Delphinenspiele

Karl- Ulrich Burgdorf

1963 veröffentlichte Arthur C. Clarke mit seinem ersten Buch „Die Delphininsel“ einen ersten Science Fiction Jugendroman, der sich mit dem zukünftigen Verhältnis zwischen Mensch und Delphin auseinandersetzt. Karl Ulrich Burgdorf fügte diesem Thema in seinem ersten und einzigen Jugendbuch „Delphinenspiele“ vierzehn Jahre später weitere Aspekte hinzu. In seinem Nachwort schreibt der Müsteraner Autor Antony Alpers Buch „Delphine- Wunderkinder des Meeres“, das Ende der fünfziger Jahre weltweit und zum ersten Mal 1962 in Deutschland veröffentlich worden ist, eine Art wegweisende Wirkung zu. Einzelne Aspekte der Delphinforschung sowie ein Teil der Maori- Legenden stammen aus diesem heute noch wegweisenden wie empfehlenswerten Buch. Es ist nicht unbedingt notwendig, Anthony Alpers Buch im Vorwege gelesen zu haben, aber in Kombination mit diesen beiden ungewöhnlichen Science Fiction Romans Clarkes wie auch Burgdorfs rundet es das Thema auf einer sachlichen wie zugänglichen Ebene ausgesprochen zufrieden stellend ab.  

 Karl Ulrich Burgdorfs Roman ist 1977 im Arena Verlag als handliches Hardcover erschienen und heute noch antiquarisch gut zu erhalten. 

 Sowohl Arthur C. Clarkes Romans als auch Burgdorfs Arbeit folgen korsetttechnisch den Grundmustern des Jugendbuches. Aus der Perspektive eines „Außenseiters“ wird das Geschehen erzählt, der aber mehr und mehr in die laufende Handlung nicht nur einbezogen, sondern zu einem elementaren Grundbestandteil des Plots wird.

 Bei Arthur C. Clarke ist es ein Jugendlicher gewesen, der an Bord eines automatisierten Frachters flieht und quasi auf der Delphininsel strandet. Bei Karl Ulrich Burgdorf wird eine engagierte Journalistin gebeten, über das Projekt zu schreiben und es dadurch finanztechnisch am Leben zu halten. Kaum auf der Insel angekommen erlebt Claire allerdings, wie ein vollautomatisierter Frachter vom Kurs abkommt, an Bord der schwimmenden „Delpin Island“ -  Burgdorfs Name dafür – und bei einigen Delphinen Schäden anrichtet.

 Während Arthur C. Clarke nach einem dynamischen Auftakt sich vor allem auf den Hintergrund konzentriert und Stimmungen in seine Geschichte einfließen lässt, hält Karl Ulrich Burgdorf das Tempo seiner Story vom Beginn bis zum fatalistischen Ende hoch.  Kaum ist die eine Katastrophe überstanden, müssen der ältliche Leiter der Station und Claire nach New York reisen, um offiziell Beschwerde einzureichen, inoffiziell mit weiteren Forderungen des Trusts konfrontiert zu werden, welche nicht mehr den Forschungsabsichten entsprechen. Arthur C. Clarke hat zwar auch den gefährlichen Grad zwischen Tier und intelligenten und damit möglicherweise dem Menschen recht gleichgestellten Lebewesen angesprochen, aber diese Idee nicht weiter extrapoliert.

 In beiden Romanen war bislang die Aufgabe der Delphine, Fischschwärme zu kontrollieren und zu leiten, damit die überbevölkerte Erde eine Zukunft hat. Das Meer als die neue Versorgungsquelle von Milliarden von Menschen wird in beiden Büchern angesprochen. Karl Ulrich Burgdorf geht aber in der besten Wendung des Buches noch einen Schritt weiter.

 Das Meer soll nicht nur als Kühlschrank der Menschen dienen, sondern vor allem auch einen neue Lebensraum bilden. Unterwasserstädte sollen möglichst kostengünstig entstehen. Dazu müssen die von Karl Ulrich Burgdorf prognostizierten Umweltschäden in den Meeren allerdings beseitigt werden. Ab diesem Punkt geht der junge deutsche Autor entsprechende Schritte weiter als der Brite Clarke und entwirft ein Szenario, dessen Vor- und Nachteile; Kosten, aber auch Opfer auf wenigen Seiten effektiv zusammengefasst werden.

 Die Reise nach New York ist der Wendepunkt der Geschichte. Aber diesem Moment muss Claire lernen, dass auch die Wissenschaftler ihre Geheimnisse haben und der angesprochene Spitzel mit seinen Beobachtungen nicht einmal falsch liegt. Auch wenn Karl Ulrich Burgdorf keine literarischen Zweifel aufkommen lässt, auf welcher Seite die Leser, die Journalistin und schließlich auch die Wissenschaftler sind, säht er zumindest den Keim des Zweifels und gibt dem Kapitalismus eine schwache, aber ausgeprägte Stimme.

