Von Andromeda bis Utopia

Alfred Vejchar

Als Hauptautor, aber auch Herausgeber, als jahrzehntlanger Leiter der Science Fiction gruppe Wien hat Alfred Vejchar seine und die Erinnerungen vielen Fans in dem umfangreichen „Von Andromeda bis Utopia“ verewigt. Reichhaltig bebildert ist diese Chronik mehr als die Geschichte und damit auch eine Zeitreise durch das österreichische Fandom. Der Band ist das erklärende Verbindungsglied zwischen Rolf Heuters SFCD Chronik, die einer Überarbeitung und damit auch Erweiterung harrt und autobiographischen Schriften wie Rainer Eisfelds „Die Zukunft in der Tasche“; Jörg Weigand diverse Erinnerungen an seine Jugend weniger im Fandom, aber mit der Science Fiction beschäftigend; Heinz J. Galles diverse Bücher über die phantastische Literatur, das Fandom sowie das Sammeln und schließlich auch Jürgen vom Scheidts bislang in Artikeln publizierten Rückblicken auf die Anfänge des deutschen Fandoms. Da “Von Andromeda bis Utopia“ aber durch mehr als eine Stimme spricht oder besser schreibt, wird dieses umfangreiche Buch gleichzeitig zum Begleiter wie Korrektor/ Ergänzer.   

Die österreichische Fanszene lässt sich genau wie anders herum schwer vom deutschen Fandom trennen. Genau wie die professionellen Verbindungen zwischen den beiden Ländern immer enger geworden sind. Man stelle sich die Perry Rhodan Autorenmannschaft ohne die Mitglieder aus der Alpenrepublik vor.... es würde schon mehr als nur eine Persönlichkeit fehlen.

 Das Buch ist in vier große Bereiche („Fanstorys“, „Autoren & Grafiker“, „Vereine“ und schließlich „Ausklang“) aufgeteilt. Aber alles ist austauschbar und der Leser sollte sich auf keinen Fall sklavisch an den Kapitelüberschriften orientieren.  Das Buch sollte aber vor allem von jüngeren Fans – Jahrgang 1966 aufwärts – nicht chronologisch durchgearbeitet werden. Starten sollten diese Jungspunde mit den Beiträgen über Axel Melhardt und den Ösi- Fans, die man kennen sollte. So haben die Leser nicht durch die entsprechenden Gesichter bei der Lektüre der historischen Beiträge vor den Augen, sie haben einige notwendige Hintergrundinformationen.

 „Von Andromeda bis Utopia“ besteht aus überwiegend persönlichen Erinnerungen, angereichert um Fakten. Es ist legitim, dass Alfed Vejchar mit seinem persönlichen langen Weg ins und durch das Fandom beginnt. Ein strikter Lektor hätte vielleicht eine Reihe von Wiederholungen diverser Anmerkungen aus den folgenden Artikeln gestrichen, aber so laden die einzelnen Beiträge auch zu einer nicht chronologischen Beschäftigung mit den Inhalten ein. Und dazu muss manchmal eben weiter ausgeholt werden als bei einer stringenten sekundärliterarischen Arbeit. Überbetitelt ist nach dem Vorwort der erste Beitrag mit „Mein Fandom“. Damit hat Alfred Vejchar auch Recht. Es gibt nicht das Fandom, es ist immer „mein Fandom“, meine persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen; mein Verhalten in der Gruppe Fans und schließlich auch mein persönlichen Empfinden, ob ich mehr erhalten oder mehr gegeben habe. Das ist auch nicht wertend und abwertend gemeint. Viele Leser werden sich an einzelne Fotos und/ oder einzelne Artikel erinnern. Aber die Zahl der Fans, die mehr als fünfzig Jahre Fandom auf dem Buckel haben, wird leider immer geringer. Daher sind diese persönlichen Erinnerungen wichtig.

