Weg der Wünsche

Patrick Rothfuss

Natürlich ist es nicht der dritte „Königsmörder“ Roman aus der Feder Patrick Rothfuss. Es ist nicht einmal im Vergleich zu „Musik der Stille“ eine komplette neue Geschichte, die der Amerikaner in seinem durch die zwei voluminösen Romane etablierten Kosmos spielen lässt. Und trotzdem lohnt sich die Lektüre nicht nur für Anhänger seiner Geschichten, sondern wie Patrick Rothfuss in seinem Nachwort deutlich macht, auch für Eltern, die mit alltäglichen Manipulationen durch ihre Kinder konfrontiert werden.

Auf den ersten Blick handelt es sich bei „Der Weg der Wünsche“ um eine deutliche Erweiterung der Novelle „Der Blitzbaum“ – der Autor spricht von etwa 15000 Wörtern -, die vor einigen Jahren in der Anthologie „Rouges“ erschienen ist. Technisch ist diese Aussage auch richtig, aber wer „Der Blitzbaum“ gelesen hat, wird von diesem grundlegend handlungstechnischen Stillleben nicht sonderlich überrascht. Die meisten Strukturen und vor allem viele der hintergründigen Geschichten sind in der ersten Novelle angelegt. Über die Jahre ist Patrick Rothfuss nicht nur als Persönlichkeit, als Vater gereift, sondern auch als Autor, der gleich zu Beginn seiner Karriere von einem Erfolg zum Nächsten geflogen ist, bis plötzlich seine schriftstellerische Kunst zum Erliegen gekommen ist. Inzwischen schreibt er zwar wieder am dritten „Königsmörder“ Roman, aber der Erscheinungstermin verschiebt sich immer weiter nach hinten. Um auf die vorliegende Novelle zurück zu kommen. Ein Leser kann das vorher – damit ist die Schreibblockade gemeint – und das nachher betrachten. Der Unterschied ist gering, die stilistische Eleganz ist ausgeprägter als in der ersten Fassung der Novelle, die agierenden Persönlichkeiten noch ein wenig schärfer im positiven Sinne gezeichnet. Auf der anderen Seite dringt der Erzähler noch mehr durch, dem das Schreiben eher eine Last ist und der am Liebsten abends am Kamin sitzt, um Geschichten und Anekdoten zu erzählen. Jochen Schwarzer hat diesen natürlich Geschichtenerzähler sehr gut in den Griff bekommen und einzelne Passagen lassen sich ausgesprochen vergnüglich, pointiert und vor allem auch sehr fließend laut möglichst vor einem kleinen Publikum lesen.

 In Bezug auf die eigentliche „Königsmörder“ Chronik bringt den Leser die Novelle keinen Schritt voran.  Auf der anderen Seite erweitert Patrick Rothfuss in beiden Versionen dieser Novelle den Hintergrund einer der wahrscheinlich irgendwann sehr wichtigen Figuren, ohne wirklich nachhaltig viel über ihn zu offenbaren.

 Bast ist ein Dae- Prinz, der mit Kvothe in dessen Gasthaus lebt. Technisch gesehen ist er Kvothes einziger Schüler, wobei das Verhältnis zwischen diesen beiden Charakteren sich nicht immer auf dieser Ebene abspielt. Viele Charakterzüge werden in dieser kurzen Geschichte eher gestreift als extrapoliert. Das Verhältnis zwischen Kvothe und Bast bildete eine interessante Konstellation in der Hauptgeschichte. Die Balance fehlt der Novelle. Handlungstechnisch konzentriert sich Patrick Rothfuss auf einen „normalen“ Tag im Leben Basts und hier liegt die Faszination, aber auch gleichzeitig die ein wenig abschreckende Wirkung dieser Novelle. Es ist kein besonderer Tag, nicht einmal ein Geburtstag oder ein Feiertag in diesem fremden und doch irgendwie auch wieder inzwischen sehr vertrauten Königreich. Es ist ein ganz normaler Tag im Leben des Basts und das zeigt sich in einigen Längen der Geschichte insbesondere im mittleren Abschnitt. Patrick Rothfuss widersteht trotz einiger vorhandener Möglichkeiten der Versuchung, aus diesem normalen Tag etwas ganz Besonderes in erster Linie für die Leser zu machen. Das ist für einen Schriftsteller nicht leicht, für einen Erzähler eher Alltag. Und der Leser muss diese Protagonisten und ihre Welt leben, um sich an einem ganz normalen Tag in einem ungewöhnlichen Land an einem außergewöhnlichen, von Legenden umrankten Ort nicht zu langweilen.  

