Imperator

Frank W. Haubold

„Imperator“ ist der erste Teil eines Doppelbandes. Die Geschichte spielt im gleichen Universum wie seine „Gänse des Kapitols“ Trilogie, welche der Autor Frank W. Haubold aus kommerziellen Gründen für eine Neuauflage zu einem Band mit dem bezeichnenden Titel „Götterdämmerung“ eingedampft hat.

Es ist nicht notwendig, die ersten drei Romane gelesen zu haben. Neben der ausführlichen Einleitung gibt Frank W. Haubold immer wieder durch den wissbegierigen jungen Railan Cortez Einblick in sein ohne Frage mystisches und gleichzeitig auch vielschichtiges Universum. Wer aber in diese Welt eintauchen möchte, sollte auf die Trilogie in ihrer ursprünglichen, vielleicht ein wenig zu verspielten und damit manchmal auch zu konstruierten Form zurückgreifen und die Actionversion meiden. Denn Frank W. Haubold greift für „Imperator“ auf die verklausulierten, vieles eher implizierenden Erzählstränge der Trilogie zurück. Es gibt einige Actionszenen in der ersten Hälfte des Doppelbandes. Diese wirken weder aufgesetzt noch konstruiert, aber wie an einigen anderen Stellen des Buches hat der Leser auch das unbestimmte Gefühl, als wenn etwas Vertrautes sprachlich ohne Frage auf einem sehr hohen Niveau neu gegossen und in einer anderen Form präsentiert wird.

Damit soll keine Rede in Richtung Plagiat geführt werden. Das Science Fiction Genre verfügt nur über eine begrenzte Zahl von Grundideen und auf eine dieser Facetten – junger Mann mit einer besonderen, ihm unbekannten Aufgabe – greift Frank W. Haubold zurück.

Railan Cortez wächst auf dem beschaulichen Bücherplaneten Liberia Rock auf. Nichts deutet darauf hin, dass er diese Welt verlassen und sogar Großes erreichen wird. Anfänglich steht er zwischen zwei jungen Frauen… im wahrsten Sinne des Wortes Hure und nicht unbedingt einer Heiligen, aber einem Mädchen aus guten Hause. Die Hure ist eine der Maschinenintelligenzen, die in humanoider Form die eigene Evolution jenseits der Grenzen des Reiches von Jemed, dem Ewigen auch nach ihrer  Niederlage im Grunde und dem fehlgeschlagenen Plan, das ganze Universum auszulöschen, vorantreiben.

Am Ende entscheidet sich Railan fürs Klosterleben auf einer abgeschiedenen Welt. Gerade rechtzeitig, wie er aus der Heimat erfahren muss. Aber auch hier ist er nicht sicher und der nächste logische Schritt ist weniger die Kutte und das Beten, sondern die Ausbildung zu einem Krieger an Bord eines der geheimnisvollen Sichelschiffen, dem Bestehen eines Zweikampfs, einer weiteren geheimnisvollen nicht menschlichen Geliebten und schließlich dem Gefolge eines alten Admirals, der irgendwo zwischen den glorreichen Erfolgen der Vergangenheit und einer dunklen Zukunft steht.

Mit jedem Schritt, den Railan entweder freiwillig macht oder  in dessen Richtung er getrieben wird, nähert er sich dem Ziel einer Reise, die ihn vor Entscheidungen stellt; die Menschen das Leben unter Qualen kostet; auf welcher er sich überwinden muss und an deren Ende – wie der Klappentext schreibt  . ihm seine Bestimmung offenbart wird.

„Imperator“ ist wie mehrfach erwähnt die erste Hälfte des Doppelromans. Daher ist das Buch nur mit Einschränkungen zu bewerten. Zu viele Möglichkeiten beinhalten die offenen Handlungsfäden am Ende der ersten dreihundertfünfzig Seiten.

Zu den Stärken des Romans gehört neben Frank W. Haubold getragenen, sprachlich intensiven, aber auch in dieser Präsenz ermüdenden Schreibstil der exotische Hintergrund seines Universums. Schon in den vorangegangenen Büchern hat der Autor ein interessantes Universum erschaffen. Technisch weit in die Zukunft gerichtet agieren in diesem „Theaterstück“ Figuren, welche dem Leser aus alten Büchern vertraut sind. Der angesprochene jugendliche Held, der in dieser „Coming of Age“ Geschichte nicht nur in zahlreichen Betten mit attraktiven Frauen zu einem Mann, sondern anscheinend zu einem verantwortlichen potentiellen Anführer werden soll. An einigen Stellen geht die Entwicklung zu schnell. Bei anderen Passagen konstruiert Frank W. Haubold sehr stark an den eigenen Legenden herum, denn neben seiner Bestimmung, seiner Belesenheit und Intelligenz weißt Railan nicht unbedingt viele auf den ersten oder zweiten Blick sichtbare Fähigkeiten auf, um etwas Großes in diesem Universum zu erreichen.

Auf dem Weg dahin begleiten ihn unterschiedliche Menschen. Auch wenn er mit seinem Vater nicht wirklich ein gutes Verhältnis gehabt ist, zeigen die beiden Männer sich gegenseitig Respekt. Seine Mutter bleibt im Dunklen, aber wie an vielen anderen Punkten ist hinter der Dunkelheit irgendwann ein handlungstechnisches Licht. Skeptiker könnten sagen, dass sich Frank W. Haubold in seinen eigenen Mythen und Andeutungen verliert. Immer greift er auf Wiederholungen zurück, erinnert hinsichtlich der Heldenetablierung an Frank Herbert. Herbert brauchte einen ungewöhnlichen Planeten, um aus Paul Atreides den zukünftigen „Herrscher“ des bekannten Universums abseits vom Kaiser zu machen. Frank W. Haubold greift auf sein Universum zurück, wobei mit dem Überschreiten des ersten Limes Railan die Augen im übertragenen Sinne natürlich auch nur in Form einer Prophezeiung geöffnet werden.  Jede Begegnung gibt nicht nur dem Leser neue, andere Informationen frei, wobei Vorherbestimmung bei Frank W. Haubold nicht nur eine Herausforderung, sondern vor allem auch eine Bürde über den ersten Schritt hinaus ist.

