Die Veränderlichen

Alfred Elton van Vogt

„Die Veränderlichen“ ist ein ungewöhnlicher Fix Up Roman aus der Feder Alfred Elton van Vogt. Er basiert auf drei Kurzgeschichten – „The Silkie“ (1964), „Silkies in Space“ (1966) und „Enermy of the Silkies“ (1967).  Alle drei Geschichten sind erst in den sechziger Jahren erschienen. In einer Zeit, in welcher Alfred Elton van Vogt schon den Zenit seines kreativen Schaffens überschritten hat. Die erste Kurzgeschichte erschien als „Achtung, Supermann!“ in einer Heyne SF Anthologie. Zwei Jahre nach der letzten Silkie Kurzgeschichte fasste Alfred Elton van Vogt die drei Kurzgeschichten in bekannter Form zusammen. Neben der deutschen Erstauflage als „Die Veränderlichen“ im Heyne Verlag legte der Bastei Verlag 1988 den Roman unter dem Originaltitel „Der silkie“ im Rahmen des Samplers „Außerirdische und andere Wesen“ zusammen mit dem Kurzoman „Haus der Unsterblichkeit“ ungekürzt und überarbeitet neu auf.  

Für den Roman hat van Vogt den Prolog neu geschrieben. Bei den "Silkie" hat sich der Autor vermutlich von der keltischen Legende um die Selkie inspirieren lassen. Die Silkie sind aber in dieser Form im Grunde ein Nebenprodukt. Den Reichen und Schönen der Welt wird die Möglichkeit geboten, ihre Lebenszeit zu verlängern. Im Prolog handelt es sich noch um eine Restreihe. Am Ende handelt es sich um die langlaufenden, aber ein wenig naiv dargestellten Ergebnisse einer genetischen Manipulation. Die Versuchskaninchen sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Gestalt allerdings in begrenzter Form zu verändern und dadurch auch andere Lebensräume erobern zu können. Die keltischen Selkie können unter Wasser leben und atmen. Van Vogt hat die Idee um die Möglichkeit erweitert, ohne Schutzanzüge auch im Weltraum überleben. Basis ist die bei van Vogt so beliebte Umwandlung von vor allem geistiger Willensstärke in eine Art von Energie, welche allerdings in unterschiedlichen Bewusstseinszuständen das Überleben in quasi verschiedenen Aggregatzuständen ermöglicht.  

 Mit der ersten Geschichte mehrere hundert Jahre in der Zukunft spielend greift van Vogt nicht nur auf die bekannten Verhaltensmuster seiner semantischen Lehren zurück, sondern beschreibt eine weitere Supermann ähnliche von Männern dominierte Rasse. Die Silkie leben unter den Mensch. Die Silkie verständigen sich auf telepathischen Wege mit einer kleinen im Grunde speziellen kleinen Menschengruppe. Die ausschließlich männlichen Silkie sind mit den Frauen der im Original Special People genannten Gruppe verheiratet. Das scheint auch eine der Bedingungen zu sein, um in diese Eliteescorttruppe aufgenommen zu werden. Die Silkie dienen der Menschheit als eine Art Polizei, wobei ihre Machtbefugnisse von der Erde in den Raum zwar reichen, aber sich bislang auf eine sehr dominante Kontrolle der Menschheit fokussiert haben.

Im Laufe des Buches begegnet der Protagonist Nat Camp drei sehr unterschiedlichen außerirdischen Rassen. Mit diesen Begegnungen verbindet Alfred Elton van Vogt aber auch gleichzeitig einen über den Prolog hinausgehenden Rückblick auf die Entstehung der silkie. Jede Begegnung ist nicht wie bei vielen Pulpautoren dieser Zeit eine Art Auslöser für Krieg, sondern gleichzeitig das Sammeln und aktives Umsetzen von Informationen, um im Grunde eine bessere Supermenschenrasse zu werden.

Die interaktive Handlungsweise der Silkies ist der am meisten faszinierende Aspekt des ganzen Buches. Die Silkie benutzen logische Levels. Die Idee der Verhaltenstherapie, aber auch das Handeln nach Instinkten wird von einer komplexen neurologischen Muster begleitet. Neue Informationen oder Wahrnehmungen werden quasi kontinuierlich analysiert und in diesem neurologischen inneren Kreislauf quasi verarbeitet, damit sie umgehend auch aktiv eingesetzt werden können. Van Vogt entwickelt seine eigene evolutionäre Theorie.  Je aktiver die Silkie quasi diese Bioresonanz einsetzen, desto mächtiger werden sie.    

In diesem Punkt beginnt allerdings van Vogt auch den Bogen zu überspannen. Die Silkie sind nicht nur Telepathen, sie können auch Menschen oder spätere andere Wesen unter ihre direkte Kontrolle bringen. Die Veränderungen ihrer körperlichen Erscheinung bedeuten quasi eine Art Klassifizierung. Die A Klasse scheint am menschenähnlichsten zu sein. Im Wasser sind sie nur Klasse B, später im All verzichtet van Vogt auf weitere Definitionen. Absurd wird es, wenn die Silkie abschließend quasi menschliche Raumschiffe mit interstellaren Reichweiten sind, welche dann offensiv andere Welten und damit auch andere Völker besuchen.

