terrania"

Perry Rhodan Planetenroman 93/94, Titelbild, Rezension
Hans Kneifel

Nur einer der beiden Hans Kneifel Romane in diesem Sammelband ist eines seiner berühmten Kolonistenabenteuer, in denen wie Rainer Nagel so pointiert in seinem Nachwort schreibt, ein noch nicht gestandener Mann mit einem eher gewöhnlichen Beruf - in diesem Fall Bildjournalist - ein Abenteuer erlebt, das ihn nicht nur innerlich reifen, sondern die wahre Liebe finden lässt. Dabei geht es um exotische Bedrohungen, welche weit über den entsprechenden Kolonialplaneten hinaus Folgen für das Imperium haben können. Auch beim zweiten hier gesammelten Roman "Aufruhr in Terrania" geht es um gewichtige Bedrohungen, da der Schauplatz des Geschehens aber kein abgelegener exotischer und zu erforschender Planet ist, lässt sich der Plot nicht in diese lose miteinander verbundene Serie von sogenannten Kolonistenabenteuern einordnen.

"Der Mordplanet" ist als Planetenroman 53 erschienen und spielt sechs Jahr vor "Aufruhr in Terrania", der zwei Monate vorher als Perry Rhodan Taschenbuch 51 erschienen ist. Es wäre vielleicht sinnvoll gewesen, die Veröffentlichungsreihenfolge der beiden Teilromane zu tauschen, da Rainer Nagels Nachwörtern individuell zugeschnitten sind und obwohl keine direkten Bezüge zwischen den beiden Bänden bestehen, es in dieser Form aufgrund der Konzentration zu Irritationen kommen könnte.

Der erste Roman "Der Mordplanet" ist aber noch aus einem anderen Grund sehr viel bekannter als es die Veröffentlichung auf den ersten Blick erscheinen lässt. EUROPA hat das Buch allerdings William Voltz aus unerklärlichen Gründen zugeschrieben in den siebziger Jahren als eines der ersten Hörspiele adaptiert. Mit dem Nachdruck der ursprünglichen Fassung hat der Leser die Möglichkeit, den Roman in seiner ungekürzten Fassung zu lesen.

Für die Perry Rhodan Serie hat Rainer Nagel mit der Gemeinschaftsintelligenz auf dem bislang nur rudimentär erforschten zukünftigen Kolonialplaneten ohne Frage recht, die ganze Science Fiction betrachtend entpuppt sich die zugrundeliegende Idee eher wenig überraschend, zumal Hans Kneifel eine Reihe von Spuren beginnend mit der Anlage des Plots ausgelegt hat. Vor allem braucht der Autor erstaunlich lange, um seinen Protagonisten Ty Caumont inklusiv attraktiver Begleitung zum Planeten Woodlark zu bringen, auf dem es zu zahlreichen Krankheits- und Todesfällen gekommen ist, ohne das ein wirkliches Muster zu erkennen ist.

Hans Kneifel nimmt sich ausgesprochen viel Zeit, damit er um die spannungstechnisch eher bemühten Einschübe mit warnenden indirekten Hinweisen auf die Gefährlichkeit des Planeten herum seinen anfänglich sehr unsympathischen, selbstverliebten und arroganten Protagonisten Ty Caumont positionieren kann. Vor allem weil der Autor auch ausgesprochen unentschlossen agiert. So wird beschrieben, wie fünf Studienfreunde einen fiktiven Mitstudenten erfunden haben; für ihn Arbeiten verfassten und ihn schließlich durch eine Prüfung brachten. Die Idee wird immer wieder in Kombination mit Ty Caumont angesprochen, aber auch nicht weiter extrapoliert. In einem fast belehrenden Ton schließt Hans Kneifel diesen eher rudimentären roten Faden ab. Irgendwann im Verlauf der Geschichte erwartet der Leser vielleicht, dass die Verbindung der einzelnen Studenten zueinander intensiver abgehandelt wird sowie vielleicht einer oder zwei zumindest auftreten.

Ty Caumont macht sich einen Namen, in dem er eine spektakuläre Reportage inklusiv entsprechender Fotos aus dem Fotoshop seinem neuen Arbeitgeber zum Einstand präsentiert. Es wird auf die Gefahren der Kolonisation im Allgemeinen und die Herausforderungen auf Woodlark im Besonderen hingewiesen.

Der Artikel schlägt wie ein Sturm im Wasserglas auf der einen Seite Wellen, auf der anderen Seite aber reagiert nur Reginald Bull, in dem er seine attraktive Sekretärin bittet, Ty Caumont quasi inoffiziell zu sich nach Hause abzuschleppen.

