Freiheit ohne Schranken

E.C. Tubb

Mit „Freiheit ohne Schranken“ und einem sehr schönen Titelbild von Timo Kümmel legt der Atlantis Verlag einen weiteren serienunabhängigen Roman von E.C. Tubb neu auf. Der Roman erschien im Original 1952 unter dem proklamatischen Titel „Atom War on Mars“. Die erste Übersetzung erfolgte 1955 als „Utopia Großband“ 29 unter dem Titel „Freiheit ohne Schranken“. 1985 erfolgte eine weitere Auflage im Rahmen der E.C. Tubb Taschenbuchreihe. Die erste Übersetzung von Walter Ernsting ist für die Neuauflage sorgfältig durchgesehen worden.

Der Roman zerfällt in zwei sehr unterschiedliche Teile. Da wäre unabhängig von der politischen Motivation die Haupthandlung. Der Roman erinnert in einigen Zügen eher an eine Art Flash Gordon Abenteuer mit dem Überhelden John Benson, dem verrückten wie genialen Wissenschaftler und seiner Tochter, in welche sich John Benson verliebt. Der Schurke ist lange Zeit der Diktator auf der Erde, bis sich neue Fronten aufbauen. Der Mars als exotischer von Menschen besiedelter Planet ist der Platz mit der „Freiheit ohne Schranken“.

John Bensons wird eines Morges von der Geheimpolizei entführt und wie ein Verbrecher behandelt. Er ist sich keiner Schuld bewusst. Der große Diktator weiht ihn wegen einer Geheimmission ein. Er soll im Straflager sich wegen der Ähnlichkeit zu seinem Sohn in das Vertrauen eines Erfinders schleichen und darauf aufpassen, dass dessen geheime Entwicklungen nicht in die Hand der Feinde fallen. In diesem Fall den Freiheitsliebenden Menschen auf dem Mars.

E.C. Tubb präsentiert den Handlungseinstieg mit einem hohen Tempo. John Benson ist ein glühender Anhänger des Diktators, der mit Disziplin und einer eisernen Hand die Erde regiert. Der Wissenschaftler agiert in seiner kleinen Kammer als Einzelkämpfer. Viele der von ihm gemachten Erfindungen werden angedeutet. Es sind ultimative Waffen und jetzt ein unglaublich kraftvoller antrieb, der quasi wie eine Art „Dose“ von außen ans Raumschiff geklebt werden kann. In den Behältern befindet sich ein komprimiertes Gas. Am technisch am meisten absurd ist ein Raumschiff, das in Kleinteilen im Labor versteckt worden ist. Als die Wachen eine Verschwörung wittern und den Wissenschaftlern aus seinem von ihm verbarrikadierten Labor holen wollen, lässt er das Kleinraumschiff zusammensetzen; die mehrere Meter hohe Eisschicht schmelzen und gemeinsam fliehen sie.

Der ganze Spannungsbogen endet schließlich auf einer einsamen Insel. Der mitgeflohene Mann entpuppt sich tatsächlich als Agent vom Planeten Mars, der den Wissenschaftler in die Freiheit begleiten möchte. In einer verzweifelten Aktion versucht John Benson die Flucht zu verhindern. Scheitert aber.

Anschließend baut er sich quasi sein eigenes Raumschiff mit dem restlichen, leicht verflüchtigenden Gastreibstoff und folgt dem Wissenschaftler auf den Mars, wo er mit einer anderen Gesellschaftsform konfrontiert wird. Der zweite Teil des Mars besteht aus den diversen Konflikten zwischen dem Mars und der Erde.

Die Zusammenfassung des Plots liest sich wie mit heißer Nadel gestrickt und ist technisch gesehen nicht nur an einer Stelle höflich gesprochen naiv. Vor allem die Art und Weise, wie technischer Fortschritt erreicht wird. Ein verrücktes Genie alleine baut innerhalb kurzer Zeit Raketenantriebe, die sich buchstäblich auf einer Insel montieren lassen.

Dagegen sind die abschließenden militärischen Auseinandersetzungen vor allem über dem Mars und nicht auf dem Mars moderner und spannender. Tubb inszeniert die Raumschlacht allerdings eher wie ein Luftangriff im Zweiten Weltkrieg und weniger wie die Auseinandersetzungen zwischen Schlachtschiffen. Da klemmt allerdings manchmal auch das Maschinengewehr oder die Geschosse sind alle. Hüllen brechen aufgrund der waghalsigen Manöver im Vakuum. Interessant ist, dass die Flotte des Diktators offiziell nur dreißig Raumschiffe umfasst, aber hunderte von Schattenraumschiffen in den Hangars auf dem Mond inklusive der Besatzungen sind. Atomraketen sind teuer, aber eine moderne supergeheime Raketenwaffe steht in ausreichender Zahl zur Verfügung, um die Menschen von der Oberfläche des Mars zu tilgen.

Der technische Hintergrund wirkt eher wie aus einer Geschichte, die gute fünfzehn bis zwanzig Jahre vorher geschrieben worden ist. Der politische Hintergrund ist deutlich interessanter. Beginnend mit dem sehr gut gewählten deutschen Titel „Freiheit ohne Schranken“ geht Tubb unterschiedlichen Fragen nach.

