Die Zukunft im Blick

Rainer Schorm & Jörg Weigand

Zum 90. Geburtstag von Rainer Erler publizieren Rainer Schorm und Jörg Weigand als Herausgeber nicht nur einen umfangreichen sekundärliterarischen Band, angereichert um einige Kurzgeschichten, sondern setzen sich mit dem filmischen wie literarischen Werk Rainer Erlers auf mehreren Ebenen auseinander. Der Jubilar kommt mit dem Abdruck des Drehbuchs von „Operation Ganymed“ am Ende des Buches auch selbst zu Wort. Und Thomas le Blanc ist laut eigenen Worten daran Schuld, das Rainer Erler auch Kurzgeschichtenautor geworden ist.

Florian F. Marzin leitet den Band mit einer Einordnung von Rainer Erlers Werk im gegenwärtigen Kontext – viele seiner Science Thriller sind bittere Realität geworden – genauso ein wie in der damaligen Medienlandschaft, als der geborene Münchner von Ende der sechziger Jahre mit „Die Delegation“ bis in die achtziger Jahre immer wieder zeitkritische Themen cineastisch in erster Linie für das ZDF aufgriff. Als Satiriker sieht Florian F. Marzin Rainer Erler eher konträr zur eigenen Intention.

In  zwei Interviews kommt Rainer Erler selbst zu Wort. Jörg Weigand sprach 1980 mit dem Regisseur unter dem Motto „… Ich möchte das Bewusstsein der  Leute verändern. Viel wichtiger als ein wenig deplatziert in der hinteren Hälfte des Buches ist Manfred Durzaks ausführliches Gespräch, das weit über Science Fiction im Fernsehen hinausgeht. Bei Jubiläumsbänden kommt es innerhalb verschiedener Beiträge immer wieder zu Überschneiden, aber Manfred Durzaks Interview - neun Jahre nach Jörg Weigands Text entstanden - arbeitet mit einem sehr offenen und gesprächigen Rainer Erler die Leitplanken heraus, die sein langjähriges Werk als Drehbuchautor/ Filmemacher, aber später auch als Autor geprägt haben. Gleich zu Beginn macht Rainer Erler klar, dass ein Regisseur eine klare Vision haben muss und diese auch selbst niederschreiben sollte.  Jörg Weigand geht in seinem Interview eher auf die einzelnen Filme und ihre Außenwirkung ein. Manfred Durzaks Gespräch ist vielschichtiger, weitreichender und weniger vom Zeitgeist geprägt. In den frühen achtziger Jahren gehörte Rainer Erler zur mahnenden Elite, die das Medium Fernsehen nicht als reine oberflächliche Unterhaltung angesehen hat. Viele Fernsehspiele nicht nur von Rainer Erler wären heute nur noch bedingt möglich oder würden in den immer wieder unterschätzten Mediatheken der öffentlich rechtlichen Sender verschwinden. Da Jörg Weigand auf einzelne Filme wie „Die Delegation“ im Zeitgeist der Euphorie und des sozialen Wandels mit der bevorstehenden Mondlandung sowie ausführlich auf „Das blaue Palais“ oder „Fleisch“ eingeht, wirkt das Gespräch zwischen Rainer Erler und ihm fokussierter, kompakter.  Rückblickend lohnt es sich aber, die Chronologie dieses sekundärliterarischen Werkes zu durchbrechen und Manfred Durzaks Gespräch an den Anfang zu stellen, um Rainer Erler aus seiner ureigenen Perspektive kennenzulernen. Alles andere baut auf diesem Gespräch auf.  Manfred Durzak führt das Interview auf einem hohen literarischem Niveau. Er provoziert mit seinen Fragen, stellt lange Thesen in den Raum, auf welche Rainer Erler nicht nur eloquent, sondern vor allem auch beispielhaft reagiert. Im Laufe des Gesprächs - und ist es im Grunde weniger ein Interview als ein Gespräch auf Augenhöhe -   gehen die beiden Männer im übertragenen Sinne intellektuell aufeinander zu. Rainer Erler kann auf seine Erfahrungen in allen Medien zurückgreifen. Er arbeitet den Unterschied zwischen dem Theater und dem Film bei der Adaption von literarischen Vorlagen heraus. Er unterscheidet zwischen dem Fernsehspiel als Fortsetzung des Hörspiels im Fernsehen und dem “normalen” Kino.  Dann arbeitet Rainer Erler den Unterschied zwischen seinen Filmen und den auf seinen Drehbüchern basierenden Romanen heraus, die ihm ohne Budget Zwänge zwar mehr Freiheit beim Beschreiben der Plots eingeräumt haben, ihm aber gleichzeitig aufzeigen, wie eingeschränkt er bei der Visualisierung seiner Ideen im Fernsehspiel ist.  Manfred Durzak argumentiert aus der Position des Autoren  heraus, der mit der Adaption seiner Werke leben muss. Rainer Erler hat zwei sehr gute Antworten parat:  der Autor wird nicht zu einer Adaption gezwungen und muss daher mit den Einschränkungen leben oder er lernt, die anderen Medien zu nutzen und die eigenen Bücher selbst fürs Fernsehen, Kino oder Theater zu inszenieren.     

