Die fliegenden Berge

Poul Anderson

Poul Anderson ist der einzige Autor, der in der kurzlaufenden Science Fiction Silberbändereihe des Pabel Verlags zwei veröffentlichungen aufweisen konnte. Neben "Geheimagent von Terra" auch den ursprünglich 1970 veröffentlichten aus Kurzgeschichten zusammengesetzten Fugenroman "Die fliegenden Berge". Generall ist das Buch auch dank der sich wiederholenden Einleitung vom Verlag und dann dem Autoren ein Kuriosum.  Anderson verweist mit dem Ich- Erzähler des Rahmens nicht nur auf das Pseudonym, unter dem bis auf drei exklusiv für die Sammlung geschriebene Texte die Kurzgeschichten vor allem im "Analog" publiziert worden sind, sondern auch auf einen Experten gleich Nachnamens, der mehrmals in seinem Roman "Zeit des Feuers" zitiert worden ist.  

 Poul Anderson hat die einzelnen Kurzgeschichten mit einer Rahmenhandlung verbunden und wie erwähnt drei Texte hinzugefügt Daher heißt der Band auch im Orirginal "Tales of the flying Mountains", denn damit wird nicht das gigantische von der Erde aus gestartete Generationenraumschiff betitelt, sondern die Asteroiden, welche die wirtschaftliche Grundlage für eine ganze Reihe von Abenteuern gebildet haben. 

 Ein demokratisch gewähltes Kommittee soll an Bord des zum nächsten Planeten fliegenden Raumschiffs für eine politische Ordnung basierend auf der amerikanischen verfassung sorgen. Neben der Verabschiedung einzelner Gesetze geht es auch darum, den nächsten Generationen auf diesem fast zweihundert Jahre dauernden Flug Geschichten/ Regeln und vor allem auch Erfahrungen von der Erde gleich in die schulische Wiege zu legen. Dazu werden entweder wichtige technische Evolutionssschritte noch einmal beschrieben oder persönliche Erlebnisse ausführlich beschrieben. 

 Die erste Geschichte "Nothing Suceeds Like Failure"konzentriert sich auf die Entwicklung eines besonderen Antriebs. Der Wissenschaftler möchte am liebsten nur forschen, obwohl er der Sohn eines einflussreichen Politikers ist. Diese im Grunde die Schwerkraft nutzende Antriebsart ermöglicht es erst den Menschen, die Ausbeutung der Asteroiden in Angriff zu nehmen und sich aus der Atmosphäre der Erde zu lösen.  James Blish ist bei seiner Tetraologie "Der fliegenden Städte" ähnlich vorgegangen. Zuerst hat er einzelne Reisen der gigantischen Städte beschrieben, bevor er in einem der nachgeschobenen Texte auf eine Technologie einging, die Poul Anderson nur ein wenig verfeinert für seinen eigenen Episodenroman adaptierte.

 Mit dem zweiten Text "The Rouge" beginnt Poul Anderson seine eigentliche Zukunftschronik, wobei der Autor die äußerlichen Herausforderungen einer Jahrhunderts umfassenden Reise ins All geschickt, wenn auch teilweise ein wenig belehrend mit im Grunde einer sozial politischen Reise in die inneren Strukturen einer zukunftsfähigen, isolierten und expansiven Gesellschaft verbindet.

 Poul Anderson hat die Geschichte nicht nur unter dem Titel "The Rouge", sondern auch als "Industrial Revolution" tituliert. Dabei hätte er den Zusatz zweite industrielle Revolution hinzufügen sollen, um den nächsten Schritt der Menschheit außerhalb der Erde besser dokumentieren zu können. 

 An dieser Geschichte lässt sich auch der rote Faden oder besser das grundlegende Muster ablesen, an denen sich Poul Anderson bei dieser Chronik orientiert. Seine Helden sind im Grunde typische ursprüngliche Amerikaner, welche den Frontiergedanken nicht nur zu den Asteroiden getragen haben, sondern die den auf der Erde zurückgebliebenen Politikern und ihren militärischen Handlangern sowie den Konglomeraten zeigen, aus welchem Holz echte Männer schnitzt sind.

Dabei spielt es keine Rolle, ob sie wie in „The Rouge“ mit einem Gegenbluff die eigene harte Arbeit retten müssen oder in „Say it with Flowers“ eine geheime Botschaft auf eine verblüffend originelle Art und Weise zwischen den Rebellen hin und her getragen wird. Dabei lassen sich die Militärs erstaunlich leicht täuschen.

 Während in „The Rouge“ es um das harte Pionierleben der ersten freischaffenden Siedler in den Asteroiden geht, nimmt „Ramble Witrh a Gambling Man“ den Faden wieder auf. Auch wenn einzelne Pioniere sich inzwischen auf einer soliden bis exzentrisch reichen Basis etabliert haben, strebt der Mensch immer weiter nach draußen. In dieser Geschichte wird die Idee der autarken Asteroiden als zukünftige Generationenraumschiffe etabliert. 

