Clarkesworld 181

Neil Clarke (Hrsg.)

15 Jahre „Clarkesworld“. Ein kleines Jubiläum des E Magazins wird mit einem ausführlichen Vorwort der Herausgebers und dem entsprechenden Rückblick gefeiert. Dabei geht Neil Clarke auch auf den schwierigen Markt nicht nur für Magazine, sondern auch Online Magazin ein, deren Content ja nicht selten kostenlos goutiert werden kann. Warum also noch ein kostenpflichtiges Abo abschließen.

 Carrie Sessarego schreibt über Meerjungfrauen“. Nicht nur die Mythen, sondern auch die cineastische Umsetzung. Ausführlich, aber auch sehr pointiert.

 Die beiden Interviews von Arley Sorg Cadwell Turnbull und Tobias S. Buckell könnten von der Perspektive der Interviewten nicht unterschiedlicher sein. Turnbull versucht sich nach den ersten Schritten im Genre zu etablieren, während Buckell im Laufe der Jahre nicht nur eine Reihe von Preisen erhalten hat, sondern eine ausbalancierte literarische Stimme für sich entdeckte.

 Ein halbes Dutzend Kurzgeschichten und eine Novelle befinden sich in dieser Jubiläumsausgabe. Brenda Cooper hat schon mit ihren letzten Veröffentlichungen in „Clarkesworld“ bewiesen, dass ihre emotionalen Geschichten nicht selten mit einem zu optimistischen, nahe am Kitsch befindlichen Happy End im Grunde im Hier und Jetzt spielen könnten. Es ist nicht notwendig, dass die Storys als Science Fiction tituliert werden müssen. „Paper of Elephants“ beschreibt das alltägliche Überleben zweier Enthusiasten, die ein Hort für Elefanten betreiben und die Dickhäuter zu schützen suchen. Sie haben kein Geld und fürchten die immer aggressiver werdenden Elfenbeinjäger. Sie leben von den Touristen und den Bildern, welche die Elefanten malen. Der Bruder versucht mehr Geld zu verdienen, in dem er die Originalbilder vernichtet und nur noch die digitalen Kopien verkauft. Auf den ersten Blick erscheint diese Idee absurd, aber der Autorin gelingt eine schließlich auch den Leser überzeugende Argumentationskette. Die Charaktere sind dreidimensional und überzeugend, das Szenario wie eingangs erwähnt ergreifend, vielleicht auch ein wenig kitschig, aber ohne diese Menschen wären noch mehr Tierarbeiten inzwischen von der Erdoberfläche verschwunden. Alleine dieser Aspekt macht die Geschichte so lesenswert.

 Ken Liu hat Fei Daos „Legend of the Giant“ übersetzt. Trotz Ken Lius ohne Frage überzeugenden Fähigkeiten als Übersetzer wirkt die Geschichte durch den zugrunde liegenden Stil ausgesprochen distanziert. In einer fernen Zukunft leben keine Menschen mehr auf der Erde. Ein gigantischer Roboter beginnt die Gebäude abzureißen, auch wenn er damit gegen seine grundlegende Programmierung verstößt. Der Roboter versucht mit Hilfe anderer Maschinen ein Verständnis für das längst erloschene menschliche Leben zu erlangen.

 Vieles wird ausgesprochen, bleibt aber in der vorliegenden Form ungesagt und damit auch stereotyp. Es ist schwer, eine notwenige Beziehung zum Protagonisten aufzubauen und der Geschichte fehlt auch ein stringenter Plot. Hier wurde sehr viel Potential leider verschenkt.

 Lavie Tidhars „Rain Falling in the Pines“ gehört in das „Central Station“ Universum. Es ist nicht notwendig, den Fugenroman zu kennen. Der Hintergrund wird rudimentär, aber ausreichend erläutert. Im Mittelpunkt steht ein künstlich gezüchteter Neanderthaler, der eine Art Ei aus den Tiefen des Alls mitbringt und verkaufen möchte. Natürlich wird er verfolgt und in einer der legendären Kneipen am Fuß von Central Station kommt es zu einer Konfrontation. Mit wenigen Strichen entwickelt Lavie Tidhar auch dank seines melancholisch schwermütigen, sich aber auch zu sehr wiederholenden Stils ein für ihn fast typisches Szenario mit einer Reihe von Verlierer im Schatten der gigantischen Raumstation im Erdorbit. Mit der Herkunft des Eis fordert der Israeli seine Leser zu sehr heraus. Im Grunde bildet dieser Aspekt der Geschichte eine weiteren Plotverlauf heraus, der nicht in dieser komprimierten Form erzählt werden sollte. Am Ende bleiben zu viele rote Fäden in der Luft hängen. Vielleicht sollte man die Kurzgeschichte eher als eine Art Expose für mindestens eine Novelle betrachten. Dann wirkt der dreidimensionale Hintergrund inklusiv einiger gut erzählter Actionszenen auch nicht so verschwendet.   