Auf der einen Seite die streng hierarchische, auf einen Diktator fokussierte Regierung auf der Erde. Gedankenfreiheit ist eher verpönt als verboten. Die Menschen ordnen sich in einem an „1984“ erinnernden System unter, akzeptieren die Regeln, so lange der Druck nicht zu stark wird und das Pendel von einer starken/ harten Hand in Richtung brutaler Unterdrückung, willkürlichen Verhaftungen und Hinrichtungen umschwenkt. Tubb impliziert, dass die Menschen per se und viel zu allgemein eine strenge Regierung akzeptieren, wenn die Regeln klar sind und sich jeder an diese halten muss.

Im letzten Abschnitt geht Tubb noch einmal auf das Thema ein. Viele Menschen wandern von der Erde zum Mars aus. Aber eher die Männer, die auf der Erde mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind und die Freiheit auf dem Mars als eine Art Einladung ins rechtsfreie Schlaraffenland sehen. Wo sie Morde und Diebstähle begehen können, weil sie es als Teil ihrer persönlichen Freiheit sehen. Auf dem Mars gibt es nur die Todesstrafe. Die Männer argumentieren, dass sie nach den bisherigen Regeln nicht bestraft werden können. Nur ein Exil wäre in der Theorie möglich. Kurze Zeit später werden ihre zahlreichen Verbrechen in einer Szene aufgedeckt, die fast an einen Karl May Roman erinnert. Die Strafe ist das Exil in einem unwirtlichen, aber für hart arbeitende Männer gerade zum Überleben reichenden Teil des Mars. Tubb macht klar, dass jedermann seines Glücks Schmied ist und die Solidaritätsgemeinschaft nicht ausgenutzt werden darf. Wer nicht arbeiten will, braucht auch nicht gefüttert und aufgenommen werden.

Auf der Erde dagegen ist der Diktator entsetzt, dass seine harte politische Hand von seinem Geheimdienst zu einer generellen Unterdrückung genutzt wird. Ein Attentat auf den Diktator bewirkt in ihm ein Umdenken. Hinzu kommt, das das Militär den Bogen überspannt und mit äußerster Brutalität in der Abwesenheit des Diktators regiert. Tubb impliziert, dass nicht jede Monarchie von Grund auf schlecht ist. Der Autor macht es sich in politischer Hinsicht allerdings auch sehr leicht. Der Leser hat kaum Gelegenheit, den irdischen Diktator kennenzulernen. Gleich zu Beginn zeigt er sich als entschlossener, aber auch fairer Herrscher. Als Benson das erste Mal allerdings unglücklich scheitert, will er ihn am liebsten hinrichten lassen. Der Diktator zeigt sich dann von einer klassischen klischeehaften Art und Weise. Als er dann feststellt, dass er die Kontrolle über das eigene Militär und die Staatspolizei verloren hat, ändert er komplett seinen Kurs. Tubb führt ja im Gegenzug neue und noch mehr eindimensionale Schurken ein. Diese lernen, dass der Grat zwischen Macht und Machtmissbrauch sehr schmal ist.

Auf der anderen Seite der Mars, herausfordernd, aber zutiefst demokratisch. Alleine der Flug von der Erde zum Mars und das Kennenlernen einer schönen Krankenschwester mit einer zutiefst humanistischen Einstellung macht aus Benson einen Patrioten. Nicht unbedingt für den Mars, sondern die Menschheit, der den Gedanken einer echten Freiheit propagiert und dafür auch aktiv eintritt. Auf dem Mars sind es Menschen von der Erde, welche als Flüchtlingsstrom das System zum Wanken bringen, während die Marsianer fast hilflos politisch naiv dem Treiben lange Zeit zuschauen. In einer ironischen Wendung sind es die zu selbst sicher erscheinenden Terraner, welche alles auf den Kopf stellen und sich selbst bestrafen.

Ohne politisch in die Details zu gehen oder gar eine funktionierende futuristische Gesellschaft über das angesprochene „Flash Gordon“ Niveau – das ist nicht negativ, sondern relativierend gemeint – zu entwickeln präsentiert E.C. Tubb eine Reihe von pro und contra Punkten. Es ist schade, dass für einen Roman aus den fünfziger Jahren wie zum Beispiel auch bei Manly Well Wademan vielles ein wenig actiontechnisch konstruiert, aber vor allem technisch naiv erscheint. Das entwertet die angesprochenen politischen Ansätze ein wenig, wobei als Ganzes betrachtet „Freiheit ohne Schranken“ mit der nostalgischen Patina der fünfziger Jahre auch heute noch kurzweilig zu lesen ist.

Freiheit ohne Schranken

  • Herausgeber : Atlantis Verlag (30. April 2021)
  • Sprache : Deutsch
  • Taschenbuch : 140 Seiten
  • ISBN-10 : 3864027462
  • ISBN-13 : 978-3864027468
  • Originaltitel : Atom War on Mars