Der Zefìhl, der in den Himmel stieg

Dieter Bohn

Vor zwei Jahren debütierte Dieter Bohn mit „Der Zefíhl, der vom Himmel fiel“. Der Plot bot nicht notwendigerweise Möglichkeiten, die Handlung fortzusetzen, auch wenn die zugrundeliegende Geschichte in sich abgeschlossen ist. Außerhalb seiner Welt hat Dieter Bohn allerdings inhaltlich trotz minutiöser Vorbereitung und zahlreichen indirekten Hinweisen alle Fragen hinsichtlich des Geheimnisses, der Arroganz der Kirche und schließlich auch der weiteren Fahndung nach dem Hacker offen gelassen und der Konflikt bezog sich auf die Stammesfehden des mittelalterlichen Planeten.

 Mit „Der Zefíhl, der in den Himmel stieg“ liegt die Fortsetzung vor. Auch wenn der Autor immer wieder auf einzelne Ereignisse aus dem ersten Buch eingeht, ist es besser, die beiden Werke in chronologischer Reihenfolge gelesen zu haben.  

Zwei Jahre sind seit den Ereignissen im ersten Buch vergangen und dem auf dem verbotenen Planeten – die Außerirdischen sind menschenähnlich, haben eine mittelalterlicher Kultur und würden damit der Bibel mit dem Mensch als Gottes Schöpfung widersprechen -  lebenden Adriaan ist langweilig. Er hat einige technische Errungenschaften wie eine Kanalisation, den Buchdruck und einen rudimentären Vorläufer der Dampfmaschine initiiert und umgesetzt. Den Planeten kann er nicht verlassen. Technisch stehen ihm keine Hilfsmittel zur Verfügung und selbst wenn er es schaffen würde, ist er außerhalb der verbotenen Welt in doppelter Hinsicht ein gesuchter Mann: als Hacker ist er hinter ein brisantes Geheimnis gekommen und er gilt als Mörder.

Zu Beginn der Geschichte landet die Tochter seines vermeidlichen Opfers heimlich mit einer Forschergruppe in der „Star Trek- Prime Directive“ Tradition auf dem Planeten. Sie will Adriaan finden und ihn töten, um ihren Vater zu rächen. Eine aufgebrachte Tochter kommt natürlich nicht alleine. Die Kirche vermutet Adriaan inzwischen auf dieser Welt und schickt ihren persönlichen Inquisitor mit einer kleinen klerikalen Schutztruppe der jungen Frau hinterher.   

 Der erste Roman lebte vom Klassenkampf zwischen der vermeintlich überlegenen Technik und der auf den ersten Blick primitiven mittelalterlichen Kultur, betrachtet aus der Perspektive eines Außenseiters, der sich auf der Flucht in dieser Gesellschaft als unentbehrlich etablieren muss.

Die Fortsetzung nimmt dieses Korsett auf. Im Groben sind die beiden Romane inhaltlich sogar deckungsgleich. Die junge Frau ist anfänglich von dem Gedanken besessen, den Mörder ihres Vaters zu töten, obwohl es bis auf eine kryptische und auf mehrfache Weise zu interpretierende letzte Aussage keinen Beweis für die eigentliche Tat gibt. Daher schiebt Dieter Bohn diesen Handlungsabschnitt erstaunlich schnell in den Hintergrund und konzentriert sich anfänglich auf den sozialen Kulturkampf.

Im ersten Buch brauchte Adriaan lange, bis er die Sklavenwirtschaft dieses Planeten anerkannte und sich neben seiner Frau zwei Gespielinnen kaufte, die er aber respektvoll behandelt. Seinem Leibwächter kaufte er dessen heimlich Freundin und schenkte ihr die Freiheit. Jetzt betrachtet eine erzkonservativ erzogene Frau dieses Sodom & Gomorrha. Es dauert lange, bis sie erkennen muss, dass die Sklavinnen nichts anderes in ihrem Leben kennen und sich bei Adriaan respektiert fühlen. Er schenkt ihnen zusätzlich ein Dach über dem Kopf, Arbeit und Brot. Nur Adriaans Ehefrau ist auf den Eindringlich neidisch. Komplizierter, aber nicht unbedingt komplexer wird es, als eine weitere Frau von der Erde an die Tür klopft.

Die Szenen wirken nicht mehr so originell wie im ersten Buch. Die fremde Kultur ist den Lesern ja schon bekannt und das Überraschungsmoment fehlt.  Positiv für den Autoren spricht, dass er sich nicht zu lange mit den emotionalen Gemengelage aufhält und sich spätestens ab der Mitte der Handlung sich auf die Actionszenen konzentriert.

Die Kirche mit ihrem langen Arm will Adriaan endlich unter Kontrolle haben, damit ihr Geheimnis sicher ist. Sie versuchen es mit einem Überfallkommando, bei dessen Ausführung sie kläglich an den Fremden scheitern. Ein zweiter nächtlicher Angriff könnte zum Triumph der Einheimischen  führen, allerdings etabliert Dieter Bohn mit dem Inquisitor einen Antagonisten, der nicht nur mutig, sondern mindestens genauso gerissen ist wie Adriaan.