Wichtiger ist die Idee, wann die Asteroiden noch zur nordamerikanischen Union und damit der Erde gehören und wann nicht mehr. Wenn sie bewegt werden, könnten sie ihren Status verlieren. Und dann wären die Rohstoffe verloren.

Wie in allen anderen Geschichten versuchen die Rebellen die Erde mit Tatsachen zu brüskieren, die zwar gerichtlich angefochten werden können, aber da diese Prozesse Zeit und viel Geld kosten, ist es unwahrscheinlich, dass eine Seite diesen im Grunde juristisch auf Hoffen und Bangen basierenden Weg gehen will. In der Zwischenzeit schließen sich mehr und mehr Asteroiden der freien Union an und brüskieren die Erde. 

 Aber trotz aller Herausforderungen sind es vor allem Männer, die dort draußen ihren Mann stehen. In  Que Donn'rez Vous?“ droht das Schöpfschiff eines Piloten in der Jupiteratmosphäre zu verbrennen. Rettung kann nur durch drei andere Schiffe erfolgen. Lange Zeit wird diskutiert, ob es sinnvoll und vor allem kommerziell vertretbar ist, drei Männer und ihre Raumschiffe für einen Mann zu opfern. Aber Poul Anderson hat eine Rettung in letzter Minute basierend auf einer eher irdischen Methode im Köcher. Wieder sind es die Einzelnen, welche den Status Quo durchbrechen und mit ihrer Improvisationsgabe erfolgreich sind.

 Strategisch unglücklich erscheint es, das noch eine zweite Geschichte „Sunjammer“ von einer Katastrophe im All handelt. Zwar muss dieses Mal in einer konzertierten Aktion ein Behälter mit gefährlichen Giftstoffen aus der Nähe der Erde mittels einer Art Fangnetz geboren und in Sicherheit gebracht werden, aber einzelne Facetten der Geschichte kommen dem Leser eben aus der anderen Story schon bekannt vor.

 Erst in der letzten Kurzgeschichte tritt der Ich- Erzähler selbst auf. In „Recruiting Nation“ geht es um die potentielle zukünftige Besatzung des ersten Generationenraumschiffs, wobei Poul Anderson deutlich macht, das das Interesse bei den Gesetzten oder Vermögenden gering ist. Und die armen Schlucker wie damals bei der Auswanderung aus Europa in die USA. Hinzu kommt eine Gruppe von Saboteuren, die in die eigene Tasche wirtschaften.  

 Die größte Enttäuschung ist der Epilog. Schon vorher hatte sich abgezeichnet, dass das Verbinden einzelner Storys ab der Mitte des Buches auseinanderfällt und Poul Anderson nicht willig oder in der Lage gewesen ist, Verbundstücke neu zu verfassen. Die Wiederholung von dramaturgisch überzeugenden, aber wie gesagt bekannten Szenen ist ein Sinnbild. Auch das letzte Kapitel wirkt stark konstruiert. Die Grundidee ist dabei allerdings originell.

 Im Epilog stellen aber die Erzähler ihre immer in den Zwischenkapiteln ausführlich diskutierten Thesen auf den Kopf, in dem sie simpel sagen, dass die folgenden auf dem Raumschiff geborenen Generationen ihre eigenen Erfahrungen machen müssen. Nichts bleibt vom pathetisch patriotischen amerikanischen Geist zurück, der ja im Gegensatz zu den kapitalistisch geprägten Konflikten mit den Asteroidensiedlern zumindest den ersten Schritt ins All unternommen habe. Die Fortführung dieser aus Sicht Poul Andersons besten von allen schlechten Verfassungen in der Isolation eines Raumschiffs wäre eine sinnvolle Basis. Durch diesen  Verzicht, einen umfassenderen Epilog zu schreiben, nimmt der Autor der überzeugenden ersten Hälfte des Buches das Momentum und lässt den Leser ein wenig enttäuscht und verblüfft zurück.

 Auch wenn „Die fliegenden Berge“ erst 1970 erschienen ist, strömt der Geist der fünfziger und sechziger Jahre durch die Kurzgeschichten. Sie unterstreichen Poul Andersons Stärke als wissenschaftlich geprägter Hard Science Fiction Autor, aber auch seine Schwäche, keine dreidimensionalen Frauenfiguren entwickeln zu können. Wer gerne in das umfangreiche Werk des Amerikanern herein schauen möchte, macht mit diesem Fugenroman nicht viel falsch. Es dient aber eher der Breitendarstellung denn als Meisterwerk.

Die fliegenden Berge

Moewig Verlag

Hardcover 284