Sherlock Holmes und das Urumi- Schwert

Klaus-Peter Walter

Klaus- Peter Walter hat in „Sherlock Holmes und das Urumi- Schwert“ zwei neue Texte aus der Feder Uwe Neumann und seiner selbst, sowie einen zusammenfassenden Nachdruck aus einem seiner Roman in Kombination mit zum ersten Mal nachgedruckten Hörspiel zusammengestellt.

 Uwe Neumann eröffnet die Sammlung mit „Sherlock Holmes und das Rätsel der Schildkrötensuppe“. Sherlock Holmes und Doktor Watson werden am Abend eines Empfangs einer Jagdgesellschaft um Hilfe gebeten. In der Nähe wird eine Frau beschuldigt, ihren Mann vergiftet zu haben. Watson und Holmes begutachten den Schauplatz. Natürlich sprechen neben einigen Indizien auch die Zeugenaussagen für ihre Schuld. Sherlock Holmes ist davon nicht überzeugt.

 Der Beginn ist ein klassischer Holmes. Uwe Neumann hat die Figuren auch gut im Griff, erschafft eine interessante Atmosphäre natürlich in einem der alten feuchten Gemäuer, welche der Adel so schätzte. Ab der Mitte der Geschichte bricht der Plot zeitweilig auseinander. Es erscheint unwahrscheinlich, das Sherlock Holmes spektakulär, aber nicht mit der Figur übereinstimmend sechs Monate bis zum Prozess wartet, um die Unschuld der Frau zu beweisen. Hätte der Detektiv erst kurz vor der Verhandlung ein solches Beweisstück sichergestellt, wäre das nachvollziehbar gewesen.

 Eine weitere Frage stellt sich hinsichtlich der Aufklärung der Tat. Sherlock Holmes ist entweder ein scharfer Beobachter oder er stellt den potentiellen Tätern eine Falle, in welcher sie sich fangen. In diesem Fall „lügt“ er vor Gericht und präsentiert „falsche“ Beweise, um die Täter aus der Reserve zu locken. Das wirkt nicht professionell genug und eher bemüht.

 Klaus Peter Walters „Sherlock Holmes und das Urumi- Schwert“ ist knappe zwei Jahre vorher in zwei Hälften geteilt in seinem Roman „Sherlock Holmes, Sissi und das Erbe Karl Marx publiziert worden. Sherlock Holmes wird an den Fundort einer Leiche gerufen. Es handelt sich um eine attraktive nackte Frau, die anscheinend von einem seltenen Urumi- Schwert gefoltert worden ist. Abschließend fügen sich durch den Besuch einer Freundin die einzelnen Versatzstücke sehr schnell zusammen. Der Fundort der Leiche ist augenblicklich eruiert worden, als Täter und sein Auftraggeber kommt auch nur jeweils ein Mann in Frage. Die literarischen Anspielungen gegen Ende dieser stringenten Geschichte sind interessanter als die Plotentwicklung, zumal Doktor Watson angesichts des sehr modernen Lebensstils der jungen Damen nicht einmal eine Augenbraue rümpft.

 Unterstellt man, dass die Geschichte in den Rahmen des Romans eingepasst in doppelter Hinsicht von Doktor Watson erzählt wird, erscheint diese „Neutralität“ vielleicht noch nachvollziehbar, als allein stehender Text wirkt der Zugriff auf die Figur Doktor Watsons durch den Autoren eher oberflächlich.

 Dabei beinhaltet der Plot sehr viel Potential. Der Autor hätte sich die Mühe machen können und vor allem sollen, den zu kurzen Text sorgfältig zu überarbeiten, die Spannungskurve zu erweitern und die Kurzgeschichte als eigenständige Novelle präsentieren sollen. Viele Informationen gehen in dieser kompakten Form unter und es ist schade, um die sorgfältig gezeichneten Nebenfiguren – das gilt für die aufgefundene Tote wie ihre Freundin -, die förmlich aufgrund des Tempos untergehen.

 „Sherlock Holmes und die bewegten Bilder“ ist von der Ausgangsprämisse her die beste Geschichte dieser kleinen Sammlung. Anscheinend verkörpert jemand den Detektiv in anrüchigen Filmen. Gleichzeitig hat ein Unbekannter in Sherlock Holmes Verkleidung ein Honorar von einem potentiellen Klienten kassiert, ohne das er der berühmte Detektiv ist.