 Gleich mit dem nächsten Artikel „Das ASTer Desaster alias die Rettung von ANDROmeda“ schlägt Alfred Vejchar schließlich den untrennbaren Bogen zum bundesdeutschen Fandom und der politisch wilden Zeit. Ob alleine aus diesen Gründen nie mehr ein Weltcon nach Deutschland gekommen ist oder sich niemand wirklich diese Aufgabe zugetraut hat, sei dahingestellt. Aber der Chronist schließt eine weitere Lücke in Rolf Heuters weiterhin legendären, aber sich vor allem auf Fakten und weniger persönliche Aspekte konzentrierenden Chronik.

 Das Thema Cons wird sich wie ein roter Faden durch diese Sammlung  ziehen. Alfred Vejchar berichtet über die Wiencons als gemütliche Seite des Fandoms in teilweise politisch unruhigen Zeiten. Es ist nicht der letzte Artikel, in dem vor allem der Respekt vor den Müttern deutlich wird. Fandomler sind keine Muttersöhnchen, aber ohne die Geduld der Mütter gäbe es viele aktive Fans in der vorliegenden Form nicht oder nicht mehr. In einer Zeit, in welcher Kinder sich möglichst weit von den aus ihrer Sicht beschämenden Eltern abwenden, ist es respektvoll, ehrlich, sicherlich auch irgendwie positiv antiquiert, wenn sich Erwachsene nicht schämen, auch den Eltern zu denken. Und wenn auch nur wegen der Erlaubnis, dass eine etwas ältere Frau einen Teenager auf seinem Zimmer bis in die Nacht besuchen darf, um in dessen Sammlung zu stöbern oder gemeinsam Platten zu hören.

 Bei den Wien- Cons benutzt Alfred Vejchar zum ersten Mal auch Sekundärmaterial aus verschiedenen vor Jahrzehnten publizierten Fanzines. Die Leiden eines Con Veranstalters in Kombination mit der Herstellung der neuen ANDROmeda müssen schon aus erster Hand wiedergegeben werden.

Übergreifen sind Alfred Vejchars Erinnerungen an verschiedene deutsche Cons, aber auch von Gustav Gaisbauer begleitet die grenzüberschreitenden Besuche der Wiener und Passauer bzw. Bayern zu verschiedenen Cons. Ein wenig absurd erscheint allerdings die Idee, das der legendäre Franz Ettl Zahnsplitter seiner Patienten in den legendären Vurguzz gemischt hat. Den eingelegten Kraakh schreibt Alfred Vejar Jürgen vom Scheidt zu. Da Ettl seine besondere Mischung später hat abfüllen lassen, erscheint die Behauptung eher der Phantasie entsprungen. Auch über die Beteiligung von Jürgen vom Scheidet findet sich in den ausführlichen Aufzeichnungen Wolfgang Thadewalds kein Hinweis. Alfred Vejchar ignoriert Wolfgang Thadewald komplett.

 Ansonsten setzt sich der zweite Abschnitt dieses Buches mit den verschiedenen österreichischen Cons; der Produktion von hochwertigen Fanzines im Wettstreit mit den Berlinern auf ihre damals typische abenteuerliche Art und Weise genauso auseinander wie den Erinnerungen an die Frühzeit des Wiener Fandoms, angereichert durch einen ausführlichen zusätzlichen Bericht aus den achtziger Jahren. Rainer Eisfeld berichtet schließlich über den legendären Erwin Scudla und seinen geheimnisvollen, eine unbekannte Zahl von Mitgliedern und Unterstellen aufweisenden Science Fiction Club. Robert Christ, Dieter Braeg oder Hans Langsteiner tragen mit ihren Beiträgen zu einem umfassenderen Portrait dieser Zeit bei. Überschneidungen lassen sich – wie eingangs erwähnt – nicht vermeiden. Sie wirken allerdings in der Masse ein wenig zu gehäuft und nutzen sich teilweise auch im Verlaufe des umfangreichen Buches ab. Es wird manchmal auf die gesonderten, dann in die Details gehenden Artikel verwiesen. Diese Vorgehensweise wird aber nicht konsequent durchgehalten. Auch wenn Axel Mehlhardt ohne Frage eine der wichtigsten frühen Persönlichkeiten der Wiener Szene gewesen und sein Jazzkeller eine wirklich großartige Leistung ist, hätten viele der Anmerkungen aus anderen Artikeln direkt in Alfred Vejchars und Dieter Braegs Würdigung eingearbeitet werden können, um dem relevanten Schwerpunkt noch mehr Gewicht zu verleihen.

