Trespass / Die Rap-Gang

Originaltitel: 
Trespass
Land: 
USA
Laufzeit: 
101 min
Regie: 
Walter Hill
Drehbuch: 
Bob Gale, Robert Zemeckis
Darsteller: 
Bill Paxton, Ice-T, William Sadler
Kinostart: 
06.05.93

Kritik & Inhalt
von Thomas Harbach (für SF-Radio.net)

Auch wenn der Klappentext von einem Quasiremake von Walter Hustons Klassiker „Der Schatz der Sierra Madre“ spricht, liegt die Ähnlichkeit zu einem anderen Walter Hill Klassiker auf der Hand. „Die letzten Amerikaner“. In diesem Film reist eine Gruppe von Männern auf einer freiwilligen Wehrsportübung in das amerikanische Hinterland und muss sich gegen die Ureinwohner in einem verzweifelten Überlebenskampf zur Wehr setzen. In „Trespas“ treffen zwei weiße Amerikaner auf eine Handvoll von Farbigen, welche eine ehemalige Fabrik zu ihrem Drogenumschlagplatz gemacht haben. Wieder verlassen die weißen Amerikaner in ihrer unbeschreiblichen Arroganz ihr ureigenes Reich und werden mit einer Gefahr konfrontiert, für die sie selbst verantwortlicht sind. In beiden Filmen sieht es erst nach einer klaren Niederlage der von der Zivilisation verweichlichten Städter aus. Erst als sie sich auf ihre Urinstinkte besinnen, haben sie eine Überlebenschance. Unter großen Opfern besiegen sie die Feinde und kehren geläutert in die Zivilisation zurück. Eine einfache Geschichte, die uns Walter Hill in beiden Filmen erzählt, die ihre Faszination aber aus einer geradlinigen Handlung mit einfachen Charakteren bezieht.

Insbesondere in den achtziger und neunziger Jahren konnte Walter Hill die mit seinen Erstlingen wie „Driver“ begonnene Tradition des amerikanischen Straßenwestern ausbauen. Sei es durch eine mit Rockelementen aufgemotzte Märchenfantasy wie „Streets of Fire“ oder das Nick Nolte/ Eddie Murphy Vehikel „Nur 48 Stunden“. „Trespas“ ist wie „Ausgelöscht“ eine seiner Arbeiten, die auf dem Papier ungemein fasziniert und vor allem politisch inkorrekt sind, auf der Leinwand aber nicht immer wirklich überzeugen können. Gleich zu Beginn zeigt Walter Hill in der Tradition John Carpenters „Assault on Precint 13“, wie sich zwei Handlungsebenen aufeinander zu bewegen. Auf der einen Seite die beiden Feuerwehrleute und Kollegen Vince – Bill Paxton in einer kraftvollen Darstellung – und Don – William Sadler bleibt manchmal zu sehr in den Klischees seines eher eindimensionalen Charakters hängen -, die bei einem Einsatz einem Mann begegnen, der sie mit einer Pistole bedroht. Er gibt ihnen einen kleinen Papierumschlag und stürzt sich selbst in die Flammen. Der Umschlag enthält ein Goldkreuz, die Karte eines Gebäudes und einen Zeitungsartikel über den Diebstahl von sehr seltenem griechischem Kirchenschmuck aus dem Jahre 1941. Die Karte führt anscheinend zu diesem Schmuck. Auf der zweiten Handlungsebene sieht der Zuschauer die Videoaufzeichnung eines Drogendeals, der nicht sonderlich gut verlaufen ist. Einer der Männer scheint die Gang hintergangen zu haben und wird kaltblütig hingerichtet. Die Gangs wollen sich in einem verlassenen Industriegebiet treffen und dort die Übergabe weiterer Drogen verhandeln. Natürlich ist dieses Industriegebiet auch das Ziel der beiden Freunde, die sich entschlossen haben, an einem Wochenende den Schatz zu bergen.

Wie hervorragend Walter Hill das Sujet des Thrillers beherrscht, zeigt sich gleich zu Beginn des Films. Die Freunde durchkämen die verwahrloste Industrielandschaft und auf einer Etage hören sie ein Geräusch hinter einer Metalltür. Sie machen sie auf und finden eine Leiche. Anscheinend hat der Mann sich vor einigen Monaten erhängt und die Ratten haben sich schon gütlich getan. Der Zuschauer sieht nur die Füße in der Luft, die Gespräche zwischen den beiden Freunden füllen die Phantasie auf- eine Szene wie aus dem Horrorfilm ist perfekt.