 Der empörte Doktor Watson geht mit dem aus seinem Ruhestand zurückgekehrten Sherlock Holmes auf die Jagd nach einem oder zwei Verbrechern. Amüsant ist, wie empfindlich Doktor Watson auf jegliche Rufschädigung seines Freundes reagiert, während dieser eher amüsiert dem Treiben vor allem auch auf der Leinwand folgt. Lippenlesen ist wichtiger als Fleischbeschau.

 Die eigentliche Ermittlung erfolgt nach einem bekannten, aber nicht unbedingt mit den Originalen übereinstimmenden Muster. Sowohl in dieser Geschichte wie auch dem vorangegangenen Text wird ein ungarischer Sammlung menschlicher Grausamkeiten befragt. Dieser kann in beiden Fällen nicht die Lösung präsentieren, aber die Richtung vorgeben. Anschließend wird relativ schnell und stringent ein potentieller Verdächtiger gestellt.

 In „Sherlock Holmes und die bewegten Bilder“ kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Anstatt den „Täter“ zu bestrafen, beauftragt ihn Sherlock Holmes mit einer besonderen Mission. Angesichts des Gefahrenpotentials und vor allem auch dem mittelbaren Schaden erscheint es zweifelhaft, dass Sherlock Holmes wirklich so vorgehen würde. Aber Klaus- Peter Walter braucht diese Idee für eine Art Feuerwerkseffekt gegen Ende seiner Kurzgeschichten.

 Die Konfrontation der bewegten Bilder mit dem Meisterdetektiv bürgt eigentlich noch mehr Potential. Nicht nur in kriminalistischer Hinsicht, sondern auch als humorvoller Hinsicht. Interessant oder eher verstörend ist, dass Sherlock Holmes ja seit 1900 in Sherlock Holmes „Baffled“ das erste Mal auf der Leinwand aufgetreten ist. Anschließend in Filmreihen aus Dänemark ,Frankreich oder Deutschland. Wenigstens bei der ersten Verfilmung war Sherlock Holmes noch aktiv und nicht im Ruhestand. Daher verwundert Doktor Watsons Auftreten ein wenig. Er müsste zumindest mit der Unverfrorenheit der Filmproduzenten vertraut sein.

 Die letzte Geschichte ist wie eingangs erwähnt die Adaption eines Hörspiels. „Sherlock Holmes und das goldene Osterei“ ist eine kurzweilig zu lesende Geschichte, in welcher es keinen echten Fall, sondern die Schnitzeljagd einer empörten Gattin ist, die den Prototyp des Farbarge Eis versteckt hat. Hinzu kommt eine doppelte Rahmenhandlung, in welcher Sherlock Holmes einmal als Tierarzt aus der Ferne diagnostiziert und zum zweiten die beiden Männer sich gegenseitig zu Ostern besondere Eier schenken. Die Schnitzeljagd ist kurzweilig und würde wahrscheinlich im Fernsehen sogar besser wirken als ein Hörspiel.

 Der Fall ist nicht sonderlich kompliziert und der Leser erwartet gegen Ende eine überzeugendere Auflösung, aber der Weg dahin ist durch die Rätsel interessant gestaltet.

 Zusammengefasst präsentiert „Sherlock Holmes und das Urumi- Schwert“ vier solide, aber nicht unbedingt inspirierte Sherlock Holmes Geschichten. Klaus- Peter Walter wirkt als Autor immer noch ein wenig handlungstechnisch steif. Ihm fehlt Sherlock Holmes Esprit und in zwei von den drei Texten greift er zu kriminaltechnischen Mitteln, die Holmes wahrscheinlich unter der Arthur Conan Doyles Feder als zu simpel abgetan hätte. Es sind die kleinen Geplänkel zwischen den beiden Männern und die stimmige Atmosphäre viktorianischen Londons, welche die Texte leicht überdurchschnittlich erscheinen lassen. An einigen Stellen wünscht man sich, dass Klaus Peter Walter ein wenig mutiger, experimenteller und vor allem inhaltlich näher den Original stehend vorgegangen wäre, denn seine drei Texte sowie der Beitrag von Uwe Neumann haben auch erstaunliches Potential.

 Da eine Episode im Grunde ein kompletter Nachdruck ist, sollten sich Kenner des entsprechenden Romans überlegen, ob eine Neuinvestition lohnt.

Blitz- Verlag

www.blitz-verlag.de 

Taschenbuch, 194 Seiten

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