 Beim Kapitel „Autoren & Graphiker“ muss man die Ösi- SF Autoren nicht vorher lesen, die man kennen muss. Es werden neben den angesprochenen Kurzportraits noch einige interessante Namen vorgestellt. Franz Rottensteiner geht auf Erich Dolezal sehr populäre Jugend SF Bücher genauso ein wie auf die erste drei, noch in den vierziger Jahren publizierten SF Romanen für ein eher erwachsenes Publikum. Hermann Ritter arbeitet Ähnlichkeiten in Manfred Langrenus „Reich im Mond“ mit der Perry Rhodan Serie heraus. Den zweiten Teil konnte Ritter anscheinend entweder nicht erwerben oder wollte nicht nach weiteren Ähnlichkeiten suchen. Beide Artikel wirken ein wenig oberflächlich, wobei Franz Rottensteiner zumindest die markanten Ideen Dolezals aus seinen Jugendbüchern sehr stark komprimiert präsentiert.

 Deutlich umfangreicher sind die Portrait seiner unterschiedlicher Künstler. Erich Dolezals Jugendbücher wurden von dem durch einen Unfall von Kindheit auf behinderten Kurt Röschl illustriert, den Alfred Vejchar ausführlich vorstellt. Neben Johnny Bruck dürfte Rudolf Sieber- Lonati einer der bekanntesten Heftromantitelbildautoren nicht nur seiner Zeit sein. Immerhin schmücken Basteis „Gespensterkrimi“ immer noch seine außergewöhnlichen Titelbilder. Robert Christ geht nicht nur auf  Sieber- Lonatis Werk und isoliertes Leben ein, sondern stellt mit Johann Peterka aus dem Herzen des Wiener SF Fandoms, aber auch dem vor einigen Jahren verstorbenen Bernhard Schaffer zwei weitere, sehr unterschiedliche, aber auch markante Künstler sehr viel persönlicher und umfangreicher vor als es Hermann Ritter und mit Einschränkungen auch Franz Rottensteiner gelungen ist. Reichhaltig bebildert geben die in diesem Abschnitt gesammelten Arbeiten einen guten Überblick über Autoren und Graphiker aus Österreich, wobei die Kurzvorstellungen im Anhang zwischen sehr bekannt und kommerziell erfolgreich wie Andreas Gruber und Silvia Pomejs im Eigenverlag publizierten Arbeiten ein sehr breites Spektrum - ohne den Zwang zur Vollständigkeit – abdecken.  

 Im Abschnitt „Vereine“ kommt es natürlich zu Überschneidungen. Alfred Vejchar hat ja im ersten Kapitel mehrmals über die Science Fiction Gruppe Wien und seinen persönlichen Weg berichtet. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, wenn jemand anders diesen Abschnitt übernommen hätte. Mit den beiden „Neos“ Gerhard Schneider und Verena Zimmermann- Lasser kommen im „Ausklang“ zwei frische Stimmen zu Wort.

 Ansonsten gibt es einen sehr guten, teilweise ausgesprochen persönlichen Überblick über die verschiedenen Vereine und ihre Geschichte. Beginnend bei der SFGW über natürlich FOLLOW – mehrere zusammengefasste Reden zum 50. Geburtstag – oder die Perry Rhodan Stammtische bis zu neuen Gruppierungen wie der Tolkiengesellschaft, die in den wenigen Jahren ihrer Existenz schon sehr viel auf die Beine gestellt haben. Star Trek, Star Wars und inzwischen auch Dr. Who runden diesen kurzweilig zu lesenden, auch gut bebilderten Überblick ab.