Patrick Rothfuss beschreibt einen Tag im Leben Basts. So soll er eigenen Gegenstand holen und schleicht sich zum Blitzbaum, wo Menschen ihn gegen eine kleine Gegenleistung um die Erfüllung ihrer Wünsche bitten. Bast ist immer mit etwas schrägen Ratschlägen gegen Liebeskummer aber auch gegen die eigenen Eltern zur Erlandung tiefster Wünsche zur Stelle. Einige der ausführlich beschriebenen Szenen erinnern den Leser an die eigenen Kinder und ihre Vorgehensweise. Nicht so perfektioniert wie hier vorgeschlagen, aber relativ schnell erkennbar. Andere „Wünsche“ sind hinsichtlich einer verschmähten Liebe oder sehr perfide, in einem engen Bereich Rache zu nehmen. Bast hat einige gute Ideen, aber die Präsentation der einzelnen Vorgehensweise dauert angesichts des Umfangs der Geschichte erstaunlich lange. Die potentiellen Täter widersprechen immer wieder. Teilweise sind sie mit den ersten Ideen nicht einverstanden und verlangen quasi eine Nachbesserung. Dabei entwickelt Bast seine Pläne eher langfristig und bietet seine „Kunden“ um Geduld.

 In Hinblick auf die ganze Chronik erfährt der Leser ein wenig mehr über die Magie der Fae. In den beiden Langromanen hat Patrick Rothfuss dieses Sujet ausgesprochen ambivalent behandelt. Einige Informationen fließen in die spärlichen Begegnung mit Kvothe ein, wobei der Autor sehr viel Wert darauf legt, keine Grenzen zu verletzen oder über die bekannten Muster hinauszugehen. Immerhin sollen die Kunden auch den nächsten Langroman erwerben.

Wie bei allen Episoden außerhalb der Haupthandlung der Königsmörder Serie bleibt offen, ob die präsentierten Informationen wahrheitsgemäß sind oder nicht. Für Bast ist die Magie natürlich, angeboren. Aber Bast ist auch ein natürlicher Betrüger und opportunistischer Lügner, der sich für eine kleine Bezahlung nicht sonderlich um seine Mitmenschen kümmert. Das macht einzelne Aspekte der Geschichte nicht leichter. Es besteht durchaus die Möglichkeit, das Bast diese magischen Fähigkeiten zwar einsetzt, sie aber nur eine Seite der Münze sind.

 Nach dem die Geduld der Leser strapazierenden Auftakt mit den einzelnen interessanten kleinen „Aufgaben“, denen sich Bast gegen Bezahlung vor allem intellektuell stellen muss, gewinnt die Novelle gegen Ende an Tempo. Dabei macht Bast den ganzen Tag wenig bis gar nichts. Am Ende steht er mit wichtigen Informationen dar, hat vielleicht einige der Kinder und Jugendlichen in schwierige Situationen gebracht und kehrt zum Gasthaus zurück.

 Dank Patrick Rothfuss unterhaltsamen Stil und der guten Beschreibung der einzelnen Figuren inklusive der Nebendarsteller bleibt der Leser literarisch bei der Stange und verfolgt diese Episode, diese verlängerte Exkursion mit einem gewissen Interesse. Ein direkter Vergleich zwischen der ursprünglichen Fassung und der jetzt als Hardcover vorliegenden Novelle zeigt allerdings auch auf, dass Patrick Rothfuss geschickt eher an den Eckpfeilern seiner Geschichte gearbeitet und das Fundament verfestigt hat. Mehr findet sich in dieser gesondert veröffentlichten Geschichte nicht und wie „Der Blitzbaum“ aus der angesprochenen Anthologie noch gut in Erinnerung hat, braucht diesen Band sich nur als Komplettsammler anzuschaffen. Das wirkt ein wenig enttäuschend, aber Patrick Rothfuss spricht in seinem kurzen Vor- , aber vor allem auch Nachwort in erster Linie von einer Erweiterung der bestehenden Novelle und keiner grundlegenden Überarbeitung. In dieser Hinsicht hält der Amerikaner sein Wort.

 „Der Weg der Wünsche“ ist nur Lesern zu empfehlen, welche die beiden Bände der „Königsmörder“ Serie schon kennen. Auch wenn der Plot bzw. der Tag für sich allein stehend unterhält, bleiben die vielen Anspielungen und Querverweise für diese Leserschaft unklar. Weitergehende Erklärungen gibt es nicht. Für die Anhänger der ersten beiden Bücher sind sie auch unnötig, man taucht in dieses Universum ein, man verbringt als Leser einige Stunden, als Protagonist einen Tag mit den beiden wichtigsten und vertrauten Figuren und verabschiedet sich bei Sonnenuntergang für eine unbestimmte Zeit. Mehr will „Der Weg der Wünsche“ nicht präsentieren, mehr ist an der Novelle auch nicht wirklich dran. So bleibt eine Geschichte, welche die Stammleser eher an die Klasse der beiden Romane erinnert, aber keine Geschichte, welche die Sehnsucht nach weiteren zufrieden stellenden Abenteuern stillt.        

 

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  • Herausgeber ‏ : ‎ Klett-Cotta; 2. Druckaufl., 2023 Edition (15. November 2023)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 224 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3608987746
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3608987744
  • Originaltitel ‏ : ‎ The Narrow Road between Desires
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