Revanche!

Franz Rottensteiner

Franz Rottensteiners „Revanche“ ist eine Art Fortsetzung zu seiner Studie „Zukunftskriege in der Science Fiction 1871- 1918“. Wie der Autor in seinem Vorwort erläutert, ist die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen von 1919 bis 1938 schwieriger zu greifen.
Der Titel „Revanche“ bezieht sich auf die Dolchstoßlegende, das Diktat des Versailler Vertrags und schließlich auch die allerdings schon länger währende Wut auf die „siegreichen“ Franzosen. Romane, in denen die Erzfeinde schließlich bezwungen werden, bilden aber nur ein Teil des vorgestellten Spektrums.
Die Einleitung von Franz Rottensteiner fasst pointiert, aber kompakt die wichtigsten grundlegenden Themen bis zum allerdings bei den ausgewählten Werken nicht dominierenden, aber erkennbaren Wunsch nach einem neuen starken Mann kurz und sachlich zusammen. Einzelne Bücher werden vorgestellt.
Hier grenzte der Autor mit dem Verweis auf das Vorhandensein einer militärischen Auseinandersetzung nicht selten mit den Feinden von gestern, aber auch wie bei Hans Dominik mit der gelben Gefahr von Osten bis hin zum Wirtschaftskrieg die vorgestellten Bücher von anderen Arbeiten ab. Während Bürgerkriege kaum ein Thema sind, dient die Idee der nationalen Erhebung des vor allem deutschen Volkes gegen die „Unterdrücker“ als Ausgangsbasis einer an Stärke immer mehr zunehmenden Bewegung, deren Ende oder besser Nachwehen dem Leser dann wieder vorenthalten werden.
Anschließend teilt sich der Text auf insgesamt fünf Bereiche auf. Noch stärker als in der ersten Sammlung sind pazifistische Themen oder echte Antikriegsromane Mangelware. Drei Beispiele werden fast als Anhang vorgestellt.
Eingeleitet wird die Sammlung durch das Thema „Krieg allgemein“. Anschließend folgt als breitester Block „Revanche!“; „Rassenkrieg“ nicht unbedingt als Vorbereitung auf das dritte Reich, sondern viel genereller gefasst und die Idee, „Frieden mit Gewalt erzwingen“ zu wollen. Franz Rottensteiner weist darauf hin, dass es keine umfassende Studie des Themas ist und es ihm auch nicht möglich gewesen ist, alle Romane, Kurzgeschichten oder sich hinter dem Alibi des Sachbuchs versteckenden Texte gelesen zu haben.
In jedem Kapitel werden die einzelnen Bücher – so weit vorhanden – nicht nur mit einem Nachdruck des Titelbildes eingeleitet, sondern einigen wenigen Informationen zum Autoren. Es folgt anschließend eine relativ lange, teilweise von umfangreichen Zitaten begleitete Zusammenfassung des Inhalts und abschließend ein kurzer Kommentar.
Der Leser kann sich einen ersten Eindruck vom Buch machen. Die inhaltliche Zusammenfassung ist meistens neutral geschrieben worden, nur bei einigen wenigen Büchern kommentiert Franz Rottensteiner das Geschehen noch innerhalb dieses Bereiches. Die Kritik am Ende ist nicht immer sachlich. Es ist schwer, bei einigen der rassistischen oder militaristischen Exzesse distanziert und „neutral“ in der Position des Kritikers zu verharren und entsprechend argumentativ den eigenen Standpunkt zu präsentieren. Schon in „Zukunftskriege“ ging Franz Rottensteiner mit den Objekten seiner Rezensionen despektierlich um.
