Das utopisch-phantastische Leihbuch nach 1945

Jörg Weigand

Mit „Das utopisch- phantastische Leihbuch nach 1945“ schließen Jörg Weigand und Dieter von Reeken eine wichtige Datenlücke. Das Buch muss abgesehen vom kurzen und prägnanten Vorwort als reine Ergänzung zu einer Reihe bestehender Veröffentlichungen gesehen werden. Als Einführung in die generelle Materie sind Heinz J. Galles „Volksbücher und Heftromane“ zu sehen,. Jörg Weigand erarbeitet in seiner Veröffentlichung „Träume auf dickem Papier“ den speziellen Bereich des Leihbuchs allerdings genreübergreifend. Das Buch ist inzwischen in der zweiten überarbeiteten Auflage im Verlag Nomos erhältlich und gibt einen guten Überblick.
In seinem autobiographischen Essayband „Abenteuer Unterhaltung“ ist Jörg Weigand weniger auf die Geschichte des Leihbuch – es gibt das Kapitel „Das Leihbuch- ein besonderer Fall“ eingegangen, sondern hat über zahlreiche Autoren geschrieben, die mit Leihbüchern nicht nur ihre ersten Sporen verdient haben.
Als letzte Ergänzung ist der vorliegend reichhaltige bebilderte Band noch zu Achim Havemanns Taschenbuchkatalog zu sehen. Viele der Leihbücher sind wie bei Jörg Weigand auch teilweise aufgeführt als Taschenbücher oder Heftroman neu erschienen. Insbesondere der Pabel- Verlag hat sich in den achtziger Jahren mit den Reihen von Scheer, Darlton, den van Holk „Sun Koh“ Bänden oder den Rohrbüchern eine besondere Duftmarke für die nächste Lesergeneration gesetzt.
In seinem Vorwort geht Jörg Weigand davon aus, dass die Leser zumindest Grundkenntnisse über Leihbücher, ihre besondere Vertriebsform und ihre Geschichte haben. Daher fasst er die wichtigsten Aspekte in nur wenigen Sätzen zusammen.
In erster Linie geht es Jörg Weigand darum, eine Datenbank zu liefern, an welcher sich interessierte Leser, aber vielleicht auch Sammler orientieren können. Dazu muss der Autor erst einmal abgrenzen. Nicht jedes in Leihbüchern vorhandene Buch ist unbedingt ein Leihbuch. Einzelne Verlage haben für die Zielgruppen unterschiedliche Ausgaben gedruckt und zählen deswegen in den Kreis, während zum Beispiel die ersten Goldman Hardcover nicht unbedingt aufgenommen werden konnten. Auch richteten sich Leihbüchereien an ein eher erwachsenes Publikum. Utopische Jugendbücher fanden keinen Eingang in diese besonderen Vermietungshallen, obwohl man immer wieder von Jugendlichen liest, deren erste Begegnung mit der Science Fiction eben in den inzwischen ausgestorbenen Leihbüchereien stattgefunden hat. Damit grenzt Jörg Weigand auch die klassische Leihbücherei von den öffentlichen meistens von den Gemeinden oder Städten betriebenen Büchereien ab.
Die Stellung des Leihbuchs im Nachkriegsdeutschland ist wahrscheinlich weniger untersucht worden als das Phänomen des Heftromans als Nachfolger der Kolportageabenteuer. Viele Informationen erhält der Leser vor allem unabhängig vom Genre in Jörg Weigands „Träume auf dickem Papier“.
In der Folge werden die ihm bekannten Leihbücher alphabetisch nach den Autorennamen aufgelistet. Bei Reihen wie Perry Rhodan oder Sun Koh finden sich die einzelnen Titel entweder sehr einfach unter dem Autorennamen wie Freder van Holk oder bei Perry Rhodan als ein Block unter dem Namen des Protagonisten.
Es gibt neben den technischen Daten (Titel, Autorenname, ggfs. Bürgerlicher Name, Originaltitel und Übersetzer) auch Hinweise auf frühere Ausgaben bzw. Neuauflagen, wobei Jörg Weigand hier Wert darauf legt, dass die ursprüngliche Leihbuchübersetzung die Grundlage der Neuauflage bilden muss. Bei einer vollständigen neuen Übersetzung gibt es keinen Verweis mehr, was die Übersichtlichkeit vor allem angesichts der Tatsache, dass nicht selten auch neue Titel für die vorhandenen Ausgaben ausgewählt worden sind, eher erschwert als erleichtert. Ein Verweis auf eine gänzlich neue Auflage hätte die Datenbank bereichert.
Am Ende jedes Buchstaben finden sich qualitativ überzeugende Nachdrucke der Titelbilder. Dazu kommen auf den Innenseiten des handlichen Paperbacks weitere in Farbe gehaltene Abdrucke. Dabei lässt sich eine Reihe "Fantasy Crime" entdecken. Erstaunlich ist, dass der amerikanische Begriff der Fantasy im Leihbuch viel früher als in dem eigentlichen Subgenre mit der "Terra Fantasy" Einzug gehalten hat. Auch wenn die sich hinter dieser Reihe versteckenden Romane wahrscheinlich wenig mit der Sword & Sorcery Thematik der Pabel Taschenbuchreihe zu tun hatten. 
Auch wenn durch den Datenschwerpunkt das Buch vor allem Komplettsammler oder Bibliothekare ansprechen wird, ist es eine wichtige Ergänzung hinsichtlich der deutschsprachigen Science Fiction Geschichte. Herausgeber und Autor gebührt ein Dank für die minutiöse Arbeit und die überdurchschnittliche Präsentation der vielen literarischen feuchten Jugendträume.

Das utopisch-phantastische Leihbuch nach 1945
Originalausgaben und Publikationsgeschichte. Eine Bestandsaufnahme 1946–1976
Klappenbroschur, 303 Seiten, über 1650 Eintragungen, 241 Abb., Literaturhinweise
20,00 € — ISBN 978-3-945807-47-7

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