Die letzten Unsterblichen

Wilson Tucker

Wilson Tuckers Roman erschien ursprünglich im Jahr 1953 unter dem amerikanischen Titel „The Time Masters“. Für die ersten Originalneuauflage hat Wilson Tucker den Roman noch einmal grundlegend überarbeitet. Die erste deutsche Veröffentlichung erfolgt im Ullstein Verlag unter dem Titel „Die letzten der Unsterblichen“. Der Apex Verlag hat für die Neuausgabe die Erstveröffentlichung noch einmal überarbeitet.

Im Grunde  verraten die Klappentexte schon fast zu viel der Handlung.  Aus heutiger Sicht könnte ein Plot mit fast unsterblichen Außerirdischen, die vor mindestens zwölftausend Jahren auf der Erde strandeten und nicht nur versuchten, zu überleben, sondern auch zu ihrem Heimatplaneten im Tau Ceti System zurückzukehren, fast als Klischee betrachtet werden. Vor allem deutsche Leser werden an Perry Rhodans langjährigen Begleiter Atlan denken. In den USA arbeitete in den fünfziger Jahren Charles Beaumont an einem Drehbuch um einen unsterblichen Höhlenmenschen, das allerdings erst im 21. Jahrhundert als „Man of Earth“ realisiert worden ist.

„Die letzten Unsterblichen“ leidet vor allem unter einem extrem gedrängten Plot. Wilson Tucker unterminiert immer wieder seine eigene Spannungskurve, anstatt die gut gezeichneten Charaktere mit unterschiedlichen Erwartungen an die menschliche Welt agieren zu lassen.

Der Prolog zeigt auf, dass ein außerirdisches Raumschiff vor mindestens zehntausend Jahren außerhalb der Erdatmosphäre zerbrochen ist und von den dreihundert Besatzungsmitgliedern sich nur eine Handvoll retten konnten. Die meisten sind entweder ihren Verletzungen erlegen oder haben schließlich gefangen auf einer Welt mit unzureichenden Nahrungsmitteln und vor allem keinem schweren Wasser.

Die eigentliche Handlung beginnt mit dem Detektiv Gilbert Nash, der eher mehr schlecht als recht sein Leben fristet. Ein Wissenschaftler bittet ihn, nach seiner verschwundenen Frau zu suchen. Die Frau hat ihm förmlich sein Wissen ausgesaugt und als er nicht mehr an dem Raketenprogramm der USA weiterarbeiten konnte, hat sie ihn  verlassen. Anscheinend führte sie auch eine Doppelexistenz, denn sie zog sich auch schon während der Ehe manchmal für Monate zurück. Auffällig sind ihre gelben Augen gewesen.

Gilbert Nash hat auch gelbe Augen. Schon aufgrund der rudimentären  Angaben glaubt er, eine weitere  Überlebende des Raumschiffabsturzes nach Jahrtausenden gefunden zu haben. Nur wird kurze Zeit später ein weiterer Wissenschaftler aufgefunden, der nur auf den ersten Blick Selbstmord begangen hat.

Wilson Tucker wechselt immer wieder die Perspektive, konzentriert sich aber vor allem im mittleren Abschnitt auf Gilbert Nash. Die potentielle Unsterblichkeit – Nash hat sich der Erde so lange angepasst, das das Heilmittel schweres Wasser des 20. Jahrhunderts ihm nicht mehr helfen kann- hat sich eher als Fluch erwiesen. Nach einem Date beginnt er einer attraktiven Sekretärin aus seinem sehr langen Leben zu erzählen. Während des Showdowns fühlt er sich kurze Zeit in die Anfangszeit auf der Erde zurückversetzt.

Wie später Hans Kneifel mit seinem Atlan impliziert Tucker durch Nash, dass dieser eine Reihe von mystischen Legenden beeinflusst hat. Immer wieder zitiert Nash aus der Gilgamesch Saga, ohne konkret zu behaupten, dass er dieser Unsterbliche gewesen ist. Wie die Arche Noah, deren Bau anscheinend Nash mittelbar begleitet hat.

Diese melancholischen Szenen eines Mannes, der niemals eine echte Heimat finden und wie ein Getriebener durch die Jahrhunderte eilt, geben dem Roman ein zeitloses Flair.  Immer am Rande des Kitsches relativiert Wilson Tucker diese ruhigen Szenen, in dem er Nash eine vor allem für die fünfziger interessante Antagonistin gegenüber stellt, die einer Femme Fatale aus den Hardboiled Romanen entspricht.