Vince und Don treffen auf einen alten Farbigen, der in den leer stehenden Gebäuden haust. Dieser glaubt, dass die Weißen ihm sein weniges Geld stellen wollen. Schließlich werden sie Zeuge des gescheiterten Drogendeals. Ice T als intelligenter rücksichtsloser Anführer und Ice Cube als sein williger Gehilfe töten einen zu gierigen Konkurrenten. In diesem Augenblick eskaliert die Situation. Mit schnellen Schnitten, wechselnden Perspektiven, unvollständigen Szenen zeigt Hill sehr gut das Chaos der Situation. Don und Vince nehmen Ice T Bruder als Geisel und verschanzen sich auf der fünften Etage. Die Eisentür schützt sie vorläufig, aber sie können auch ihrem Gefängnis nicht zu entkommen. Ein Katz- und Mausspiel zwischen den Belagerern und den Eingeschlossen beginnt. Im Mitteilteil des Films erzählt Walter Hill einen klassischen Howard Hawks Western. Nur ersetzen die farbigen Drogendealer die Indianer. Ice T holt Verstärkung, seine Gangmitglieder decken alle Klischees vom dummen Helfer bis zum elegant gekleideten Möchtegernschurken ab. So viel Mühe sich zu Beginn eines einzelnen Auftritts macht, so sehr fließen sie am Ende des Films zusammen. In Carpenters „Assault“ funktionierte diese Gesichtslosigkeit auf eine beeindruckende Weise, in Walter Hills „Trespass“ erwartet der Zuschauer vor allem aufgrund der wenigen Protagonisten mehr Sorgfalt bei den Figuren.

Handlungstechnisch gelingt es dem Regisseur nicht zuletzt dank des guten, solide geschriebenen Drehbuchs von Robert Zemeckis und Bob Gale, die Isolation der Weißen mit ihrer unfreiwilligen Geißel und dem scheinbar verrückten alten Farbigen sehr überzeugend darzustellen. Die Versuche Vince und Dons, den Widersachern Paroli zu bieten, sind abwechselungsreich beschrieben. Es gibt keine Widerholungen, der Zuschauer beginnt mit ihnen mitzufiebern und selbst über das Problem nachzudenken. Die Farbigen sind intelligente Widersacher, die nicht nur brachiale Gewalt nutzen, sondern sie pointiert einsetzen. Das Ice T aufgrund der Sorge um seinen Bruder – oder Seelenbruder, da sie anscheinend verschiedene Eltern haben – die Kontrolle über seine Männer verliert und das versteckte Gold schließlich auch ihnen die Verstand raubt, wird zu Beginn nur impliziert, ist aber am Ende des Films das treibende Element. Hätte das Drehbuch die Antagonisten – bis auf Ice T, der in seiner Rolle überzeugen kann – etwas nuancierter, etwas vielschichtiger und nicht so eindimensional dargestellt, wäre das Psychospiel auf beiden Seiten der metallenen Tür deutlich überzeugender gewesen.

Mit den Spannungen zwischen den beiden Gruppen nehmen auch die Differenzen zwischen Vince und Don zu. Don will den Schatz heben, um aus seiner Schuldensituation herauskommen. Er muss für seine verflossene Frau oder Freundin zahlen, lebt in einer kleinen Bude und fährt ein protziges Auto. Er ist der typische Macho, der mit seiner Waffe herumfummelt und auch keine Angst hat, Menschen zu erschießen, die ihm alleine aufgrund ihrer Hautfarbe unterlegen sind. Gäbe es nicht den verschlagenen alten Mann, könnte man den Film sehr schnell in zwei Lager unterteilen. Die guten Weißen, die selbst wenn sie Verbrechen begehen, unschuldig sind. Die verschlagenen Farbigen, die sich in der Rolle der Mörder und Drogendealer wohl fühlen. Wenn Ice T davon spricht, dass die Weißen erst das Heroin erfunden haben, um es den Farbigen zum Dealen geben und ihnen dann den Erfolg neiden, dann wirkt dieser Ausspruch wie eine Entschuldigung für das folgende Blutbad. Da passt es in das Szenario, das Don schließlich dem schnell verdienten Geld – die Ursprungsidee – entsagt und keine Skrupel mehr kennt, sich den Weg mit brutalster Gewalt freizuschießen. Wie im klassischen Western muss er dafür bestraft werden. „Trespass“ ist einer der Filme, in dem die Motivation der Charaktere in einem direkten Zusammenhang mit ihrem Schicksal steht. Trotz bestechender Actionszenen macht es sich das Drehbuch an einigen Stellen viel zu leicht, der Film hangelt sich von einem intensiven Höhepunkt zum nächsten, ohne das die sensible Balance wieder hergestellt werden kann. Nach dem guten Showdown zwischen Ice T und Don kommt es zu einigen originellen Szenen, die endlich der Quasi- Vorlage „Der Schatz der Sierra Madre“ gerecht werden.

Vince hat – wie alle Walter Hill Charaktere – aus der Situation gelernt. Das Wochenende hat ihn nicht nur altern lassen, sondern wird ihn in eine feste Beziehung/ Ehe führen. Er bleibt monetär arm. Aber reich an Erfahrungen. Das Drehbuch unterstreicht an mehreren Stellen sehr pointiert seine im Grunde sympathische Naivität. So wird Bill Paxtons Figur zu einzigen wirklichen Identifikationsfigur des Zuschauers. Ungewöhnlich für Hills Filme, dass der zugänglichste Charakter nicht der coolste und von sich selbst überzeugte „Held“ ist. Diese Verschiebung der Perspektive macht aus einem reinen, oberflächlichen Actionspektakel einen nicht unbedingt intelligenten, aber spannenden Thriller. Gegen Ende des Films unterliegt der Regisseur allerdings der Versuchung, den allzu kompakten Stoff zu Strecken. Die eingefügten Szenen, in denen das Geschehen aus der Perspektive der niemals neutralen Videokamera als eine Art Pre- Realityshow gezeigt wird, wirken aus heutiger veraltet und überstrapaziert. Zu Beginn des neunziger Jahre wahrscheinlich originell und frisch. Trotzdem beschleunigen sie nicht das an sich schon rasante Geschehen, sie verzerren die intensive nihilistische Atmosphäre und wirken übereifrig.

