Kaiserkrieger 4- Der Aufstand

Dirk van den Boom

Mit "Der Aufstand" liegt inzwischen der vierte Band der "Kaiserkrieger" Reihe im Atlantis- Verlag vor. Nicht zuletzt durch die misslungene Meuterei einiger Mannschaftsteile und die Flucht des Waffenmeisters zu den aufständischen Gruppen, die aus Britannien heraus operieren, wird eine neue Phase für die Mannschaft der "Saarbrücken" eingeläutet. Dirk van den Boom treibt weniger die Handlung in der ersten Hälfte des unterhaltsam zu lesenden Romans voran, als dass er die schon bekannten Figuren entsprechend für den Showdown positioniert. In der zweiten Hälfte des Plots beginnt der Autor, die Geschichte nicht nur massiver, sondern nachhaltiger zu verändern. Es bleibt ohne Frage abzuwarten, ob es sich nur um Stürme in einem Wasserglas handelt, die hoffentlich nicht mittels eines "Deus Ex Machina" Konzeptes im letzten abschließenden Roman ad absurdum geführt werden oder die von der Crew der "Saarbrücken" direkt oder indirekt eingeleiteten Veränderungen Bestand haben.

In historischer Hinsicht stellt ein erster Sieg über eine Vorhut der Hunnen einen vorläufigen Wendepunkt für das bis dato durch die Horden immer mehr zurückgedrängte Rom da. Dirk van den Boom beschreibt eindringlich, welche Folgen für Mensch und Tier der Einsatz moderner Maschinengewehre sowie eine neue Kriegstaktik haben. Zwar wehren sich die Hunnen nach Kräften und können "scheinbar" eine der wichtigeren Figuren zumindest für mehrere Kapitel ausschalten, aber dem dank preußischer Militärschule unterstützten römischer Heer inklusiv sich wieder andienender Vasallenvölker können sie in "Der Aufstand" nicht widerstehen. Das Dirk van den Boom mit dem potentiellen Tod eines bislang wichtigen Nebencharakters die übliche Cliffhangarklischeekiste spielt, sei ihm angesichts der Notwendigkeit, eines griffigen Spannungsaufbaus verziehen.
Die zweite dominierende Schlachtenszene erfolgt am Ende des Romans und geht einen obligatorischen Schritt weiter. Beide Seiten verfügen über das technologische Wissen, aber nicht das endgültig „richtige“ Material, um ihre Pläne durchzusetzen.
Während von Tennberg quasi die "Freiheit" geschenkt wird, sucht von Klasewitz waffentechnisch das Rad neu zu erfinden und den Aufständischen eine Art Wunderwaffe zu verschaffen. Magnus Maximus als Statthalter Britanniens versucht mit Hilfe des Bischofs von Mailand den Kaiser zu stürzen, um selbst die Macht zu übernehmen. Dirk van den Boom hat mit der Desertation von Klasewitzs sicherlich das Gleichgewicht der Kräfte geschickt verschoben. Unabhängig von den logistischen Schwierigkeiten, die "Saarbrücken" in dieser primitiven Zeit am Laufen zu halten, verfügen die Feinde Roms über einen Zugang zu modernem Wissen, das der ehemalige Waffenmeister zumindest in primitive Form gießen kann. Nicht ungeschickt unterminiert der Autor die soziale wie wirtschaftliche Position Rheinbergs, dem auch eine persönliche Gefahr droht. Auch wenn der Autor zwischen den erstaunlich vielen Handlungsebenen hin und her springen muss, erledigt Dirk van den Boom diese Aufgabe souverän. Bis auf den schon angesprochenen, zu konstruierten Cliffhangar schließt er die einzelnen Kapitel zufriedenstellend ab und versucht nicht mit billigen Tricks das Interesse der Leser aufrechtzuerhalten. Auch wenn "Der Aufstand" auf keinen Fall Neulesern der Alternativweltserie als Einstiegsband empfohlen werden kann, fügt der Autor ausreichend Hintergrundinformationen für die Stammleser hinzu, die eher bzgl. der Details über ein Kurzzeitgedächtnis verfügen. Auf der anderen Seite sind fast zu viele Details im Fluss und die Handlung droht am Ende des Romans ein wenig zu zerflattern. Natürlich nimmt der Leser gerne am Schicksal der dreidimensional gezeichneten Figuren teil und insbesondere die fast an Romeo & Julia erinnernde Liebesgeschichte mit Kind spricht ohne kitschig zu erscheinen an, aber diese Episoden hellen