Gotham Noir 6- Ars Diavoli

Christian Humberg

Mit „Ars Diavoli“ schließt Christian Humberg den ersten Sechsteiler seiner Serie „Gotham Noir“ ab. Bis auf die Beziehung zwischen Sarah Dolan und Elliot Flynn beantwortet der Autor alle Fragen, auch wenn rückblickend ein Gefühl der leichten Enttäuschung zurückbleibt. Angesichts der interessanten Ausgangsprämisse, die lebensechten Charakteren und der Idee des Archivs für Obskures im Keller des 66. Polizeirevier wirkt die präsentierte Lösung zu oberflächlich und zu wenig gängig

Zumindest wird der Handlungsbogen dort geschlossen, wo er auch eröffnet worden ist. Auf Ellis Island, direkt neben der Freiheitsstatue gelegen, unter welcher der Bürgermeister im Prolog des ersten Heftes verschwunden ist. Die in den letzten beiden Romanen angerissenen Erklärungen werden vertieft. Die künstliche Droge hat nicht nur das Bewusstsein erweitert, sondern die Möglichkeit erschaffen, zwischen den einzelnen Zwiebelschalen – Flynn erläutert die Idee verschiedener Parallelwelten anschaulich hin und hoffentlich auch her zu wechseln. Die Grundidee der Verschwörergruppe, zu der sich noch ein aus den voran gegangenen Bänden bekannter Charakter gesellt, ist es, den Weg nach Eden zu öffnen. Das es dabei Fehler gegeben hat, sollte der Gruppe bekannt sein. Nur mit blinden Fanatismus lassen sich die offensichtlich nicht auf Eden deutenden Signale nicht weg erklären. In dieser Hinsicht argumentiert Christian Humberg ein wenig betriebsblind. Ob die Droge als einzige Möglichkeit angesehen werden muss, welche den fahlen Männern – auch hier ist deren Vorgehensweise eine Frage der Perspektive und weniger einer Grundausrichtung -  einen Übergang ermöglicht, bleibt unausgesprochen. Kaum ist das ganze Szenario erfasst, konzentriert sich Christian Humberg im visuell ansprechend geschriebenen Showdown auf eine Lösung des Problems, die eher tricktechnisch an „Ghostbusters“ erinnert denn „Akte X“. Zu schnell fließen die einzelnen Komponenten ineinander und Sarah Dolans ins Gewissen reden funktioniert natürlich im letzten, wie entscheidenden Moment. Einen Aufbau über insgesamt fünf Hefte auf wenigen Seiten abschließen ist immer schwierig, aber Christian Humberg macht es sich zu leicht. Es fehlt ein abschließendes überraschendes Element, eine inhaltliche Inspiration, um „Gotham Noir“ auf das Niveau wirklich gelungener und weniger nur solider Unterhaltung zu heben. Wie in seinen „Zamorra“ Arbeiten erweist sich der Autor als ein guter, stilistisch eher unauffälliger Erzähler, dem allerdings der letzte Esprit, der letzte zum Leser überspringende Funke fehlt. Auf der anderen Seite muss zugestanden werden, dass die nicht unbedingt neue Idee mehr Umfang verdient hätte. Viele wichtige Indizien und Informationen fallen den auf verschiedenen Ebenen suchenden Personen – Dolan/ Flynn auf der Ermittlungsseite; die Klatschreporterin mit ihrem Gespür für eine Geschichte und schließlich Dolans Vorgesetzte bzw. deren Vertraute als abschließend aktiv eingreifende Elemente – rückblickend zu leicht in den Schoss und die Motivation der ehemaligen Studenten über einen Zeitraum von mehr als dreißig Jahren wirkt zu plötzlich befriedigt. Was die einzelnen Experimente angeht, fügt Humberg dem Geschehen ein perfides Element hinzu, ohne das er näher auf die Ursachen und Wirkungen eingeht. Mit Morden das Ziel zu erreichen widerspricht aber allen zur Verfügung stehenden Aufzeichnungen und zeigt, dass hier hinsichtlich des Showdowns ein wenig mehr Arbeit nötig gewesen wäre. Zusammengefasst ist „Ars Diavoli“ – der Titel ist nicht ganz Nomen est Omen – ein zufrieden stellender Abschluss einer noch deutlich ausbaufähigeren Reihe.

In Bezug auf die Zeichnung der Charakter kann der vorliegende Roman weniger überzeugen. Elliot Flynn und Sarah Dolan haben in den voran gegangenen Abenteuern ihre Augenblicke gehabt. Elliot Flynn mit seinen „verliehenen“ Fähigkeiten, die er alle auch passend einsetzen kann, ist von Humberg im besten Roman der Miniserie „Der Fremde im Spiegel“ sehr gut charakterisiert worden. Es bleiben noch viele Fragen hinsichtlich seiner Identität übrig, aber als Figur ragt Elliot Flynn aus der Serie deutlich heraus. Zusätzlich geht Humberg näher auf das „Verhältnis“ zwischen seiner Vermieterin und Inhaberin des „Gotham Noir“ Buchladens und dem quasi aufgenommenen und als nützlich empfundenen Flynn in seiner zukünftigen Detektivrolle ein. Hier bietet sich sehr viel Potential an, die Serie auch in überraschende Richtungen weiter zu entwickeln. Sarah Dolan bleibt insbesondere im letzten Roman deutlich blasser als zu Beginn. Das Entführungsszenario als Cliffhanger des letzten Bandes soll Dramatik ausdrücken, bleibt aber oberflächlich. Das Supergirl als Mitglied einer Familie von teilweise hochrangigen Polizisten wird eher ambivalent beschrieben. Man Schutz bedürftig, dann wieder entschlossen. Als Figur zieht sie zu wenig Emotionen auf sich und bleibt teilweise zu distanziert. Es ist schade, dass die neben Flynn interessanteste Figur des Romans – der Pathologe und Nachbar im Keller des Polizeireviers – nur einen kurzen, aber signifikanten Auftritt in diesem Buch hat. Mehr Charakter dieser Art würden „Gotham Noir“ gut tun. Auch Sarah Dolans Großvater scheint eine Figur zu sein, die aufgrund ihrer Lebenserfahrung noch trotz oder gerade wegen ihres Alters ausbaufähig ist.

Zusammengefasst ist „Ars Diavoli“ ein zufrieden stellender Abschluss einer Serie, die das ohne Frage vorhandene Potential nur an einigen Stellen heben kann. Insbesondere aber die Figuren sind interessant genug, um einen zweiten, vielleicht ein wenig exzentrischeren Fall lesenswert erscheinen zu lassen. Nur sollte Christian Humberg noch ein wenig mehr aus sich herauskommen, um „Gotham Noir“ wirklich eckiger, kantiger und spannender zu gesta

Umfang:112 Seiten (epub-Format)
Verlag: Rohde Verlag
Veröffentlicht: 25. November 2013
ISBN:978-3-95662-018-8
Kaufen:Kindle
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