Die Föderation

James White

Der irische Science Fiction Autor James White ist vor allem wegen  seiner Romane um die Weltraummediziner bekannt, welche der Heyne Verlag in den neunziger Jahren komplett noch einmal ungekürzt aufgelegt hat. Auch wenn der aus dem Jahr 1988 stammende Episodenband „Die Förderation“ das Potential für eine zweite qualitativ gleichwertige Serie in sich getragen hat, hat James White nicht mehr als die drei in diesem Buch zu einem Roman verbundenen Novellen verfasst.

 Eine der drei Geschichten hat Hans Joachim Alpers in seiner im Meowig Verlag veröffentlichten „Analog“ Kurzgeschichtenreihe separat publiziert.  „Die Geißel“ ist aber nur der zweite Text dieser Sammlung. „Federation World“ eröffnet schon acht Jahre vor der Buchveröffentlichung den Reigen und führt sowohl die grundlegende Prämisse als auch die beiden menschlichen Charaktere ein, während „Something of Value“ 1985 den kurzlebigen Zyklus abschließt. Die Pointe mit einer neuen, sehr viel schwierigeren Aufgabe bleibt damit offen.

 Die „Föderation“ ist eine galaxisweite, aber auch geheimnisvolle Organisation, welche auf einer Dysonsphäre lebt. Sie besteht aus unzähligen biologischen, aber auch elektronischen Intelligenzen. Im Laufe der Geschichte bietet James White den verschiedenen Kulturen aber zwei Möglichkeiten an. Einmal die Auswanderung zu neuen jungfräulichen Welten, aber auch die Möglichkeit, sich innerhalb der gigantischen Dysonsphäre in einer der zahllosen ungenutzten Flächen nieder zu lassen. Das Ziel der Föderation ist es, heranwachsende möglicherweise intelligente Rassen auf verschiedenen Welten zu prüfen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich als Gesamtheit oder bzgl. einzelner geprüfter Individuen der Förderation anzuschließen. Dazu finden sich auf den in Frage kommenden Welten unzählige Testcenter, in denen sich die Wesen auf eine relativ simple Multiple Choice Art testen lassen können. Allerdings werden in diese stetig sich weiterentwickelnde Gemeinschaft grundsätzlich friedfertige oder auf dem Weg dahin befindliche Rassen aufgenommen, die alle Aggressionen ablegen müssen. Im Notfall verfügt die Föderation über ausreichende Möglichkeiten, um den Frieden aktiv durchzudrücken. Allerdings nur, wenn die Rassen die Aufnahmebedingungen hinter sich haben.

 Auch auf der Erde befinden sich diese Prüfungsstationen, wobei Martin und Beth sich in einem dieser Textzentren treffen. Während Beth entschlossen ist, sich der Föderation anzuschließen, ist Martin eher ein wankelmütiger Taugenichts, der sich aus Langeweile testen lassen möchte.

 In der Eingangsphase des Romans konzentriert sich James White vor allem auf Martin, der mit seinem Hadern und seinen Zweifeln im Grunde das ideale Testobjekt auch für den Leser ist. Fast zu geduldig erklärt der anonyme Computer der Förderation die Absichten dieser Gemeinschaft. Martin hat allerdings auch Angst, abgelehnt zu werden. Am Ende werden Martin und Beth aus unterschiedlichen Motiven nicht nur aufgenommen, ihnen wird angeboten, Kontaktler zu werden, welche die neu entdeckten Welten auf die ersten Schritte in Richtung Föderation entweder vorbereiten sollen oder bei denen Martin/ Beth feststellen müssen, ob das vorhandene Leben überhaupt die Eingangsvoraussetzungen von Intelligenz und Eigenständigkeit erfüllt.

 Im Laufe des Romans werden drei Missionen beschrieben. Die erste ist gleich an die kurz und sehr kompakt beschriebene Ausbildung, in denen Martin und Beth nicht nur ein Team bilden, sondern als Bodentruppe Martin und Schiffskommandantin Beth ihre neuen Aufgaben erhalten. Auf der ersten Welt mit einem Feudelsystem hat Martin die Schwierigkeit, über die Sklaven mit den Herren Kontakt aufzunehmen. Das trifft er auf ein politisches System, das ihm grundsätzlich nicht behagt, dessen Ordnung er aber auch nicht durcheinander bringen darf.