Manfred Durzak hat allerdings auch die Angewohnheit, erst die eigene Position herauszuarbeiten und anschließend eine Frage zu stellen. Das führt in einzelnen Punkten zu einem Ungleichgewicht zwischen den beiden Gesprächspartnern. In dieser Hinsicht ist der Journalist Jörg Weigand deutlich präziser und kommt schneller auf den Punkt.  In anderen Aspekten bezüglich der Außenwirkung von Rainer Erlers Werk und seinem Verhältnis zwischen literarischer Adaption und cineastischer Umsetzung des eigenen Werkes ergänzen sich die beiden Interviews allerdings sehr gut, wobei Manfred Durzak Rainer Erler hinsichtlich der manchmal auch konträren Antwortmöglichkeit mehr Freiraum einräumt. 

Manfred Durzak wird einige der von ihm angesprochenen Thesen auch in einem weiteren Artikel über Rainer Erlers Science Fiction Filme in dieser Anthologie anwenden.  

In seinem Artikel “In Sorge um unsere Zukunft. Zu den Science Fiction Filmen von Rainer Erler” geht Manfred Durzak neben einem kurzen Lebenslauf und einem Blick auf die satirischen Projekte vor der Science Fiction Phase zusammenfassend auf den wichtigsten Faktor in Rainer Erlers Gesamtwerk ein: den Menschen. Seine Geschichten spielen im Hier und Jetzt, utopische Ideen sind eine Beimischung. Einzelkämpfer - nicht immer erfolgreich - werden vor große Herausforderungen gestellt und müssen entweder körperlich in Filmen wie “Fleisch” oder “News” über sich hinauswachsen oder werden vor intellektuell wie Gewissens technische Probleme gestellt. Rainer Erler präsentiert in seinen  Filmen keine Lösungen, er zeigt Probleme auf. Das könnte Kritik hervorrufen, aber mit dieser Methode kann er seine Zuschauer (und Leser) über den Film( das Buch) hinaus beunruhigen und vor allem als ersten Schritt zum Nachdenken anregen. Viele der von Manfred Durzak aufgeworfenen Punkte innerhalb der einzelnen Analysen vor allem der Science Fiction Filme “Die Delegation”, “Operation Ganymed” und der Miniserie “Das Blaue Palais” findet der Leser in dem schon angesprochenen Interview mit Rainer Erler als Thesen wieder, mit denen der Filmemacher teilweise ein wenig langatmig konfrontiert wird. 

Aber auch Fundstücke finden sich in dieser Ausgabe. So wird in einem ZDF Programmheft ausführlich “Fleisch” mit einigen weiterführenden Informationen von Rainer Erler vorgestellt. Marianne Labitsch schreibt auch über ihre Eindrücke beim ersten Anschauen des Films. Iny Klocke und Elmar Wohlrath haben dank “Das Bohrloch” früh kennengelernt, wie genau Rainer Erler recherchierte und  Jürgen vom Scheidt schlägt in dem ersten von zwei Beiträgen einen Bogen zwischen der immer wieder angesprochenen Fiktion aus “Fleisch” zur jetzt anscheinend dunklen Realität. Hans Dieter Furrer schreibt über die europäischen Festivals inklusive später initiierten Münchner Festivals des phantastischen Films. Neben einigen Begegnungen mit Rainer Erler bleibt der “Schmuggel” von schweren Filmrollen aus der Schweiz nach München im Gedächtnis. Es sind diese Zeitdokumente, geschrieben von Augenzeugen, welche die beiden Dekaden, in denen Rainer Erler sich an die Spitze des deutschen Science Fiction/ Science Fact Films setzte, wieder lebendig erscheinen lassen.  Bernd Schuh bedient sich des “Found Footage” in seiner Würdigung von Rainer Erlers Werk und dem Blick auf die eigenen Arbeiten, während Rainer Schorm in seinem Beitrag an den Beginn von Rainer Erlers Film Faszination zurück eilt und kurz wichtige Eckpunkte in seiner Karriere zusammenfasst. Ein Beitrag, der eigentlich sehr viel früher in diesem Jubiläumsband hätte angesiedelt werden können.  

