Captain Future- die Zeitmaschine

Edmond Hamilton
Ohne Frage zu den interessantesten und besten Abenteuern der ersten regelmäßig im eigenständigen Magazin erscheinen "Captain Future" Generation gehört "Lost World of Time". Auf den Leserbriefseiten des "Captain Future" Magazins ist heftigst diskutiert worden, ob Edmond Hamilton seine Helden auch durch die Zeit reisen lassen sollte oder nicht. Mit "Lost World of Time" liefert der Autor bis auf die 
wieder aus dem Hemdsärmel geschüttelte Technik eine überzeugende Antwort. Nicht
nur die Zeitreisegeschichte ist interessant, im Verlaufe der Handlung wird die Idee
des Generationenraumschiffs genauso behandelt wie die furchtbare Vision eines Völker-
mordes, um der eigenen Art Lebensraum zu schaffen. Die Aktualität dieses Themas
angesichts des in Europa brennenden Zweiten Weltkriegs sollte selbst jugendlichen
Leser nicht verborgen geblieben sein. Hinzu kommt eine philosophische Exkursion zu
den Wurzeln der Menschheit, wobei Hamilton hier ambivalent vorgeht. Ein Teil der
Menschen verfolgt der bekannten Evolutionstheorie, während der "Schub" von
außen auf dem Besuch der Götter aus dem Weltall - in diesem Fall vom Planeten Deneb - 
kommt. Diese Idee schlägt den Bogen zu einem früheren Abenteuer, wobei Hamilton viele
Hintergrundfacetten in beiden Büchern offen lässt. Die Leser können, da er das Thema nicht
Aufgegriffen hat, munter spekulieren, ob nicht doch außerirdisches Blut in der  
In vielen Passagen dieses sehr befriedigend geschriebenen Romans fühlt sich der Leser
in die Welt der Comics versetzt. Hamilton malt sein Szenario mit einem sehr breiten
Pinsel. Ein goldener Planet, eine Liebesgeschichte zwischen den Mitgliedern zweier
Rassen, phantastische surrealistische Hintergründe und schließlich ein befriedigendes
Ende, das interessanterweise Edmond Hamiltons zweifelhaften Ruf als "Weltenzerstörer"
zufriedenstellend relativiert. 
Captain Future erreicht ein Hilferuf aus tiefster Vergangenheit. Im Asteroidengürtel ist eine
Sonde aufgefunden worden, die anscheinend dort sein vielen hunderttausend Jahren liegt.
Sie enthält die Botschaft des Wissenschaftlers Darmoore, der um Hilfe für sein Volk bittet. Future
erläutert seiner Besatzung, dass es sich um Bewohner des legendären Planeten Katains,
der durch eine nicht zu eruierende Katastrophe vernichtet worden ist. Die Trümmer dieser
Welt bilden heute den Asteroidengürtel. In einer der wissenschaftlich eher konstruierten
Passagen des vorliegenden Romans entwickeln Future und Simon die Idee eines
Zyklotrons weiter, mit dem die "Comet" in die Vergangenheit fliegen kann. Dort angekommen
müssen sie schließlich auf dem Mars notlanden. Ein Teil der Besatzung wird von den
dortigen Bewohner als Spione festgenommen und ins Gefängnis gesteckt. Hier treffen sie auf
den Sohn des Wissenschaftlers, der die Botschaft formuliert hat. Katains ständig stärker werdende Naturkatastrophen bedrohen inzwischen die Struktur der Welt . Er droht auseinanderzubrechen, weil die Anziehungskräfte des Jupiters immer stärker werden. Ein Teil der Bevölkerung hat beschlossen, die Welt mittels eines Generationenraumschiffs in Richtung Sirius zu verlassen, wo man bewohnbare Welten vermutet. Eine andere Gruppe möchte den Mars angreifen. Man befindet sich schon länger mit diesem Volk im Kriegszustand und möchte die Bevölkerung vergasen, um auf dem einzigen für sie lebensfähigen Planeten als eigenständiges Volk weiterleben zu können. Eine Teilung dieser Welt kommt nicht in Frage. Kaum ist Captain Future dem Gefängnis entkommen, muss er bei einem direkten Gespräch mit dem für die Botschaft aus der Vergangenheit zuständigen Wissenschaftler feststellen, dass er das dringend benötigte Uran nicht künstlich herstellen kann. Die einzige Chance der Hilfe besteht darin, noch weiter in die Vergangenheit einzudringen und das Uran kurz nach der Entstehung des Stoffes abzubauen und quasi durchs All auf den Weg zum fünften Planeten des Sonnensystems zu schicken. In der Gegenwart könnten die Klumpen eingesammelt und
schließlich als Antriebsquelle für das Generationenschiff verwendet werden. Da die kriegstreibenden Parteien ihren Plan umgesetzt sehen wollen, bleiben Future und seinen Männern nur vier Wochen in der Gegenwart, um das Uran in der wirklich tiefsten Vergangenheit zu finden. Hier begegnen sie schließlich auch einer Flotte fremder Raumschiffe, die durch das Saragasso Meer der Sterne auf die Erde zu streben. 
 