Der alte Admiral mit seinem moralischen Ballast ist vielleicht die griffigste Figur, um tragische Vergangenheit inklusive einer schweren Entscheidung mit entsprechender Scham, aber auch die Gegenwart mit ihren schwelenden Konflikten am ehesten zu erkennen.  Er sieht impliziert in Railan den Sohn, der er vor vielen Jahren an der Front verloren hat. Dessen jetzige Geliebte und die ehemalige Vertraute/ Gespielin ist das Bindeglied zwischen den beiden Generationen. Der Admiral verkörpert in diesem ersten Band Verantwortung und gleichzeitig auch Scheitern des kriegerischen Weges.

Der Admiral reiht sich in die Riege der „Helfer“ ein. Am Anfang steht indirekt der Vater, dann der Priester, der Ausbilder an Bord eines der Sichelschiffe, der angesprochene Admiral und wie es sich für einen literarischen Autoren wie Frank W. Haubold gehört auch ein Dichter auf der alten Erde. Railan folgt den Spuren Jemeds, ohne das Ziel seiner Reise wie auch die Absichten hinter den politischen Vorhängen zu erkennen. Das Ende des zweiten Bandes wird aufzeigen, ob die Leser vielleicht einen Schritt voraus sind.   

Die wenigen Frauen sind attraktiv, sexuell aktiv und prägen den jungen Mann mehr, als er es sich eingesteht. Insbesondere die beiden „künstlichen“ Gespielinnen sind sich zu ähnlich, als das der Leser den Begegnungen, den erotischen Szenen auf Dauer etwas abgewinnen kann. Sie sind für ihn Hölle und Himmel – genau in dieser Reihenfolge – zu gleich. Dazwischen steht eine junge Frau, die ihm wirklich ihr Herz schenkt, aber auch Ansprüche stellt. Sie wirkt im Schatten der beiden Superfrauen zu blass, zu eindimensional und vor allem zu pragmatisch gezeichnet. Sie dient als das abschließende Sprungbrett zu den Sternen, wobei die Gefahr ihm immer einen Schritt zurück folgt. Die allgegenwärtige und doch irgendwie auch ambivalente Bedrohung dient als Antrieb der lange Zeit sich an Details krallenden Handlung.    

Auf den letzten siebzig Seiten zieht Frank W. Haubold nicht nur das Tempo an, aus der Zeit des langen, vielleicht auch degenerierenden Friedens muss die neue Epoche des Krieges unter einer anderen Führung werden. Die ersten fünfundsiebzig Prozent dieses Buches dienten der Vorbereitung des Stabwechsels, der fast fatalistisch wieder als Teil eines größeren Plans erfolgt. Mit dem relativ offenen Ende leitet der Autor nicht nur auf den zweiten Teil, sondern den existentiellen Kampf zwischen den Lebewesen und den Maschinenintelligenzen über. Das wirkt auf der einen Seite martialisch klingend vorbereitet, kommt auf der anderen Seite hektisch daher. Auch  Frank Herbert hat in „Der Wüstenplanet“ das Tempo im mittleren Abschnitt zu wenig variiert, vielleicht zu viele Ereignisse auf zu wenigen Seiten  abgehandelt. Der bisherige Weg ist das nur teilweise erkennbare Ziel. „Imperator“ ist auf der einen Seite Teil eines Epos, auf der anderen Seite auch durch die charakterliche Wandlung Railans mit der notwendigen, aber auch im Hintergrund geplanten Übernahme der Verantwortung fast schon ein unfertiges, aus einzelnen Szenen bestehendes Expose. Vielleicht wäre eine Trilogie sogar der beste Weg gewesen. Die letzten angesprochenen siebzig Seiten erscheinen in der vorliegenden Präsentation viel zu gedrängt, zumal Frank W. Haubold quasi jede Aktion noch einmal mit literarischem Beiwerk wie der veränderlichen Zukunft unterlegt. Irgendwann ist auch einmal Schluss und sollte die Kerngeschichte – ein Junge folgt seiner ihm zu Beginn unbekannten, aber anscheinend von mindestens dritter Seite geplanten Bestimmung und soll die ultimative Bedrohung der Lebenden endgültig beseitigen -  atmen lassen.

„Imperator“ ist ein kurzweiliger zu lesender erster Teil eines Epos, dessen Mantel leider aus zu vielen bekannten Facetten genäht  worden ist. Akzeptiert der  Leser die zugrundeliegende Coming of Age Geschichte des zukünftigen Herrschers über das bekannte Universum, hervorgegangen aus einem direkten Duell mit seinem Vorgänger, dann liest sich der Roman kurzweilig, durch den barocken wie bizarren Hintergrund in den Details spannend, aber als Literatur erdrückt der Überbau teilweise zu sehr die dünne, im Groben auch vorhersehbare und sehr stark konstruierte Handlung. Konstruktion ist ohne Frage absichtlich ein Teils des Plots; eines noch nicht komplett offen gelegten Plans, dessen Ziele der Leser eher erahnen als erkennen kann. Aber ein wenig mehr inneres Leben inklusiv einer originelleren Grundhandlung hätte dieser modernen futuristischen Heldensage gut getan.      

Imperator

  • Herausgeber ‏ : ‎ Atlantis Verlag (20. Januar 2023)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 350 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 386402871X
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3864028717