Die Bestie

David Gerrold

Der Heyne Verlag legt als E Book auch David Gerrolds Zeitreiseabenteuergeschichte “Die Bestie” neu auf. Ursprünglich Ende der siebziger Jahre publiziert könnte man nach der Lektüre auch von David Gerrolds “Moby Dick“ sprechen. Die Obsession der immer kleiner werdenden Gruppe von Jägern geht soweit, dass sie dem zu erlegenden und sich ungewöhnlich verhaltenen Tyrannosaurus Rex eine eigene Persönlichkeit zugestehen. Auch die Bestie – im Original heißt der Roman pragmatisch sogar „Death Beast“ – zeigt paranoide Züge eines ewigen Jägers. Selbst in der deutschen Übersetzung wirkt David Gerrolds Stil überladen und an den nicht immer richtigen Stellen bedeutungsschwanger. Anstatt einen geradlinigen Plot zu erzählen, wirkt seine Geschichte manchmal wie ein existentielles Überlebensdrama, in dem es um mehr als den klassischen Kampf zwischen David und Goliath geht.  

Als Vorgeschichte ist interessant, aber auch wenig bekannt, dass David Gerrold bei der ersten Staffel der Fernsehserie „Land of the Lost“ als Storyeditor Mitte der siebziger Jahre gearbeitet hat. Die über zwei Seasons laufende Fernsehserie hat die Geschichte einer Familie erzählt, die in einem prähistorischen Tal gefangen ist.  Und sich ebenfalls mit Dinosauriern auseinandersetzen müssen. Unmittelbar nach Beendigung seiner Tätigkeit muss David Gerrold mit den Arbeiten an „Die Bestie“ angefangen haben.

Während sich der Amerikaner in dem Meisterwerk „Zeitmaschinen gehen anders“ mit der Thematik von Zeitreisen und Verwerfungen im Zeitstrang, Paralleluniversen und den Folgen unkontrollierter Reisen auseinandergesetzt hat, dient die Idee der technisch nur angedeuteten Reise in die fernste Vergangenheit als eine Art MacGuffin, um die Protagonisten von A nach B und wieder zurück zu bringen. Über die Zukunft, aus welcher die Jäger und ihre beiden Jagdführer kommen, erfährt der Leser genauso wenig wie über die Technik. Von den eher rudimentären Beschreibungen vor allem auch während des Showdowns erinnert sie an das Beamen aus „Star Trek“; eine Serie,  bei der David Gerrolds professionelle Karriere mit seinem „Tribbles“ Manuskript begonnen hat. Die Reisenden müssen gegen die hellen Lichter der Zeitreise allerdings Schutzbrillen tragen. Ansonsten ist es wichtig, auf der Abstrahl- und Ankunftsplattform zu einem festen Zeitpunkt zu sein. Dieser wird im Vorwege festgelegt und lässt sich während des Aufenthalts in der Vergangenheit auch nicht ändern. Einen Kontakt mit der Zukunft gibt es nicht. Alles klassische Spannungselemente, die David Gerrold in seiner Geschichte weidlich ausnutzt.       

Acht Menschen reisen in die Vergangenheit. Es handelt sich um sechs Jäger und zwei offizielle Führer, wobei David Gerrold diese Position im Verlaufe des Plots relativiert. Sie haben nicht Erfahrung in Hinblick auf die Reisen durch die Zeit, sind keine ausgebildeten Jäger und interessieren sich in erster Linie für das Überleben. Ob sie alle ihre Anvertrauten wieder in die Gegenwart zurückbringen, steht auf einem gänzlich anderen Blatt und die Erfolgsquote der beiden Begleiter ist auch nicht sonderlich hoch. Interessant ist, dass sich die Gruppe aus fünf Männern und zwei Frauen zusammensetzt, von denen nur Eine eine Begleiterin ist.

Ein wichtiger Teil der Handlung ist die Charakterisierung der Protagonisten. In diesem Punkt schwächelt David Gerrold und nimmt seinem Buch auch einen gewichtigen Teil der Authentizität. Neben den Adrenalinjunkies auf der Suche nach dem ultimativen Kick, einen Dinosaurier zu töten, befindet sich in der Gruppe ein Mitglied, das aus psychologischen Gründen eine Auszeit aus der eher rudimentär beschriebenen Zivilisation nimmt. Das Pärchen auf der Suche nach sexueller Entspannung wirkt wie ein Fremdkörper. Eher könnte der Leser die Motive einer Jägerin akzeptieren, die es mit den Männern aufnehmen und gleichziehen möchte. 