 Die zweite Geschichte mit einer Rasse, die nur über ein Sinnesorgan verfügt, ist angelehnt an seine „Weltraummediziner“ Serie, in denen die Menschen lernen müssen, die Fremden zu verstehen, während die Fremden auf eine unorthodoxe Art und Weise menschlich handeln. Es ist vielleicht aus humanistischer Sicht die beste Geschichte dieser Sammlung, denn Ruhe, Toleranz und vor allem Offenheit ermöglichen es den einzelnen Wesen, die eigenen Vorurteile zu überwinden und schließlich Kontakt herzustellen. Es ist erstaunlich, welche weiten Wege Martin geht und wie er sich in die Aufgaben kniet, obwohl er anfänglich durchaus als kritischer zynischer Geist dargestellt wird.

 Natürlich macht es sich James White in einem entscheidenden Punkt auch sehr einfach. Seine Föderation ist zu gut. Zu tolerant, zu überlegen, die guten Seiten der Völker assimilierend, keine Gewalt und vor allem keine Drohungen. Wer nicht reif oder willig genug ist, bleibt im Grunde „draußen“, wird beobachtet und kann es später noch einmal versuchen.

 Die Einblicke in die alltäglichen Strukturen der Förderation sind subjektiv und teilweise rudimentär, so dass sich ein aufgeschlossener Leser auch ein wenig manipuliert fühlen könnte. Politisch wird es in der letzten Geschichte. Martin und Beth sollen eine Welt überprüfen, auf welcher es die Testzentren schon gibt, die humanoiden Wesen aber keinen Gebrauch von ihnen machen. Ein Diktator möchte das verhindern. Das Spektrum der Geschichte ist ausgesprochen breit. Von einem ehemaligen Atomkrieg über die versteckten Waffen bis zu einem Anschlag auf Martin und eine humanitäre Katastrophe spielt James White alle Karten aus. Hinzu kommt ein paranoider psychopathischer Diktator, der mit Atomwaffen spielt und dabei den Untergang der eigenen Welt einleitet. Die Rettung soll dann ihm zugeschrieben werden, obwohl er die Katastrophe ausgelöst hat. Zumindest zeichnet James White diese Figur nicht zu sehr schwarz und weiß. Lange Zeit unterstützt der Erste mit einer Mischung aus Autorität und Druck die Rettungsaktionen, obwohl der zwischen den Zeilen lesende stille Beobachter ahnt, dass Martin sich nicht von dem Diktator erpressen und die einzige, dem Buchstaben seines Versprechens entsprechende „Lösung“ für dessen Vasallen bereit hält.

 In dieser Hinsicht enttäuscht der Text vielleicht, aber alleine die zahllosen Anspielungen auf die leider zeitlose Politik von Machtmissbrauch und Unterdrückung lassen den Zeit aktueller denn je erscheinen. Wie in seinen anderen Bücher ist James White ein Mensch, der Gewalt gegen Gewalt nicht akzeptiert und lieber auf „clevere“ Lösungen setzt, um die Machthaber auszutricksen und das eigene Gesicht zu wahren. Alleine dieser Aspekt seines Werkes macht eine Wiederentdeckung nicht nur empfehlenswert, sondern im Grunde notwendig.

 Martin und Beth sind solide gezeichnet. Auch wenn sie romantische Gefühle füreinander hegen, beschreibt James White an keiner Stelle, dass sie expliziert ein Paar werden. Sie sind ein gutes Team, wobei Martin eher das Herz und Beth der im Raumschiff verweilende Verstand ist. Sie ergänzen sich gut. Allerdings ist Martin aktionstechnisch das dominierende Element und vertraut eher seinen Instinkten als den klassischen Regeln. Auch in dieser Hinsicht ist Martin ist typischer James White Vertreter, dessen Figuren für ein gutes Ziel Mühsal und auch notfalls Bestrafung in Kauf nehmen. Wichtig ist immer, dass sie mit ihrem Gewissen im Reinen sind.

 Wer sich gerne mit James White Werk auseinandersetzen möchte, macht mit diesem Spätwerk voller Altersweisheit, geschrieben in einem stringenten, ernsthaften Tonfall nichts verkehrt. Es gibt einen guten und durch die Fugenstruktur auch umfassenden Einblick in das Werk des populären britischen Autoren und Fans auf Lebenszeit, der respektvoll sich in den Bahnen des Genres bewegt und doch eine eigene Nische sich erschrieben hat.

Die Föderation

  • Broschiert: 400 Seiten
  • Verlag: Heyne; Auflage: DEA (November 1993)
  • ISBN-10: 3453050134
  • ISBN-13: 978-3453050136