 Rainer Schorm gibt noch einen Einblick in Rainer Erlers Besucher, die „Joeys“. Monika Niehaus blickt auf die tasmanischen Teufel, legendären Tiere von Down Under, Rainer Erlers zweiter Heimat.

 Friedhelm Schneidewind berichtet in einem kurzen Essay über den Einfluss von Rainer Erler im Allgemeinen und dem „Blauen Palais“ zur richtigen Zeit im perfekten Punkt seines Lebens  Die wissenschaftlich realistische Sicht der Science Fiction Rainer Erlers hat ihn als Leser, später als Autor und in seinem Beruf geprägt.

Auch mittels Kurzgeschichten wird dem Jubilar gedacht. Werner Zillig ist gleich zweimal vertreten. In “Friede auf Erden” arbeitet der Autor ein Thema ab, das bei Andreas Brandhorst eine ganze Maschinenintelligenz Trilogie gefüllt hat. Innerhalb einer Hackergruppe wächst “etwas” mit einer besonderen Verantwortung heran, das schließlich den Menschen mit einer Zuckerbrot- und- Peitsche- Politik den Weg in eine bessere Zukunft weist. Interessanter ist Werner Zilligs Abschluss des Bandes “Das Drehbuch”. Beginnend mit einem Chat GPT Gespräch entwickelt Zillig das ultimative Drehbuch, an dessen Ende viel mehr steht als ein Zuschauer erwarten kann. Rainer Erler wird zum fiktiven Hüter dieses Schatzes. Nur eine Frage bleibt bei der sehr ironisch gehaltenen Geschichte offen. Wer unterscheidet zwischen der Uraufführung und dem letzten Blick des Regisseurs auf sein Werk? Ist der Zuschauer vielleicht der Zünder? Es sind zwei Fragen eng miteinander verbunden, auf welche die Story keine echte Antwort geben kann. 

Kai Focke philosophiert in seiner Miniatur “Die letzte Frage” über die Art, wie Maschine Erkenntnis gewinnen kann und wie sie effektiv nutzbar wäre. Die Pointe ist allerdings relativ schnell zu erkennen. Monika Niehaus “Eine Art von Unsterblichkeit” versucht eine tragische Situation mit (bio)wissenschaftlicher Forschung zu kombinieren. Die Grundidee der Herstellung einer biologischen Matrix eines sterbenden Kindes ist nicht neu. Die finale Lösung basiert auf Monika Niehaus umfangreichem biologischen Wissen. Dazwischen läuft der Plot ein wenig zu mechanisch ab, auch wenn die drei wichtigen Charakter überzeugend skizziert worden sind. 

Klara und Jörg Weigand nehmen in ihren jeweiligen Geschichten einen direkten Bezug auf Rainer Erlers Werk. „Endliche Unendlichkeit – unendliche Endlichkeit?“ integriert das „Blaue Palais“ aus einer anderen Perspektive. Ansonsten ist die Geschichte der Unterirdischen – Menschen, die der Katastrophe unter die Erde entkommen sind – eher statisch und bürgt keine neuen Ideen. Jörg Weigand nutzt die Idee der „Found Article“ in Anspielung auf das „Found Footage“ und schreibt in „Geheimnisvolle Rettung“ über einen Jungen, der nach fünf Tagen 1910 der Wüste entkommen ist und einen betrunkenen Farmer, der gegen den Willen der Aborigines den Ayers Rock und dessen heilige Höhlen betreten hat. Jörg Weigands Erzähler zieht entsprechende Schlüsse und spekuliert in Richtung „Die Delegation“. Deutlich prägnanter und auf den Punkt gebracht überzeugt Jörg Weigands Geschichte mehr.

 Alexander Röder hat in den letzten beiden Jahren bewiesen, dass er zu einem der interessantesten Kurzgeschichtenautor des Genres geworden ist. Die beiden Novellen in der Karl May Sammlung „Tochter der Wüste“ ragten aus der von Thomas le Blanc zusammengestellten Anthologie heraus und „Sand“ ist eine bizarre Story in der Tradition Rainer Erlers. Wie Jörg Weigand kommt es auf die Pointe an. Im Gegensatz zu Jörg Weigand jagt Alexander Röder seinen in einem zwielichtigen Milieu arbeitenden coolen Laufburschen von einem Kontinent zum Nächsten, um besonderen Sand einzusammeln. Die Bedeutung wird dem Leser, aber auch dem Protagonisten erst am Ende der Geschichte klar. Diese geschickte Verschleierung schenkt der kurzweilig zu lesenden Story eine besondere Note. 

