In den Händen eines erstklassigen Wahnsinnigen - Zum 70. Geburtstag von Stephen King

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Stand by me - Darsteller

Die Neuinterpration zu Stephen Kings Es bricht gerade einige Rekorde an den US-Kinokassen und ist damit vermutlich mit eines der schönsten Geschenke, die dem Autor zu seinem Geburtstag gemacht wurden.

Zu seinem 70. Geburtstag erzählen Rhonda, Anne und Katrin, wann sie Stephen King für sich entdeckt haben, was sie an seinen Werken fasziniert und welche seiner Arbeiten in ihrer persönlichen Favoritenliste ganz vorne stehen.

Rhonda

Meine erste Begegnung mit dem King hatte ich bereits in jungen Jahren, als meine Mutter und ihre Schwester einen Buchclub starteten, der eigentlich nur dazu diente, alte, eselsohrige und ungeliebte Schmöker loszuwerden. Neben alten Werken von Wolfgang Hohlbein und Terry Pratchett landete über kurz oder lang auch Kings Feuerkind bei mir, das ich zu der Zeit zwar noch nicht wirklich verstand, mich aber trotzdem in seinen Bann zog.

Nach dem original TV-Film Es, den anscheinend jedes Kind meiner Generation viel zu früh gesehen hat, und damit bei vielen die völlig begründete Angst vor Clowns zementiert wurde, sowie dem Lesen von Friedhof der Kuscheltiere merkte ich, dass ich nicht wirklich für das Horror-Genre gemacht wurde. Stattdessen wandte ich mich den Psycho-Thrillern zu, bei denen es Stephen King wie kein anderer versteht, alltägliche Vorkommnisse eskalieren zu lassen und so umzuspinnen, dass man auch beim hundertsten Lesen immer wieder mitfiebert.

Besonders hat es mir dabei der Roman Sie (Misery) angetan, der sich nach seinem unschuldigen Start immer wieder steigern kann und eine Geschichte in der Geschichte erzählt, durch die unser Schriftsteller-Opfer Kraft schöpft und versucht, seinen Qualen für wenige Momente zu entfliehen. Besonders die beklemmenden Fluchtversuche des Protagonisten lösen bei mir immer wieder Herzklopfen aus.

Zu meinen drei liebsten Geschichten gehören Sie (Misery), Carrie und Feuerkind.

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Kathy Bates als Annie Wilkes in Stephen Kings Misery

Anne

'Irgendetwas stimmt hier ganz gewaltig nicht.' Wer beim Lesen von diesem leicht nagenden Gefühl schon einmal gepackt wurde und das leichte Unbehagen verspürt hat, das ihn dazu bringt, die Geschichte in Windeseile durchzupflügen, wird verstehen, was mich an Kings Werk so reizt. Stephen King schafft es bravourös, die Realität ein klein wenig schief darzustellen.

Dabei muss es keinesfalls unbedingt blutig zugehen, wie es in den zahlreichen, zumeist eher miesen 80er-Jahre-Filmen mit Gummirequisiten oder pixeligen Computereffekten gerne mal der Fall war. Die kann man gerne überspringen.

Nein, wer King wirklich verstehen will, muss ihn lesen. Nur hier wird man mit schonungslos ehrlichen und humorvollen Charakterbeschreibungen und beeindruckenden inneren Monologen belohnt, die ihresgleichen suchen. Auch wenn King 200 Seiten lang einfach eine Person mit all ihren Konflikten in ihrem Alltag beschreiben würde, würde er zumindest mich damit nicht langweilen. Die Hauptfiguren sind authentisch und mit Herzblut aufgebaut, so dass man bei jedem Lesen sofort in ihre Haut schlüpfen kann. Meine erste Begegnung mit Kings Werk war hierbei nicht einmal ein Mensch, sondern ein tollwütiger Bernhardiner. Diesen Bruch glaubhaft zu transportieren, kann nur ein wirklich großartiger Erzähler schaffen.

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Szenenbild aus der Verfilmung zu Stephen Kings Cujo

Katrin

Das silberne Buch mit dem Wolf auf dem Cover war eigentlich ein Tabu für mich. Zu klein wäre ich, meinte meine große Schwester, die ständig Bücher von einem gewissen Stephen King zu lesen schien. Irgendwann gab sie mir Das Jahr des Werwolfs dann aber doch - und legte damit den Grundstein für meine Faszination an Kings Schaffen.

Es sind aber nicht die offensichtlichen Horror-Elemente, die mich immer wieder zu seinen Geschichten greifen lassen. Zugegeben, Es und damit meine liebste Erzählung von King ist schuld daran, dass ich bis heute beim Duschen nicht die Augen schließe, weil ich fürchte, dass Pennywise aus dem Abfluss auftaucht. Aber das Hauptelement in dieser Geschichte ist dasselbe wie in meiner zweitliebsten Geschichte Die Leiche - es geht um Freundschaft und das Erwachsenwerden. Die Hauptfiguren in seinen Werken stehen Dinge durch, die sie ohne den Beistand ihrer Freunde vermutlich nicht durchgestanden hätten. Und stets zahlen sie den mit dem Verlust ihrer Unschuld (an dieser Stelle klammern wir die Kinder-Orgie in Es einmal aus, auch wenn sich das Wortspiel hier aufdrängen möchte) einen hohen Preis dafür.

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Szenenbild aus Stephen Kings Es

Zudem beherrscht King es meisterlich, seine Leser so an seine Hauptfiguren zu binden, dass sie beim Lesen schnell in den Geschichten abtauchen und die Perspektive der Hauptfigur einnehmen. Wie es sich dann wohl anfühlt, mit einer Geschwindigkeit von mindestens vier Meilen pro Stunde an einem Todesmarsch teilzunehmen? Solange zu laufen, egal ob schlafend oder wach, bis man der Letzte von hundert Jungen ist, der nicht erschossen wurde? Klingt auf den ersten Blick gar nicht so nach einer Horrorgeschichte - und doch ist mein drittliebstes Werk von King gerade so schrecklich, weil es so realistische Voraussetzungen hat.

Zugegeben, die meisten Verfilmungen seiner Geschichten sind bis auf wenige Ausnahmen wie The Green Mile ausbaufähig und wenig berauschend. Aber anhand von Stand by me zeigt sich, dass am ehesten die Umsetzungen gelingen, die keinen reinen Horrorgeschichten sind.

Abschließend sei jedem, der sich selbst am Schreiben versuchen möchte, noch Das Leben und das Schreiben von King ans Herz gelegt. Neben tiefen Einblicken in die Entstehung seiner frühen Werke, gibt er nützliche Tipps und Kniffe für das Handwerk eines Schriftstellers.

The Shining Filmposter
Originaltitel:
The Shining
Kinostart:
16.10.80
Laufzeit:
119 min
Regie:
Stanley Kubrick
Drehbuch:
Stanley Kubrick
Darsteller:
Jack Nicholson, Shelley Duvall, Danny Lloyd
Jack Torrance (Jack Nicholson) hat ein Vorstellungsgespräch im Overlook, einem Hotel in den Rocky Mountains. Er bewirbt sich um den Job des Hausmeisters für den kommenden Winter, in welchem das Overlook wie jedes Jahr geschlossen wird. Es ist ein etwas unbequemer Job, da das abgelegene Hotel jeden Winter eingeschneit wird und der Winteraufenthalt ein Leben in Einsamkeit darstellt.

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