Die verbal kritischen Entgleisungen finden sich bei den hier gesammelten Rezensionen weniger häufig, aber weiterhin fehlen Hintergrundinformationen. Es ist nicht immer einfach, über jeden einzelnen der hier besprochenen Autoren und ihre einzelnen Werke Hintergrundinformationen zu sammeln und den Rezensionen beizufügen, aber insbesondere abgesehen vom bekannten Hans Dominik bei Schriftstellern oder besser Massenunterhaltungsautoren wie Stanislaus Bialkowski oder Kalr August von Laffert – beide Autoren sind mit jeweils drei Werken, aufgeteilt in zwei Abschnitte vertreten – wäre es hilfreicher, den bekannten und ein wenig stereotypen Rahmen der Rezensionen zu sprengen und über den Horizont des jeweiligen Buches hinwegzuschauen und die Autoren besser vorzustellen.
„Revanche“ ist wie „Zukunftskriege“ eher eine Sammlung von Buchbesprechungen als ein kritischer, wenn auch unvollständiger Blick in die jeweiligen Subgenres. Rote Fäden hat Franz Rottensteiner wie angesprochen vor allem in den lesenswerten Vorwörtern zusammengefasst.
Schade ist, dass der Autor ein wichtiges Thema in seinem Vorwort mit einem möglichen Einfluss der Science Fiction in der Weimarer Zeit auf die politische Entwicklung des Landes nicht weiter fortführt. Natürlich ist es schwierig, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, da viele Quellen nicht mehr zugänglich sind. Der Autor verweist auf Fischer, der davon spricht, dass die Trivialliteratur weniger die „formende Kraft der öffentlichen Meinung und der Zukunft als ein Indikator ist“, sondern widerspiegelt, „was große Teile der Bevölkerung empfinden“ und deswegen auch kaufen. Denn ohne Frage kann diese Art von „Unterhaltung“ nur in der Breite existieren, wenn sich auch ein entsprechender Markt findet. Franz Rottensteiner ist der Ansicht, dass viele Bücher und Broschüren oder massenhaft verbreitet worden sind oder nur in kleinen Auflagen bei obskuren Verlagen erschienen sind. Die Ambivalenz dieser Punkte zeigt und unterstreicht eine gewisse Unentschlossenheit des Autoren zumindest in der Sammlung der Buchkritiken, über das einzelne besprochene „Objekt der Kritik“ hinauszuschauen und Gesamtzusammenhänge herzustellen.
Heinz J. Galle stand bei seinen „Sun Koh“ und „Jan Mayen“ Anhängen genau wie seinen drei Sammelbänden zur Geschichte der „Volksbücher und Heftromane“ vor ähnlichen Schwierigkeiten. Er hat sich aber auf einzelne Aspekte konzentriert und diese nachhaltiger herausgearbeitet als es leider Franz Rottensteiner gelungen ist.
Unabhängig von dieser Schwäche hervorgerufen durch die Sammlung von Rezensionen und weniger der Erweiterung der einzelnen Besprechungen zu einem Essay wird dieser Band wie „Zukunftskriege“ interessierte passive Sammler ansprechen, die gerne einen kompakten Überblick über dieses Sujets haben möchte, ohne sich durch Dutzende von schlechten oder propagandistischen Werken quälen zu müssen. Neben den zahlreichen – auf den Innendeckeln des Umschlags auch in Farbe – wiedergegebenen Titelbildern hilft dieses kleine Bändchen, schnell auf einzelne Bücher zurückgreifen zu können und ein wenig oberflächlich wichtige Informationen zu erhalten.
Wie bei „Zukunftskriege“ ist allerdings Franz Rottensteiners Einleitung lesenswert, fundiert geschrieben und präsentiert die „Tiefe“, die man sich im weiteren Verlaufe des Buches an anderen, wichtigen Stellen gewünscht hätte.

Zukunftskrieg und Wiederaufstieg zu alter Macht im deutschsprachigen Zukunftsroman der Zwischenkriegszeit (1919–1938).
Eine Fortsetzung von Zukunftskriege in der SF (siehe oben).
Klappenbroschur,  230 S., 55 Abb., Literaturverzeichnis.
17,50 € — ISBN 978-3-945807-46-0

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