Im Tal der Herba Juvenilis

Axel J. Halbach

„Im Tal der Herba Juvenilis“ ist nach „Auf dem Weg zu Halef“ der zweite, diesen Handlungsbogen abschließende Roman. Es ist wichtig, den ersten Teil gelesen zu haben. Die Aufteilung der ursprünglich im Eigenverlag von Axel J. Halbach publizierten Geschichte macht die Besonderheit des Plots deutlicher. Im zweiten Abschnitt gibt es keine klassische Konfrontation mit den obligatorischen Schurken, die vergeblich in Hinterhalten auf die Helden lauern, sondern die Begegnung mit zwei sehr unterschiedlichen Menschen.

Da wäre in einem abgeschiedenen Tal ein Eremit, der sich von seinen Tieren schützen lässt. Dieser Einsiedler scheint über eine Art drittes Auge zu verfügen, mit dem er latent und kryptisch in die Zukunft schauen kann. Diese Begegnung dominiert den ersten Teil der Geschichte. Am Ende im Tal der seltenen Pflanze begegnet das kleine Team einem unfreiwilligen Opfer dieses ambivalent beschriebenen Objektes.

Mit dieser zweiten Begegnung beginnt kurzzeitig der mystische Teil der Geschichte. Kara Ben Nemsi muss sich einem Zweikampf stellen, den er natürlich nicht nur gewinnt, sondern sein edles Wesen ausdrückt und dem Unterlegenen nicht nur das Notwendigste zur Verfügung stellt, sondern Aussicht aus Rettung bringt.

Sir David Lindsay und Hadschi Halef Omar agieren so wie immer. Mit einer bestechenden Naivität und vor allem in Form des Engländers dessen Versprechen aus dem ersten Teil ignorierend setzen sich die Beiden von der Gruppe nachts ab und werden durch ihren Fund betraft. Die Szenen wirken eher wie aus den schwächeren Bänden der Karl May Reihe „Magischer Orient“ übertragen, auch wenn  Axel. J. Halbach einige Jahre vor dieser Reihe schon über die Wunder des Orients geschrieben hat.

Die Auswirkungen der Pflanze wirken eher wie eine groteske Parodie auf Alice im Wunderland. Durch Hadschi Halef Omars und Sir David Lindsays Schicksal ist der Autor allerdings gezwungen, diesen Handlungsbogen bis zum bitteren Ende fortzuführen und dadurch auch abzuschließen. Die Auflösung wird in erster Linie von den Wundern der Natur bestimmt, wobei der Autor einige Konstruktionen bewerkstelligen muss.  Zumindest bekommt jetzt der vom britischen Museum ausgesandte und das Team begleitende Pflanzenforscher ein wenig zu tun. Seine radikale Lösung auch zum Wohle des britischen Empire wird von Kara Ben Nemsi eher klaglos mitgetragen.

Hintergründe zu dieser seltenen Pflanze werden nicht mehr nachgereicht.

Trotzdem liest sich „Im Tal der Herba Juvenilis“ bis auf die ein wenig grotesken und damit unnötig komischen, aber nicht spannenden körperlichen Exzesse ausgesprochen flott. Der Fokus liegt noch stärker auf Land und Leuten, wobei die manchmal zu eindimensionalen Schurken nicht vermisst werden. Die Charakterisierung der beiden jeweils in ihren Tälern lebenden Menschen ist gut, deren Hintergründe werden überzeugend erläutert.

Das Finale liegt nicht in Kara Ben Nemsis Händen, sondern des Wissenschaftlers. Auch das ist eine gute Variation manchmal zu stereotyper Plotverläufe.

Zusammengefasst überzeugt der Doppelband auch durch den stringenten Handlungsverlauf, die gute Mischung aus Action im ersten Teil und orientalischem Sense of Wonder in der zweiten Hälfte. Axel J. Halbach hat ein gutes Gespür für die Protagonisten. Er zollt Karl Mays Originalen Respekt, wobei er insbesondere bei Sir David Lindsay der Versuchung unterliegt, den reichen britischen Adligen eher zu parodieren als charakterlich zu extrapolieren.  Gleichzeitig modernisiert er die Protagonisten, nimmt  ihnen mehr die geschwungenen weitschweifigen Dialoge eines Karl Mays und lässt sie in einem angemessenen Verhältnis moderner miteinander sprechen. Nicht immer kann auf die blumenreiche Sprache verzichtet werden. Was wäre Hadschi Halef Omar ohne die Lobpreisungen seiner geduldigen Ehefrau?

Nach den ersten beiden teilweise zu komplizierten Sechsteilern hat der Blitz Verlag mit den Nachdrucken Halbachs eine auch qualitative Goldgrube aufgetan.  Die Originale sind antiquarisch so gut wie nicht erhältlich, verdienen aber die auch mit schönen Titelbildern ausgestatten Nachdrucke des Blitz Verlags allemal.

Kara Ben Nemsi - Neue Abenteuer 19: Im Tal der Herba Juvenilis von [H.W. Stein (Hrsg.)]

  • ASIN : B08KS7D4KF
  • Herausgeber : Blitz-Verlag (2. November 2020)
  • Sprache : Deutsch
  • Dateigröße : 1743 KB
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