Lange Zeit lernt der Leser sie nur dank der Beschreibungen von Männern kennen, die ihr intellektuell anfänglich überlegen sind, aber eine derartig attraktive wie sexuell aktive Frau gar nicht verdient haben. Als Ergänzung baut Wilson Tucker die Idee ein, dass diese Unsterblichen in einem Punkt auch wie Vampire sind. Mit einer Handberührung können sie in die Gedankenwelt der Menschen eindringen, Sex geht buchstäblich tiefer und bewirkt auch gegen den Willen der Opfer eine Art Wissenstransfer. Kein Wunder, dass diese wunderschöne, aber auch eiskalte Frau bald ihren jeweiligen Männern überlegen ist und sie loswerden möchte.

Immer wieder baut Wilson Tucker auch geschichtliche Ereignisse ein. Während Nash sich mit seinem Schicksal, auf der Erde irgendwann zu sterben, abgefunden hat, geht die andere in verschiedenen Identitäten lebende zweite Überlebende professioneller und entschlossener vor. Dabei reicht das Spektrum von ihrer Mitarbeit an den Forschungen der Nazis in Peenemünde bis zum Diebstahl von fünfzig Litern schweres Wasser, mit dem zwei französische Wissenschaftler in den Wirren des Zweiten Weltkriegs aus dem besetzten Frankreich nach Großbritannien geflohen sind.

In einem Punkt hat es Nash aber leicht, ihrer Spur zu folgen. Die Amerikaner bauen eine bemannte Weltraumrakete und da seine potentielle Widersacherin lange Zeit die Nähe zu den an den Grundlagen forschenden Wissenschaftlern gesucht hat, kann sie diesem Ort im Grund nicht widerstehen.

Der Leser lernt sie bis auf die finale Konfrontation ausschließlich aus der dritten Perspektive kennen. Wie Thora verachtet sie die primitiven Menschen und will nur noch nach Hause. Ihre Motivation lässt sich verstehen, ihre Vorgehensweise allerdings nicht. Auf der anderen Seite endet das Buch auch in dem Moment, in dem Nash nicht nur seinen Partnerin, sondern auch den Behörden mehr über sich Preis geben muss, während die letzte andere Unsterbliche im Grunde in ihrem Hochmut aus einem fast nichtig erscheinenden Grund zu „Fall“ kommt.

Der Roman zeichnet sich vor allem aufgrund seines zu geringen Umfanges durch ein hohes Tempo aus, das einige relevante Stellen überspringt. Auf jede der ruhigen, emotionalen Szenen folgt umgehend eine Art Spurt, um den Plot unnötig hektisch voranzutreiben. Auch wenn die grundlegende Handlung dem Leser nicht unvertraut ist und bei der Erstveröffentlichung im Gegensatz zur Neuauflage sicherlich interessanter erschienen ist, bietet ein guter Autor wie Wilson Tucker so unendlich viele Möglichkeiten dem Leser an, dass es frustrierend ist, nur die Ansätze, aber nicht die abschließend entwickelten Ideen kennenzulernen.

Im Gegensatz zu einigen humorvollen Geschichten aus Tuckers Feder mit entsprechenden Anspielungen auf das amerikanische Fandom sowie eine Reihe von Profiautoren ist der Tonfall der Geschichte deutlich ernster und der Autor hat grundsätzlich, allerdings ebenfalls nicht bis zum Ende konsequent entwickelt einen kriminalistischen Ansatz für seine Story gewählt. Den zynischen Ton der Hardboiled Romane trifft der Autor sowohl im Original wie auch der grundlegenden soliden Übersetzung des Ullsteinverlages allerdings nicht, so dass auch hier einiges an Wirkung verloren geht.

Trotz der unnötig hektischen Erzählstruktur umschifft Wilson Tucker mit seinem geradlinigen Garn allerdings auch eine Reihe von Klischees. Der Autor präsentiert nicht nur in der ersten Reihe, sondern auch durch die dreidimensional gezeichneten Nebenfiguren eine Art tragische mystische Heldensaga in die Gegenwart extrapoliert und konsequent abgeschlossen. Wie eine Reihe seiner anderen Romane ist „Die letzten Unsterblichen“ zu Unrecht von der Zeit vergessen worden und die Neuauflage im Rahmen der „Galaxis Science Fiction“ Reihe mindestens einen Blick wert.

GALAXIS SCIENCE FICTION, Band 24: DIE LETZTEN UNSTERBLICHEN: Geschichten aus der Welt von Morgen - wie man sie sich gester...

  • Dateigröße : 1577 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe : 176 Seiten
  • Word Wise : Nicht aktiviert
  • Herausgeber : Apex Verlag
  • Text-to-Speech (Vorlesemodus) : Nicht aktiviert
  • Screenreader : Unterstützt
  • Verbesserter Schriftsatz : Aktiviert
  • X-Ray : Nicht aktiviert
  • ASIN : B086V9QDK4
  • Sprache: : Deutsch