Auch wenn Hans Kneifel immer wieder die besonderen Lebensumstände dieser ungewöhnlich modernen, fast an Yuppies erinnernden Generation ausführlich beschreibt und die Dialoge irgendwo zwischen peinlicher Anmache und Gesülze hin und her springen, braucht es doch ordentlich Überzeugungskraft, bis ein Leser diese Prämisse schluckt.

Woodlark ist ein strategisch wichtiger Planet. Warum Reginald Bull einen arroganten Reporter mit einem Bericht, dessen Fakten er sich erschlichen hat auf diese Welt schickt, bleibt eher nebulös. Aber diese Kette von Unwahrscheinlichkeiten zieht sich durch den ganzen Roman. Später darf der Reporter aufgrund der Erlaubnis schließlich doch die Basis verlassen, nachdem ein Wissenschaftler ihm erklärt hat, dass sich der Planet gegen die Besiedelung durch die Menschen und den Bau der Raumbasis wehrt.

Im Gegensatz zu vielen anderen Perry Rhodan Romanen dieser Zeit strebt aber Hans Kneifel eine pazifistische, von Symbolen wie dem weißen Säbelzahntiger unterstrichene Lösung an, die vielleicht pragmatisch etwas zu einfach geschieht, aber den Roman zumindest zufriedenstellend nach einer viel zu langen und aus heutiger Sicht auch ein wenig antiquierten Exposition abschließt.

Während die Figuren eher blass, eindimensional und leider zu klischeehaft erscheinen – sie passen in die Kneifel Schemata, welche Rainer Nagel am Ende des Teilromans in seinem Nachwort erarbeitet -, überzeugt zumindest die exotische Kulisse Woodlarks ein wenig mehr. Der Spannungsaufbau wirkt als Ganzes eher unrund und der Zahn der Zeit lässt sich deutlich erkennen. Vor allem aus Perry Rhodan historischer Sicht mit dem angesprochenen ersten, aber nicht letzten Auftreten einer Gemeinschaftsintelligenz sowie dem heute fast nostalgischen Rückblick in die Ära der Expansion der Menschheit in die Galaxis ist „Der Mordplanet“ allerdings ein flüchtiges Lesevergnügen.

Im direkten Vergleich ist „Aufruhr in Terrania“ ohne Frage der bessere, der spannendere Roman.  Er spielt zu einer Zeit, als Perry Rhodan noch als Dreh- und Angelpunkt der Serie und des politischen Lebens verschwunden ist und möglicherweise als tot gilt. Überall sind Aufstände und das politische Klima ist gereizt.

Durch einen Zufall – er wird in ein bestehendes Gespräch als Zuhörer eingeklinkt – erfährt ein Koch und Gastronom von einer laufenden Erpressung. Sherman Ravage ist der Leiter des Exportbüros seiner Heimat Kishanpur. Exotische Kunstwerke sind deren Spezialität. Die Unruhen sorgen dafür, dass es mehr und mehr Stornierungen gibt. Aber er wird von den Verbrecherorganisation CONDOS VASAC wegen Unterschlagungen in der Vergangenheit erpresst. Zusätzlich ist Ravage ein schwacher Telepath, wobei ihm diese Fähigkeit im Verlauf der weiteren Ereignisse nur hilfreich ist, wenn es der Autor opportunistisch wirklich braucht. In einigen anderen elementareren Sequenzen wird auf diese Idee nicht zurückgegriffen.

Sherman Ravage soll ein Attentat auf Julian Tifflor verüben. Bis zum 15. Februar soll der Solarmarshall sterben und das politische Chaos auf der Erde noch angeheizt werden.

Hans Kneifel hat das Szenario ausgesprochen gut aufgebaut. Der Leser in Person der beiden Polizisten, die sich gegenseitig Holmes und Watson nennen, weiß über das mögliche Attentat Bescheid. Weitere Hintergründe sind nicht bekannt, auch die miteinander sprechenden Personen bleiben im Dunklen. Auf dieser Handlungsebene verfolgt der Betrachter das Geschehen ausschließlich auf Augenhöhe der Polizisten und deren Ermittlungsarbeit.