 Jürgen vom Scheidt spekuliert in „Der russische Staat vs. Wladimir Putin“ über mögliche Gerichtsurteile. Die Miniatur hat aber nichts mit dem Thema zu tun und eine Entscheidung trifft der Autor auch nicht. Frank G. Gerigk „Der unglückliche Ogel“ ist auch eher eine Story, die nichts direkt mit Rainer Erler zu tun hat. Der unglückliche, einsame, aber auch aggressive Protagonist – ein Ogel – ist eine Mutation aus Igel und Oger. Bevor der Leser Fragen stellt, Frank G. Gerigk hat eine überzeugende Erklärung parat. Die Natur setzt sich immer durch, auch wenn selbst ein Ogel am Ende nicht seinem Schicksal entkommen kann.

 Marianne Labischs „Cherryblooms Dilemma“ ist eine der besseren Geschichten dieser Sammlung. Eine Influencerin soll einen wichtigen Preis bekommen und kommt dadurch in Schwierigkeiten. Sie müsste der Öffentlichkeit die Wahrheit über sich selbst zeigen. Die gewählte Alternative entlarvt die Gesellschaft als eine reine Farce, die nach Höherem strebt, aber die eigene Identität verbergen will. Das hilft der Protagonisten nicht, die innerhalb weniger Tage sozial abstürzt. Die Autorin zeichnet ein zynisches, aber nicht untreffendes Bild die gegenwärtigen Trends mit ihrer Tendenz, alle schön zu zeichnen.

Rüdiger Schäfers „Anjelka“ ist eine dieser melancholisch bittersüßen Geschichte, in denen der Tod eines jungen Menschen zumindest für die Hinterbliebenen tragisch traurig ist, aber gleichzeitig einen gewissen Neuanfang, eine Veränderung in sich bürgt. Emotional überzeugend geschrieben hat dieses Stillleben keinen direkten Bezug zu Rainer Erler und dessen Werk, bildet aber unter den Kurzgeschichten einen angenehmen Kontrast zu einigen anderen Werken.

 „Ein Auge für Details“ ist ein Nachdruck aus „Gegen Unendlich“ 11. Monika Niehaus spricht zwar davon, dass sie von Rainer Erlers „Fleisch“ beeinflusst worden ist, aber das stimmt nur indirekt. 900 Jahre nach Fleisch zeigt sich der Mensch immer noch als eine perfekte biologische Schöpfung, welcher der Wissenschaft mit dem Hang, künstliche Organe zu züchten, nicht wirklich folgen kann. Und wenn dann noch etwas in der Öffentlichkeit vor der Öffentlichkeit versteckt werden muss, geht es doppelt schief. Die kleine zynische Kriminalgeschichte steuert direkt auf eine sehr zufriedenstellende Pointe zu. 

 Friedhelm Schneidewind kümmert sich in „Unsterblichkeit ade“ um eine „Schwäche“ zwischen der vierten und fünften Folge des “Blauen Palais“. Aber der Autor sucht nicht nach anderen Erklärungen, sondern ergänzt mittels viel Fiktion und ein wenig naturwissenschaftlicher Forschung eher den Plot der vierten „Das Blaue Palais“ Folge „Unsterblichkeit“. 

Das Drehbuch zum mehrfach erwähnten Science Fiction Film „Operation Ganymed“ wird in voller Länge abgedruckt. Wer Drehbücher öfter liest, dem wird die spartanische Ausstattung hinsichtlich der Regieanweisungen. Es gibt keine Storyboards. Rainer Erler erwähnt in seinen beiden Interviews mehrmals Alfred Hitchcock. Natürlich geht Hitchcock bei seinen Filmen technisch innovativer, aber inhaltlich mehr den Konventionen des Thrillers Kinos folgend vor. Aber Hitchcock ist ein Mann, der seinen Film schon vor der ersten Klappe im Kopf abgedreht hat und den die abschließende Arbeit langweilte. Auch Rainer Erler hat nicht zuletzt aufgrund von Budgetbeschränkungen seine Filme durchgeplant, ist sich aber auch wie in „Fleisch“ während der USA Dreharbeiten nicht zu schade, auf eine improvisierte Guerillataktik zurückzugreifen. Das hier nachgedruckte Drehbuch zeigt, wie pointiert und auf den Punkt gebracht Rainer Erler die Dialoge geschrieben hat. Emotionen wie die  Entfremdung seiner Astronauten von ihrer unwirtlichen Umwelt – auch das spricht der Regisseur in einem der beiden Interviews an- sind von Beginn an nicht geplant gewesen. Kameraperspektiven werden nur selten explizit erwähnt.