 Ana Maria Curtis „A Well-Worn Path“ ist von der Ausgangsbasis her klassischere Science Fiction. Eine Frau verlässt ihre Heimatwelt, um Abenteuer zu erleben und andere Planeten zu sehen. Ihre Rückkehr stellt sie sich allerdings anders vor. Ihre ältere Schwester ist durch die Prüfung damals gefallen. Allerdings bringt ein Spaziergang durch die exotischen Wälder die Wahrheit ans Licht. Die Protagonisten sind dreidimensional gezeichnet, die Ausgangsbasis der Geschichte überzeugend. Es ist auch weniger, was die Protagonistin von ihren Reisen mitgebracht hat als das, was sie quasi zurückgelassen hat, im Mittelpunkt der Geschichte. Anstatt es allerdings bei der Interaktion zwischen den beiden Frauen zu lassen, überspannt die Autorin anschließend den Bogen und baut auf eine Gefahr, die ohne Frage auf einem fremden Planeten akzeptabel, aber in der vorliegenden Form nicht literarisch zufrieden stellend umgesetzt worden ist.

 Bo Balders „The Answer was Snails“ basiert auf einem für das Genre wirklich uralten Plot. Der Erzähler ist in einer Art Terrarium von einem gigantischen Außerirdischen gefangen gehalten worden. Auf der anderen Seite der Glasscheibe ist eine Frau eingesperrt worden. Der Protagonist versucht verzweifelt sie zu erreichen. Weder sind die Protagonistin überzeugend gezeichnet worden noch kann der Autor bei den verschiedenen Versuchen, das Glas zu überwinden Spannung aufbauen. Auch Stephen King ist mit „Under the Dome“ an einem vergleichbaren Szenario abschließend gescheitert.

 Die letzte Kurzgeschichte „Through“ von Eric Fomley und Rich Larson beschreibt im Grunde das Gegenteil von „The Answer was Snails“. Dieses Mal wird ein Mann in einer Art Glasröhre gefangen. Seine einzige Kontaktmöglichkeit mit der Umwelt sind die Besuche eines anonymen Wächters. Abschließend ermöglicht der Besuch eines vertrauten Gestalt aus seiner Vergangenheit den ersten Schritt zu einer Flucht. Auch wenn die Atmosphäre nihilistisch ist und das Ausgangsszenario bizarr genug, um die Aufmerksamkeit der Leser aufrecht zu erhalten, wirken die einzelnen Abschnitte dem Leser zu vertraut und die finale Pointe ist auch nur für den Protagonisten eine Überraschung.

 M.L. Clark präsentiert mit „Love Unflinching, at Low-to-Zero-G” die einzige Novelle dieser “Clarkesworld“ Ausgabe. Der Hauptcharakter arbeitet als Tierarzt im Orbit auf einer gigantischen Station. Viele der außerirdischen Besucher haben ihre tierischen Begleiter bei sich, so dass es immer wieder Arbeit jeglicher Art gibt. Nicht selten muss improvisiert werden. Natürlich stellt sich bald ein Problem dar, das einen Krieg zwischen den Menschen und den entsprechenden Fremden auslösen könnte.

 Humorvoll geschrieben basierend auf bekannten Versatzstücken – Hubbard, Murray Leinster oder James White haben diesem Subgenre viel Ehre gemacht – wird der Text vor allem Tierliebhaber ansprechen, die nicht selten derartige Situationen mit ihren Lieblingen positiv wie negativ schon erlebt haben. Der Autor muss hinsichtlich der Ausgangsprämisse ein wenig tricksen, denn so viele fremde Tierwesen an Bord einer Station ohne im Grunde Immunschutz erscheint konstruiert, aber das spielt bei dem stringenten Plot eine untergeordnete Rolle. Die Auflösung der Geschichte ist überzeugend und medizinisch konsequent. Generell liest sich M.L. Clarks Novelle sehr kurzweilig und rundet eine zufrieden stellende Jubiläumsausgabe wieder mit einem positiv sehr auffälligen Titelbild sehr zufrieden stellend ab.               

cover for issue 181

E Book

www.wyrmpublishing.com

112 Seiten