„Trespass“ ist ein Film der Extreme. Hill zeigt die Gier der Weißen, die trotz ihrer minutiösen Vorbereitung schließlich beim Betreten des anderen Amerika zu erst hilflos sind und sich erst wieder herankämpfen müssen und die extrem coolen Farbigen, die mit einer comichaften überzogenen Charakterisierung den Graubereich verteidigen, den sie sich in erster Linie von anderen Minderheiten erkämpft haben. Darüber hinaus ist „Trespass“ im Grunde ein Kammerspiel, beherrscht von sehr wenigen Charakteren, die mit einem groben Strich gezeichnet worden sind, aber dadurch zumindest für eine Spielfilmlänge interessant erscheinen. Darüber hinaus ist der Film für sein Budget und vor allem die Pre- CGI Ära ein Actionmeisterwerk mit einem nihilistischen skeptischen Grundton. Wer politische Korrektheit erwartet, sollte wo anders schauen. Wer sich vor allem für eine der ersten Drehbucharbeiten Robert Zemeckis interessant, der zusammen mit Bob Gale ein außergewöhnlich intensives Drehbuch geschaffen hat, liegt mit „Trespass“ richtig.

Es ist die coole Welt der modernen Asphaltcowboys, die Walter Hill in vielen seiner Filme nachzeichnet. Die Motive seines Inszenierungsstils und vor allem seiner thematischen Schwerpunkt ziehen sich durch „Trespass“, der Film dient als der Übergang von den urbanen Thriller zu den modernen Western, denen sich Hill in seinen nächsten Filmen gänzlich zuwenden sollte. Die Handlung ist reiner Westernstoff in einem modernen Ambiente, die Charaktere sind noch die gebrochenen selbst verliebten Außenseiter. Das schließlich ein Narr der Sieger dieser Bleiorgie sein wird, ist eine weitere ironische Note, wie sie Hill gerne zeichnet und welche die Kritiker ihm so oft abgesprochen haben. Der Regisseur nimmt den Stoff entsprechend ernst und inszeniert „Trespass“ sehr geradlinig mit schnellen Schnitten zwischen den beiden Extremen schwarz und weiß. Immer wieder gibt er dem Zuschauer einen Wissensvorsprung vor einer Gruppe –aber niemals Belagerten und Belagerern gleichzeitig! So verkleidet sich einer der Farbigen als Polizist und spielt den Weißen eine Farce vor. Der Zweck dieser Übung ist nur den Zuschauern und den Farbigen bekannt. Dadurch gewinnt die Szene aus dem Nichts heraus an Spannung. Das in Walter Hills Universum auch Helden sterben, ist bekannt.

Nach den ersten dreißig Minuten bereitet der Regisseur die Zuschauer allerdings zu plakativ, zu offensichtlich auf das weiße Opfer dieser Geschichte vor und nimmt den Stoff zumindest ein wenig seiner inneren Spannung. „Trespass“ lässt sich heute mit anderen Augen sehen als 1992, als Los Angeles von den Rassenunruhen erschüttert wurde. Der Film ist in diesem Jahr um ein halbes Jahr verschoben worden. Trotzdem macht Walter Hills Arbeit vor allem in einer Zeit klinisch neutraler Actionprodukte einfach nur Spaß und unterhält auf einem soliden Niveau hervorragend. Koch Media hat die nicht jugendfreie Fassung des Films im passenden 1.85:1 Format veröffentlicht. Das Bild ist sehr kräftig – angesichts der vorherrschenden dunklen Töne und dunklen Szenen keine leichte Übung – und digital gut bearbeitet worden. Keine Verschmutzungen und die Rauschunterdrückung hat gut gearbeitet. Es finden sich die empfehlenswerte Originalton mit soliden deutschen Untertiteln – der Slang des Farbigen und die Arbeitersprache der eingeschlossenen Freunde lassen sich zwar adäquat ins Deutsche übersetzen, wirken aber distanzierend – und die deutsche Tonspur. Beide sind in Dolby Digital 2.0, die Hintergrundgeräusche harmonieren sehr gut mit den Dialogen. Zu den Extras gehören neben dem qualitativ deutlich schlechter wiedergegebenen Kinotrailer ein kleines Making Off mit einer Laufzeit von insgesamt 4 Minuten deutlich zu kurz, eine Bildergalerie in erster Linie mit seltenem Werbematerial und schließlich die entfallenen Szenen. Es handelt sich um insgesamt fünf Minuten, die aber keine weiteren wichtigen Informationen enthalten.

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