Die Auseinandersetzung zwischen Kopf/ Hand und überlegener Technik ist einer der interessanten Punkte in der Fortsetzung. Im ersten Teil musste Adriaan seinem neuen „Herrscher“ mit einer Reihe von Erfindungen gegen die eindringenden Barbaren helfen. Hier folgte Dieter Bohn mehr dem Muster David Gerrolds aus „Die fliegenden Zauberer“, denn Adriaan konnte nur das nutzen, was er selbst erfinden konnte. Und sein Wissen ist bei den Naturwissenschaften eher unterentwickelt. Seine Welt ist das Internet und der Hack. Bei David Gerrold konnte der Forscher den Planeten nicht verlassen, Adriaan will diese aus seiner Sicht perfekte Oase unter dem indirekten Schutz der Kirche durch das Anflugverbot gar nicht verlassen.

In der Fortsetzung verschiebt sich der Fokus. Auf der Welt arbeiten Forscher. Gegen Ende der Geschichte werden sogar unglaublich reiche Rohstoffvorkommen auf dem Planeten gefunden. Es gilt zwar die Prime Directive und darüber hinaus das Verbot der Kirche, den Planeten anzufliegen, aber wie bei „Star Trek“  ist der Begriff des Nicht-Einmischen dehnbar. Im Gegensatz zu einer Reihe von „Star Trek“ Folgen wissen die Einheimischen, dass ihr Zefíhl von den Sternen und damit einer fremden Zivilisation gekommen ist, die den Einheimischen technisch überlegen sind. Es sind aber keine Götter und sie können auch Fehler machen.

Der Gegner ist jetzt weder primitiv noch brutal noch zahlenmäßig überlegen. Das Gegenteil ist der Fall. Vor allem aufgrund der Technik- die Gruppe von Menschen verfügt zum Beispiel anfänglich noch über fünf Gleiter, deren Bordwaffen aus der Nähe ganze Landstriche  betäuben können  -  sind die Wenigen den Einheimischen fast ebenbürtig und Adriaan kann dieses Manko auch nur in Form einer Salamitaktik ausgleichen.

Auch wenn die Grundhandlung dem Leser weiterhin aus einer Reihe anderer Werke ohne die Verwendung einer moralischen Keule bekannt ist, gelingt es Dieter Bohn mit seinen teilweise pointierten, aber nicht mehr so humorvollen Dialogen sowie einigen Actionszenen die Aufmerksamkeit der Leser bei sich zu behalten.

Im letzten Viertel des Buches wechselt der Schauplatz und der vom Volk geliebte Zefíhl befindet sich wieder im Himmel. Diese "Entführung- Komponente" gibt es ebenfalls mit anderen Vorzeichen im ersten Teil, dadurch erscheint - wie angesprochen - der ganze Roman fast wie eine Variation denn eine klassische Fortsetzung der ersten Geschichte.  

Das Finale  läuft auf zwei Ebenen auf.  Auf dem Planeten selbst wird Zef´ihls Herrscher aktiv und setzt die Forscher matt. Begleitet von originellen Dialogen und humorvollen Beschreibungen überzeugt dieser Handlungsarm mehr als das Finale im Himmel.

Der betriebene Aufwand ist bis zum Ende des Lügendetektortests verständlich. Ab diesem Moment hindert der Autor mit seinem Versuch, eine „Deus Ex Machina“ Lösung zu produzieren, den Handlanger des Schurken daran, endlich die Zöpfe abzuschneiden und für Ruhe zu sorgen. Dessen Plan ist derartig ambitioniert und inhaltlich luftleer, dass der Leser nur staunen kann. Immerhin handelt es im Auftrag des Stellvertreters des Herren und spätestens wenn er sich hinsichtlich seiner Identität offenbart hätte, wäre kein Widerspruch mehr möglich. In James Bond Manier inszeniert Dieter Bohn dann zwei bedrohliche Situationen, die zufriedenstellend aufgelöst werden. Das Happy End ist schließlich die „Bestrafung“ Adriaans und die Ausschaltung des eigentlichen Schurken durch zwei Männer, deren Macht noch größer als erwartet ist. Dieser Buchabschluss ist auf der einen Seite zufriedenstellend, da der wichtigste, zu Beginn des ersten Bandes etablierte Handlungsfaden – der Hacker findet ein Geheimnis, das die bisherigen Machtstrukturen erschüttern kann – hoffentlich endgültig abgeschlossen wird. Auf dem Planeten selbst wird es noch genug zu entdecken geben, so dass die Serie per se – vielleicht mit ein wenig Abstand zwischen den einzelnen Bänden – fortgeführt werden kann und auch sollte.

„Der Zef´ ihl, der in den Himmel stieg“ ist eine solide Fortsetzung. Dieter Bohns Stil hat sich ein wenig verbessert, aber dem Buch fehlt die „hier komm ich“ Mentalität des ersten Bandes, in welcher Dieter Bohn bekannte Elemente aus verschiedenen Epochen des Genres einfach frech miteinander verband; einen ambivalenten Antihelden in den Mittelpunkt einer mittelalterlichen Auseinandersetzung zwischen zwei Völkern stellte und genüsslich abwartete, wie sein mehr als einmal gestresster Protagonist buchstäblich den Hals nicht aus einer, sondern mindestens zwei Schlingen zu ziehen suchte. In der Fortsetzung wirkt vieles deutlich besser geplant, aber  deswegen auch schematischer  und weniger anarchistisch. 

Dieter Bohn
DER ZEF’IHL, DER IN DEN HIMMEL STIEG
AndroSF 178
p.machinery, Winnert, Mai 2023, 302 Seiten, Paperback
ISBN 978 3 95765 335 2 – EUR 17,90 (DE)
E-Book: ISBN 978 3 95765 771 8 – EUR 5,99 (DE)