Auf dem zweiten, viel wichtigen Spannungsbogen verfolgt der Leser das Geschehen auch aus der Perspektive des in die Ecke getriebenen Sherman Ravage. Potentiell „unschuldige“ Menschen mit einer dunklen Vergangenheit und vom organisierten Verbrechen vor sich her getrieben sind immer dankbare Protagonisten. Wie bei seinen Kolonistenabenteuern beschreibt Hans Kneifel dieses Mal mit umgekehrten Vorzeichen – Ravages Leben und Existenz fällt buchstäblich auseinander – das Schicksal eines in die Ecke gedrängten Mannes, der gegen den eigenen Willen den Attentatsplan auf eine ausgesprochen geschickte Art und Weise umzusetzen sucht. Sherman Ravage ist kein unsympathischer Charakter. Auch wenn er in die Vergangenheit nicht nur Fehler, sondern mit den Unterschlagungen auch Verbrechen begangen hat, ist er grundsätzlich kein Mörder und Schwerstkrimineller. Er weiß, dass er nicht nur Julian Tifflor, sondern auch weitere Unschuldige in Gefahr bringt. Auf der anderen Seite hat er Angst vor der eigenen Bestrafung und will sich nicht der Polizei anvertrauen.

Hans Kneifel entwickelt einen perfiden Mordplan mittels einer in einer alten Uhr versteckten Bombe. Aktivierung erfolgt durch höchstens sechs Worte. Vor allem das Finale erinnert teilweise an Alfred Hitchcocks Klassiker „Sabotage“. In diesem Fall verfolgt die Kamera den Transport einer Bombe durch einen unwissenden Jungen durch London bis zum explosiven Ende.  Wie bei Hitchcock fokussiert der Autor den Plot und lässt Ravage im letzten Moment zu einer in mehrfacher Hinsicht tragischen Figur werden. Aber diese Dramaturgie, diese Intensität und vor allem auch die minutiöse Planung muss ein Autor überzeugend auch dem Leser präsentieren und das gelingt Hans Kneifel in „Aufruhr in Terrania“ überzeugend und sehr viel besser ausbalanciert als bei „Der Mordplanet“, der zu gesetzt anfängt und schließlich zu hektisch endet.

In „Der Mordplanet“ spielt die Illustrierte „blue nebula“ eine wichtige Rolle, wobei die Grundlagen in „Aufruhr in Terrania“ gelegt werden. Nicolee Coover ist Grafikerin der Zeitschrift, so dass Hans Kneifel einen ausführlicheren Einblick in die alltäglichen Arbeitsabläufe in diesem zweiten hier gesammelten, aber ursprünglich zuerst publizierten Planetenroman gibt. Nicolee Coover ist auch eine der wenigen etablierten, attraktiven und anscheinend auch sexuell aktiven Frauen im Gegensatz zu den vielen Mädels, die auf ihren Traumprinzen in Form des jeweiligen Protagonisten warten, der sie mit flotten Sprüchen und einem leicht arroganten Gehabe „erweckt“.

Nicolee Coover verliebt sich in Julian Tifflor und soll quasi den Sendboten spielen.  Kneifel geht ausführlich auf die potentiellen Schwierigkeiten zwischen einer jungen Frau und einem Unsterblichen ein, wobei er für beide Seiten eine überzeugend wie reife Warte wählt. Auch wenn die bekannten unsterblichen Charaktere  eher eine passive Nebenrolle spielen und sich der Autor auf die Zwickmühle konzentriert, in welcher Ravage gefangen ist.

Ein anderes Thema im Hintergrund ist die Präsenz Perry Rhodans. Rainer Nagel geht im Nachwort auf die im „M 87“ spielenden Doppelgänger Romane ein, wobei anfänglich eine Verbrecherorganisation Perry Rhodan ersetzen lassen wollte, später der Doppelgänger zumindest in der Theorie für Ablenkung sorgen sollte, während er schließlich dem Wahnsinn verfallen ist. Zumindest diskutieren Reginald Bull und Julia Tifflor das Wohl und Wehe dieses aus ihrer Sicht immer noch politisch notwendigen Personenkultes.

Diese kleinen Szenen runden einen ausgesprochen spannenden Perry Rhodan Thriller ab, bei dem es ja wegen des bekannten und es auch nachweislich überlebenden Zielobjektes weniger um einen erfolgreichen Anschlag geht, sondern wie der Attentäter wider Willen, aber zumindest mit einem interessanten Plan und einer überzeugenden Entschlossenheit schließlich gestoppt wird.

Die Figuren sind insbesondere im direkten Vergleich zu „Der Mordplanet“ sehr überzeugend gezeichnet worden und agieren weniger schematisch als in dem zweiten Planetenroman.

Zusammengefasst bieten diese beiden Hans Kneifel Abenteuer wieder eine ausgesprochen gute Unterhaltung mit typischen Kneifel Manierismen, aber auch mindestens interessanten, im zweiten Band „Aufruhr in Terrania“ sogar spektakulären Grundideen. 

 

Taschenbuch, 335 Seiten

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