Wie schon angesprochen ist der vorliegende Roman nicht nur ein farbenbuntes Abenteuer, es fließen im Vergleich zu den letzten Büchern mehr erwachsene Elemente in die Handlung ein. Auffällig ist das am Fehlen eines überdimensionalen Antagonisten nach "Comichelden" Manier. Sachlich stellt Hamilton  die beiden politischen Positionen des goldenen Planeten gegenüber. Während der Wissenschaftler klar die Expansion selbst unter großen Opfern in den Weltraum bevorzugt, ist das Argument eines überraschenden Schlages gegen den Mars zumindest in der Theorie nachvollziehbar. Es geht nicht um die aufgesetzten Rassenideale der Nazis. Ganz sachlich wird argumentiert, dass der Mars selbst in der Blüte seiner naturellen Existenz für die Mitglieder zweier Rassen zu "klein" ist. Die Bewohner des goldenen Planeten sind verzweifelt, da das Ende ihrer Welt in bester "Superman" Tradition - eine Idee, die Hamilton aus den entsprechenden Comics übernommen hat - unmittelbar und unabänderlich bevorsteht. Der Leser kann die aggressiven Tendenzen nicht tolerieren, aber zumindest verstehen. Es wird ein groß angelegter Gasangriff geplant, um die Marsianer zumindest schmerzlos auszurotten. Das auf der anderen Seite der Erde gerade ein Volk auf diese Art und Weise vernichtet wird, konnte Hamilton in seiner düsteren Version nicht ahnen. Erst gegen Ende des Romans überspannt er den Bogen, in dem er den Anführer der militärischen Fraktion als eitlen Machtmenschen darstellt, dem es über das Weiterleben seiner Spezies hinaus nur um die eigene Positionierung geht. Nicht umsonst versucht er mittels einer Neutronenbombe den Erfolg von "Future"s Mission zu torpedieren. Die Idee des Generationenraumschiffes - in diesem Fall ein kleiner Planetoid - ist von Hamilton klar umrissen worden. Zwar wirkt die Technik ein wenig zu oberflächlich extrapoliert und auf die Kraft des Atoms vertrauend, aber der Autor macht sich viele Gedanken, wie vor allem untrainierte Menschen einen zwanzig Jahre andauernden Flug überleben könnte. 
 
Die Szenen auf dem goldenen Planeten sind nur ein interessantes Element des vorliegenden Romans. Auf der Erde treffen die Futureman nicht nur auf natürliche Dinosaurier, die ein großes Interesse an den Fremden haben. Zusätzlich erleben sie ihre primitiven Vorfahren während der ersten Schritte zu einer Kultur, wobei die Liebesgeschichte zwischen der Einheimischen und dem Gummimenschen Grag zwischen rührend kitschig und emotional überzeugend hin und her schwankt. Innerhalb der "Future" Mannschaft dominiert allerdings Simon, das fliegende Gehirn. Es ist schon erstaunlich, mit welch einfachen technischen Ideen die Jahrtausende bzw. Jahrmillionen überbrückt werden. Dabei zeigt der Autor in Anlehnung an Stapledon und Wells Ehrfurcht vor dem Entwicklungsprozess des Universums. Seine Vergangenheit wirkt überzeugend archaisch, wild und unbändig. Der goldene Planet erinnert genau wie der Mars an die Kulturen, die Alex Raymond in seinen "Flash Gordon" Romanen entwickelt hat. Nur Flügelmenschen sucht man vergebens. Dem Plot fügt der Autor mühelos und phantasievoll eine Reihe von Theorien nicht nur über die Entstehung des Asteroidengürtels, sondern vor allem auch der Krater auf dem Mond. 
 
Zusammengefasst ist der vorliegende "Captain Future" Roman unter Akzeptanz der beiden wilden Prämissen - Nachricht aus der tiefsten Vergangenheit und die Versendung von Uran nicht nur durch den Raum, sondern indirekt auch durch die Zeit - eines der besten Abenteuer der ganzen Serie, in dem Hamiltons Stärken - die Erschaffung von fremden und doch vertrauten Kulturen; bizarre technische Ideen - mit sehr guten Charakteren unter Verzicht auf die manchmal zu kindischen Exzesse harmonieren.     
 
Edmond Hamilton, "Captain Future- die Zeitmaschine",
Roman, Softcover, 156 Seiten,
Bastei Verlag 1982