Bei den sexuellen Wünschen und der Planung von Familien oder besser neuen Zuchtgenerationen geht van Vogt der Zeit geschuldet einen Schritt weiter als in seinen früheren Werken. Auch hier betont van Vogt die Dominanz des Mannes, die Unterwerfung der Frau bis hin zur Sklaverei.

Die erste der drei Geschichten ist von der Grundidee her die beste, von der Ausführung allerdings plottechnisch zu viel auf zu wenig Raum. Eine außerirdische ebenfalls körperlich veränderliche Rasse durcheilt das All. Sie suchen intelligente Wesen, denen sie “Liebe” versprechen, aber ihre Zivilisationen zerstören. Die Grundidee ist nicht neu. Jack Williamson oder auch Fredric Brown haben in ihren anarchistischen Büchern „Wing 4“ oder „Martians, Go Home“ dieses Ausgangsszenario auf die Spitze getrieben. Van  Vogt bleibt auch seltsam vage. Die Liebe scheint aber in einer Form von Bewusstseinskontrolle zu gipfeln. Interessant ist, dass der Silkie die Außerirdischen auch in erster Linie mit einer Art Gegenkontrolle besiegen und damit vertreiben kann. Die Pointe ist überraschend. Aber der Weg dahin ist teilweise umständlich, weil van Vogt durch die Bearbeitung der ursprünglichen Kurzgeschichte einige Informationen aus dem zweiten Teil des Buches nach vorne gezogen und das hohe Tempo unterminiert hat.

 Der zweite Abschnitt ist von der historischen Reichweite her nicht nur ein klassischer van Vogt, sondern zeigt den Ideenreichtum, den der Kanadier in literarischer Form absurd und gleichzeitig überzeugend präsentieren kann. Die wissenschaftlichen Exkurse sind neutral betrachtet Elfenbeintürme, die in dieser Form in keinem Universum funktionieren würden. Aber angesichts der Tatsache, dass die Silkies sich auf der Erde, unter Wasser und im Vakuum aufhalten können, fällt diese Exzentrik weniger auf als in einigen seiner anderen Bücher. Wieder wird die Erde bedroht. Allerdings dieses Mal von einem unglaublichen alten Wesen, das seit dem Anbeginn der Zeit anscheinend durch das Universum pilgert und Zivilisationen bedroht. Die Mission wird erst nach und nach aufgedeckt. Sie beinhaltet eine der besten und gleichzeitig auch am meisten zynischen Pointen in van Vogts kompletten Werk, wobei der Autor zu einem Kompromiss bereit ist.  Die Novelle ragt in einem eher schwächeren Gesamtplot deutlich aus der Masse heraus und ist auch mit viel Feingefühl mit den anderen Geschichten verbunden worden.

Auf der Erde werden die Sikies mit Doppelgängern ihrer Selbst konfrontiert. Das bringt sie dazu, die Erde zu verlassen. Vor diesem Hintergrund entwickelt van Vogt als zweiten Handlungsstrang die Geschichte der Silkies weiter. Beide Spannungsbögen sind solide miteinander verbunden, hätten aber sehr viel mehr Raum als alleinstehende Arbeit verdient.  

In der dritten und abschließenden Kurzgeschichte kehrt van Vogt zu Konflikten innerhalb der Silkie Gemeinschaft zurück, die Cemp untersuchen muss. Aus der mittleren Geschichte werden Waffen des zeitlosen außerirdischen Wesen gefunden, die sich im Besitz einer neuen fremden Entität befinden und wieder/ zum dritten Mal die Erde bedrohen.

Am Ende ist es Cemp, der im Grunde Gottspielt und eine neue Variation des Universums ohne die bekannten Feinde zu formen sucht. Bis dahin hat er vor allem  die schwierige Aufgabe, mit der Kraft seiner logischen Argumentation das Universum der Feinde zu erschüttern.

Van Vogt präsentiert in allen drei Geschichten unabhängig von dem mechanischen Ablauf der Grundausrichtung viele Ideen. Sie sind alle nicht gänzlich ausgereift. Manchmal überlappen sie sich auch. Diese Sprunghaftigkeit hat der Kanadier in der Frühphase seines Werkes mit einem intensiven bis exzentrischen Stil, kurzen Sätzen und einer schnellen Abfolge einzelner Höhepunkte besser überspielen können. „Der Silkie“ ist in der Theorie eine existentielle Geschichte, wie sie Wells oder Stapledon so gerne erzählen. Heute vergleichbar mit Stephen Baxters Büchern. Aber viele gute Ansätze sind zu wenig ausgeführt, werden zu pragmatisch geschlossen und sein Überheld zeigt im Grunde keine Schwächen, was selbst die Konfrontation mit unbekannten und unendlich alten Wesen fast langweilig und nicht herausfordernd erscheinen lässt.

Überambitioniert, aber nicht effektiv umgesetzt ist „Die Veränderlichen“ vor allem ein Buch für van Vogts Fans, die sich mit den Stärken, aber auch Schwächen eines in den vierziger und fünfziger Jahren besten Science Fiction Autoren auskennen und seiner getriebenen Phantasie jenseits aller Logik gerne folgen. Ein Einstieg ist das ambitionierte, aber komprimiert erzählte Epos der nächsten Generation Mensch nur bedingt geeignet.