Ein wichtiges Thema ist die Bestimmung von Intelligenz. Schon mit dem Frachterunfall wird deutlich, dass die in ihrer Intelligenz gesteigerten Delphine noch keine Menschenrechte haben und als Tiere gelten. Immer wieder wird in der ökologischen Science Fiction dieses Thema angesprochen. Für eine gerichtliche Klärung bleibt allerdings keine Zeit. Es ist konsequent, dass Karl Ulrich Burgdorf diese Idee am Ende des Buches noch einmal aufgreift und eine zutiefst menschliche, vielleicht juristische schwer bis unmögliche zu beurteilende Entscheidung treffend lässt. Wie das Ende zeigt, schließt sich damit auch ein Kreis, der mit einer fatalen im Grunde dummen Aktion mitten in der Nacht auf einem Fischerboot begonnen hat.     

 Die Zeichnung der Charakter ist pragmatisch. Die Liebesgeschichte ist ungewöhnlich. Claire ist eine der modernen Frauenfiguren, die als Journalistin an Krisenherden ihren Mann, die feminin und in ihrer Entschlossenheit maskulin zu gleich ist. Sie raucht, wie auch einige andere der Protagonisten. Sie dient zwar wie Clarkes Ausreißer als Bindeglied zum Leser, in dem sie sich alles erklären lässt. Anfänglich muss sie von den Delphinen aus einer tödlichen Lage gerettet werden, aber auch wenn sie zu den eigentlichen Aktionen nur moralische Unterstützung beitragen kann, ist sie die erste Identifikationsfigur des Lesers.

 Um sie herum platziert Karl Ulrich Burgdorf mit dem älteren Professor, der ganz in seiner Aufgabe aufgeht, im Grunde das moralische Gewissen der Menschheit. Sein Respekt vor allem den Delphinen gegenüber basiert auf einer Schuld, die er abzahlen will. Viele Hintergrundinformationen auch hinsichtlich seiner Forschung erfährt der Leser erst zum Schluss. Er ist auch in der Lage, die Leser in Person von Claire anzulügen und absichtlich auf eine falsche Fährte zu ziehen.

 Er hat aber des Respekt eines Maori, der mit ihm in New York studiert hat und auf der Delphin Island eine Art pragmatischer Helfer ist. Er ist der jüngste Charakter der Gruppe. Neben dem Professor berichtet er vor allem Claire über die verschiedenen Kulturen, die Geschichte der Delphine und vor allem die Absichten der Forscher.

 Bei den Säugetieren konzentriert sich Karl Ulrich Burgdorf auf zwei Delphine, die zukünftigen Anführer des Rudels. Dabei macht der Autor positiv nicht den Fehler, die „Tiere“ zu sehr zu vermenschlichen, sondern zeigt nicht nur durch ihre Handlungen ihre Sichtweise auf. Zu den interessantesten Passagen gehört abschließend der Versuch des Professors, den beiden Delphinen die neue Situation so bildlich zu vermitteln, das sie es verstehen können. Hier bemüht sich Karl Ulrich Burgdorf, trotz der kompakten Handlungsführung Akzente zu setzen, die über das klassische Jugendbuch hinausgehen.

 Zusammengefasst liest sich „Delphinenspiele“ als erster ökologischer Science Fiction Roman eines deutschen Autoren – Gerhard Steinhäuser hat zum Beispiel in seinem Buch „Unternehmen Stunde Null 1986“ vor dem Untergang der Menschheit einige Themen auch abgearbeitet, die Karl Ulrich Burgdorf hier streift – auch mehr als vierzig Jahre nach seiner Entstehung vor allem auch als Jugendbuch ausgesprochen kurzweilig und flott. Die Dialoge sind pointiert und gut geschrieben, der Hintergrund überzeugend entwickelt und Karl Ulrich Burgdorf versucht nicht unbedingt neutral, aber zumindest in Ansätzen beide Seiten – Tierforschung und den Bevölkerungsdruck angesichts einer ökologisch auseinander brechenden Erde – zu Wort kommen und die eigenen Thesen entwickeln zu lassen.

 Die Auflösung des Plot ist aber abschließend konsequent, wenn auch ein wenig kitschig. Ein Teil des Endes hat sich im Laufe der Handlung angedeutet. Interessant ist, dass der Autor mit der aufkeimenden Liebesgeschichte auch manche Vorurteile durchbrochen hat.