 Der Ausklang mit dem Blick zurück in die Zukunft besteht aus einer Mischung von Datenbanken – Eduard Lukschandl bereichert seine Chronik mit persönlichen Anmerkungen, Alfred Vjechar listet die in der Geschichte des SFCD aktiven Fans auf -, aber auch persönlichen Erinnerungen. Mit „Unsere Toten“ wird an die teilweise viel zu früh verstorbenen Fans erinnert. Einige tragische Schicksale, mit viel Geduld und dem Enthusiasmus für das gemeinsame Hobby ertragen, sind darunter. Das Gegengewicht bildet der Blick hinter die Türen der Sammler. Ein wenig ironisch listet Alfred Vjechar nicht nur die wichtigsten privaten Sammlungen – und die Villa Fantastica als deren öffentlichen Mittelpunkt – auf, er zeigt auch einige Fotos vom geordneten Chaos. Auch in der fünften Reihe kann ein echter Sammler erahnen, wo das bestimmte Buch steht. Vom jederzeitigen Erreichen stand nichts in den Lageranweisungen.

 „Von Andromeda bis Utopia“ ist ein wichtiges Buch. Nicht nur wegen unzählige Anekdoten dem Vergessen entrissen und einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Es ist die Geschichten von Freundschaften, die teilweise länger als manches Leben andauern. Alleine die Weihnachtsfeiern – hier gibt es einen Link zu Youtube – sprechen Bände. Die Geschichte der Science Fiction im Grunde nicht nur in Österreich oder Deutschland, sondern auf der ganzen Welt wird nicht nur durch die Autoren geschrieben, sondern von den Fans mit sehr persönlichem Leben erfüllt. Weder das Eine noch das Andere lässt sich mehr trennen. Die Science Fiction Fans nicht nur der ersten Stunde (in Deutschland bzw. Österreich) aus Wien sind das immer noch sehr lebendige Beispiel, das Nerds keine Erfindung des 21. Jahrhunderts sind, sondern Männer und Frauen  mit einem kindlichen, aber nicht kindischen Gemüt dank ihres Hobby im Herzen jung geblieben ergraut sind. Viele sind im dritten Lebensabschnitt nicht nur in Deutschland wieder ins Fandom zurückgekommen und haben die Szene bereichert. Gleichzeitig ist „Von Andromeda bis Utopia“ auch ein zeithistorisches Dokument, das vielen Lesern vor Augen hält, dass Österreich erst 1955 zum Beispiel von den Besatzern geräumt worden ist und das die Eltern der hier versammelten Autoren/ Fans sehr viel gemacht haben, um ihren Sprösslingen ein besseres, anderes Leben zu ermöglichen als sie es phasenweise selbst hatten.

 „Von Andromeda bis Utopia“ reiht sich in die kleine Phalanx von wichtigen Veröffentlichungen zur Geschichte des SF- Fandoms ein. Jörg Weigand, Rainer Eisfeld, Heinz Galle und die Truppe um Alfred Vejchar haben den Staffelstab übernommen, den – immer noch unvergessen – viele Jahre Waldemar Kumming mit seinem MRU immer auf Augenhöhe der Zeit in die Höhe gehalten hat. Ihre Bücher verbinden die literarische Zukunft mit der realen Vergangenheit, lassen die älteren Fans in Erinnerungen schwelgen und öffnen den Jungspunden die Augen für die Zeit vor dem Internet, als es auch möglich gewesen ist, miteinander zu kommunizieren und sich zu Treffen.   

VON ANDROMEDA BIS UTOPIA: Eine Zeitreise durchs österreichische Fandom von [Alfred Vejchar, Rainer Eisfeld, Dieter Braeg, Hans Langsteiner, Robert Christ, Gustav Gaisbauer, Franz Rottensteiner, Hermann Ritter, Dr. Peter Soukup, Hermann Urbanek, Eduard Lukschandl, Hubert Straßl, Axel Melhardt, Reinhard Habeck, Herbert W. Franke, Gerhard Schneider, Verena Zimmermann-Lasser, Bernhard Schaffer]

  • Herausgeber ‏ : ‎ p.machinery; 1. Edition (1. Mai 2023)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Broschiert ‏ : ‎ 360 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3957653223
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3957653222
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