In mehreren Artikeln sprechen verschiedene Autoren die surrealistisch erscheinende Pressekonferenz mit den vor den Augen der Politiker und Journalisten verdurstenden Astronauten an und sprechen von einer Vision kurz vor dem Eintreten des Todes. Das Drehbuch (und auch der Film) fügt dieser Sequenz aber noch eine weitere Szene hinzu. Der letzte Überlebende kommt in einem Dorf voller Menschen an; er sieht auch das Mädchen, das er immer wieder auf Plakaten in seinen Visionen mit einer Cola Flasche in der Hand versinnbildlicht hat. Die Einheimischen laufen mit Wasserflaschen auf den zusammengebrochenen Mann zu. Mit dieser doch eher optimistischen Szene endet Rainer Erlers Streifen und führt in der vorliegenden Drehbuchfassung einige der sehr negativen Interpretationen ad absurdum.  

Wer den Film gesehen hat, dem wird das Drehbuch sehr viel mehr sagen als Lesern, welche bislang keine Begegnung mit Rainer Erler hatten. Erler ist ja nicht nur ein Filmemacher, sondern auch ein routinierter Autor, der aus den eigenen Drehbüchern durch die Freiheit des geschriebenen Worts im Gegensatz zum budgetierten Film mehr Freiheiten hat.  Daher wäre vielleicht eine Romanadaption die bessere Alternative gewesen, denn im geschriebenen Wort unterscheiden sich Erlers Drehbücher zu wenig vom fertigen Film, der mit seinen eindrucksvollen Bildfolgen, die ganze Bandbreite der bezahlbaren Technik ausnutzen, sehr viel besser wirkt als die Aneinanderreihung von teilweise sehr stark komprimierten Dialogen. Aber der Abdruck des Drehbuchs ist vielleicht ein gutes Schlusswort dieses Bandes, gäbe es nicht Werner Zillig, der noch einen dranhängt.

„Die Zukunft im Blick“ unterscheidet sich in einem Punkt von vielen anderen Jubiläumsbänden aus dem Verlag p.machinery. Wie Rainer Schorm offen legt, war Rainer Erler aktiv an der Gestaltung des Bandes beteiligt. Vielleicht erfährt man deswegen nicht nur neben den obligatorischen Glückwünschen etwas von Jubilar, sondern der Gefeierte gestaltet mit seinem Drehbuch den Band aktiv mit. Vielleicht setzen sich die Beteiligten ein wenig zu statisch mit Rainer Erlers Werk auseinander. „Das blaue Palais“, „Operation Ganymed“ und schließlich immer wieder „Fleisch“ bilden die Schwerpunkte, seine Satiren geraten eher in den Hintergrund. Die Kurzgeschichten bilden thematisch ein sehr breites Spektrum ab, aber einige der Texte haben keinen Bezug zu Rainer Erler. Das erleichtert für manches die Lesefreundlichkeit dieses Buches, andere werden enttäuscht sein, das Raum verschenkt worden ist. Aber die verschiedenen Artikel und mehrere der Kurzgeschichten unterstreichen noch einmal deutlich, wie wichtig Rainer Erler als Filmemacher in den siebziger und achtziger Jahren vor allem im Bereich der Science Fiction aber auch der Science Fact Fernsehfilme gewesen ist und wie erdrückend weit sein prophetischer Einfluss ins 21. Jahrhundert reicht. Alleine aufgrund dieser Tatsache ist die Publikum wie auch die Anschaffung dieses besonderen Jubiläumsbandes besonders wichtig



Rainer Schorm & Jörg Weigand (Hrsg.)
DIE ZUKUNFT IM BLICK
Rainer Erler zum 90. Geburtstag
AndroSF 180
p.machinery, Winnert, 26. August 2023, 396 Seiten, Paperback
ISBN 978 3 95765 339 0 – EUR 22,90 (DE)
E-Book: ISBN 978 3 95765 765 7 – EUR 7,49 (DE)

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