in erster Linie den Hintergrund auf und geben dem Geschehen eine menschliche Komponente als das sie bislang den entscheidenden Plot vorantreiben. Hätten Autor und Verlag was kommerziell nicht umsetzbar gewesen wäre, aus den sechs Bänden drei sehr viel umfangreichere Bücher gemacht, würde es vielleicht nicht so sehr auffallen. Im vorliegenden "Der Aufstand" zeigt sich diese Breite sehr stark, da in der ersten Hälfte des Buches im Grunde nur Fäden aus dem dritten Teil abgearbeitet, aktualisiert und vorläufig abgeschlossen werden, bevor allerdings mit deutlich anziehendem Tempo in der zweiten Hälfte des Buches wieder Kohlen in die Kessel geworfen werden. Das Ende des Romans wirkt allerdings überstürzt. Historisch gesehen folgt er den Vorgaben. Die Parteien sind endgültig zerstritten und zwei Kaiser versuchen nach dem verwaisten Thron zu greifen. Der Leser beginnt sich allerdings zu fragen, ob der lange Weg in „Der Aufstand“ die Mühe wirklich wert gewesen ist.
Positiv ist auch wenn es manchmal gegen den Fluss der Handlung spricht ohne Frage die Vielzahl sehr unterschiedlicher Figuren und den Verzicht auf gängige Schemata mit dem allmächtigen wie allwissenden Kommandanten der „Saarbrücken“. Im vorliegenden Band bleibt es Reinberg nur bis auf eine etwas kitschig beschriebene Szene über, auf die Ereignisse zu reagieren und kann nicht wie in den ersten beiden Romanen des Sechsteilers agieren. Mit Maximus verfügt über einen charismatischen, aber nicht psychotischen Gegenspieler, der im Gegensatz zum Deutschen direkt nach der Macht greifen kann. Von Klasewitz erscheint in diesem Roman eher wie ein williger Handlanger. Als Vertreter der Kirche demonisiert Ambrosius als Maximus kirchlicher Helfer die „Saarbrücken“ und ihre Mannschaft. Im vorliegenden Band wirkt diese Figur zu zurückhaltend gezeichnet, auch wenn er eine der stärksten Szenen des Romans dank seiner Handarbeit sein Eigen nennt. Julia gängelt bis zur Geburt ihres Kindes weiterhin ihren eher dummen Mann. Wie schon angesprochen wirken diese Szenen eher wie Füllmaterial, während andere Figuren wie Fähnrich Tennberg eher untergehen. Thomas Volkert als römischer Centurio mitten in der Schlacht präsentiert die Grausamkeit der damaligen Kriegsführung, mehr hat diese Figur aber leider nicht zu tun.
Zusammenfassend nutzt Dirk van den Boom diese Figuren, um insbesondere den historischen Hintergrund in teilweise sehr authentisch wirkenden Farben zu malen. Seine Recherche ist zufrieden stellend bis stellenweise sehr gut. Manchmal hat der Autor allerdings auch den Hang, neben wichtigen Informationen in eher zweitklassigen Szenen zu zusätzlichen leicht belehrenden Exkursen auszuholen, die weder plotrelevant noch wirklich notwendig sind.
„Der Aufstand“ ist konstruktionstechnisch ein gut gelungenes Buch. Die verschiedenen Ebenen sind wie schon angesprochen gut voneinander abgetrennt und die Hintergründe sehr gut in die Handlung integriert. Die geschichtlichen Abweichungen bilden sich für den Leser jederzeit nachvollziehbar und in erster Linie durch gut geschriebene Dialoge vorangetrieben aus. Die Handlungen der Figuren sind überwiegend plausibel, wobei Dirk van den Boom wie bei der Einführung des Kaffees nicht alles ganz ernst und bedeutungsschwanger erzählt. Was den Gesamtbogen angeht wird der Plot erst in der zweiten Hälfte des Romans weiterentwickelt. Kritisch gesprochen könnte die Exposition über eineinhalb Romane als zu lang bezeichnet werden. Dieses Manko wird durch die Vielzahl unterschiedlicher Protagonisten in sehr verschiedenen Situationen gut ausgeglichen, so dass „Der Aufstand“ ein weiterer lesenswerter Teil der „Kaiserkrieger“ Saga ist. Es wird aber unbedingt empfohlen, die Lektüre mit dem ersten Band und nicht dem vorliegenden vierten Roman zu beginnen.    

Dirk van den Boom: "Kaiserkrieger 4- Der Aufstand"
Roman, Softcover, 260 Seiten
Atlantis- Verlag 2012

ISBN: 9-7839-4125-8600