Auch wenn die Motive der einzelnen Reisenden klar auf den Tisch gelegt werden, macht David Gerrold rein gar nichts aus ihnen. So ist der „Held“ als männlicher Reiseführer immerhin in der Lage, Witze zu machen, während die ihm Anvertrauten von der besonderen Bestie abgeschlachtet werden. Zwischenmenschliche Beziehungen sind rudimentär entwickelt. So betrachten die Mitreisenden das Zeigen von Gefühlen angesichts des Verlusts eines Partners als Schwäche und versuchen diese Gruppenmitglieder auszusondern. An einer anderen Stelle verfolgt man atemlos, wie der Dinosaurier sich ein Opfer zurecht legt, bevor er es langsam goutiert. Mit einem sichtlichen Vergnügen. Mit besseren Protagonisten wäre aus „Death Beast“ ein guter Roman geworden. So bleibt vieles, im Grunde alles oberflächlich.

„Death Beast“ könnte irgendwo zwischen Steven Spielbergs „Der weiße Hai“ und Michael Crichtons „Jurassic Park“ angelegt sein. Interessant ist, dass die jeweilige Bestie wie in dem Film in ihrem Territorium bekämpft werden muss und nur das Ende des Finals auf dem ganz kleinen Fleckchen Zivilisation stattfindet, das der Mensch erschaffen hat. Im Grunde schert sich Gerrold nicht um diese Idee. Horrorfacetten fließen in den Text ein. So kann diese besondere Bestie sich trotz ihrer Größe und vor allem ihres Gewichts ohne Probleme den Menschen so weit nähern, dass sie diese trotz deren Waffen verschlingen kann. Nur einmal rollt sie über einen am Boden liegenden Jäger und beendet die Szene pragmatisch wie brutal. Für den Dinosaurier stellen wieder bis zum verzweifelten Finale diese Menschen keine echten Gegner dar und normalerweise würde eine solche Bestie ihren Instinkten folgen, aber nicht Marotten aus den Horrorfilmen übernehmen, die an keiner Stelle überzeugend sind. David Gerrold hat zwar in einem Punkt gut recherchiert. Seine Dinosaurier sind Warmblüter, da hört es aber schon auf. Über die Fortpflanzung wird mit einem Wissen diskutiert, das schon einen Grundschüler verzweifeln lässt und aus den falschen aufgestellten Thesen machen die Antihelden bis auf ein oder zwei voyeuristische Blicke auf das Liebestreiben der Saurier viel zu wenig. Die Informationen nicht nur nicht handlungsrelevant, sie sind teilweise auch naturwissenschaftlich selbst für die siebziger Jahre falsch. 

Michael Crichton hat für die zweite Hälfte seines Bestsellers auf ein vergleichbares Szenario zurückgegriffen und vielleicht wurde er sogar ein wenig von David Gerrolds Ende der siebziger Jahre publizierten Roman genauso inspiriert wie die perfekte Science Fiction Version „Predator“.  Mensch gegen Monster. Sowohl bei Crichton als auch beim Schwarzenegger Vehikel sind die Menschen technologisch auf die meisten denkbaren Herausforderungen vorbereitet. Außerirdische Jäger fallen nun mal nicht unter die Norm. David Gerrold versucht mit dem zweiten Science Fiction Element für Spannung zu sorgen. Angeblich sollen Laser das Wasser in den Tieren zum Verdampfen bringen und sie so von innen heraus töten. Bisherige Expeditionen sind auch am T. Rex gescheitert und das lag nicht nur an der mangelnden Entschlossenheit, sondern vor allem an der komischen Technik. Ein Brontosaurier dagegen wird durch einen einzigen Schuss aus dieser Laserwaffe erledigt. Falsches Ziel, aber Hauptsache einen Abschuss.

Dazu stellt sich die Frage, ob die Trophäen in die Gegenwart mitgebracht werden können. Die Ausrüstung scheint gewichtstechnisch begrenzt zu sein, während der drei Tage gibt es wie angesprochen keinen Kontakt und auch keinen Nachschub. Am Ende scheint die zusätzliche Masse nicht zu stören, keine Warnlichter gehen auf und diese Trägheitsmasse scheint kein Besorgniserregendes Moment zu sein.    

Stilistisch hat David Gerrold anscheinend ein schlechtes Gewissen, einen Abenteuerroman zu schreiben. Immerhin wenn die Bestie auftaucht, wird der gestelzte Stil – das gilt auch für die Originalausgabe – noch künstlicher, noch beschwörender, so dass der Leser immer klar vor Augen hat, er liest einen Roman und ist nicht mitten in der Story. David Gerrold hat trotz aller Bemühungen sein Epos vom bestialischen Tod deutlich in den Sand gesetzt. Einige Szenen sind spannend und ohne Frage interessant geschrieben, aber mangels überzeugender und sympathischer Charaktere ist der Leser schnell auf der Seite der Bestie, in deren Reich der Mensch ohne Erlaubnis und nur zum eigenen sadistischen Vergnügen eingedrungen ist. Und damit reiht sich der Roman in eine Reihe von Tierhorrorgeschichten ein, in denen das Tier der bessere Mensch ist. 

Die Bestie: Roman

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 1342 KB
  • Verlag: Heyne Verlag (26. März 2018)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B07BFWMR3N