Elysium

Originaltitel: 
Elysium
Land: 
USA
Laufzeit: 
109 min
Regie: 
Neill Blomkamp
Drehbuch: 
Neill Blomkamp
Darsteller: 
Matt Damon (Max Da Costa), Jodie Foster (Ministerin Delacourt), Sharlto Copley (M. Kruger), Alice Braga (Frey Santiago), Emma Tremblay (Matilda Santiago), Diego Luna (Julio), Wagner Moura (Spider), William Fichtner (John Carlyle)
Kinostart: 
15.08.13

Kritik

von Cornelia Stegemann. Wer in der griechischen Mythologie in der Gunst der Götter besonders hoch steht, hat es gut. Er erhält nach dem Tod, oder wenn er genügend Aufgaben für die hohen Herren und Damen im Olymp erledigt hat, Zutritt zu den elysischen Gefilden (auch Elysion oder lateinisch Elysium), wunderschönen Inseln, auf denen Nektar und Ambrosia fließen. Dort angekommen, sind alle Sorgen und Nöte ein für alle Mal vorbei. Diesem uralten Mythos bedient sich Regisseur und Autor Neill Blomkamp nicht nur beim Namen seines neues Science-Fiction-Meisterwerks Elysium - vier Jahre nach District 9 sein zweiter Kinofilm.

Elysium spielt im Jahr 2154. Die Erde ist verbraucht und ausgelaugt. Die Spuren von industrieller Ausbeutung und Überbevölkerung sind unübersehbar. Von den einst glitzernden Hochhäusern von Los Angeles sind nur noch Ruinen übrig. Die Stadt hat sich in ein einziges, großes Armenviertel verwandelt. Bei näherer Betrachtung ist dies nicht verwunderlich, leben dort schließlich nur noch diejenigen, die gesellschaftlich den untersten Schichten angehören. Wer es sich leisten kann, hat den sterbenden und im wahrsten Sinne des Wortes verwüsteten Planeten längst verlassen und sich nach Elysium zurückgezogen. Auf der riesigen, kreisförmigen Raumstation, die die Erde umrundet und wie ein hohles Auge auf die Reste der Menschheit herabblickt, herrschen wahrhaft paradiesische Zustände. Im Schutz ihres Rings wurde eine neue Welt für die Reichen und Schönen errichtet, in der es großzügige Gärten und saubere Häuser gibt und in der keiner leiden muss. Modernster Technologie sei Dank wurden Krankheiten neben der lästigen Armut gleich mit eliminiert. Wer doch einmal Unbehagen verspürt, legt sich in eine Maschine, die ihn in Sekundenschnelle heilt und die, wenn gewünscht, gleich obendrauf noch schicken Körperschmuck anbringen kann. Dieser Luxus wird den auf der Erde Verbliebenen natürlich nicht zuteil. Unerwünschte Eindringlinge auf Elysium werden sofort deportiert und wieder dem Regime auf der Erdoberfläche unterworfen, das von Maschinen emotions- und rücksichtslos durchgesetzt wird.

In dieser harten und erbarmungslosen Realität versucht Max DeCosta, ein verzweifelter Arbeiter, der dem Tod Auge in Auge gegenüber steht und der schon sein Leben lang davon träumt, die erlösende Raumstation zu besuchen, sein Seelenheil auf Elysium zu finden. Von Not getrieben läst er sich auf den riskanten Plan ein, der ihn mitten in die Schusslinie und in einen Kampf katapultiert, den er in dieser Form zu kämpfen nicht geplant hatte.

Neill Blomkamps Kinodebüt District 9 zählt in meinen Augen nach wie vor zu den besten Filmen der letzten Jahre. Kaum ein anderer Film hat es geschafft, mich mit seinen Figuren derartig zu berühren und mich mit seiner Thematik noch Wochen nach dem Verlassen des Kinosaals zu beschäftigen. Mit Elysium präsentiert der Regisseur seinem Publikum nun erneut düstere und sozialkritische Science-Fiction. Im Vorhinein war ich sehr kritisch, ob ein Konzept, das von seiner Grundstruktur seinem Vorgänger so ähnlich ist, ein weiteres Mal funktionieren würde. Ich wurde eines Besseren belehrt. Ja, auch in Elysium wird die Kluft zwischen Arm und Reich thematisiert. Ja, auch in Elysium gibt es einen Helden, der zu seinem Schicksal mehr getrieben wird, als dass er es sich selbst aussucht und der gejagt wird. Neill Blomkamp zeigt dennoch eine völlig neue Welt und beleuchtet ganz andere Aspekte, allem voran die Frage danach, wie Heilung und Seelenheil zusammenhängen. Die Welten, die der gebürtige Südafrikaner schafft, sind viel größer als seine Filme. Sowohl District 9 als auch Elysium beleuchten nur kleine Teilaspekte von riesigen Gedankenexperimenten, die es wert sind, sich damit noch weit über die jeweils etwas mehr als 100 Minuten zu beschäftigen.

Elysium kann als Actionfilm, der in der Zukuft spielt, konsumiert werden. Er bietet einen Anfang, eine Story, in deren Verlauf es ordentlich zur Sache geht und mit gut gemachten Spezialeffekten nicht gegeizt wird, sowie ein Ende, das die erzählte Geschichte abschließt. Wer allerdings davon ausgeht, dass er am Ende mit dem guten Gefühl, bei der Rettung der Welt durch einen starken Helden dabei gewesen zu sein, nachhause geht, könnte enttäuscht werden. Ich persönlich hatte eher den Eindruck nur einen Anfang gesehen zu haben. Das ist in diesem Fall sehr positiv gemeint. Die Lupensicht auf die Ereignisse, diese herrliche Fülle an Lücken, genau an den richtigen Stellen platziert um weiterzudenken, die vollkommene Unvollkommenheit sind es, die den Film meiner Meinung nach so sehenswert machen.

Für mich ist Neill Blomkamp einer der vielversprechendsten Filmemacher dieser Tage. Er verbindet große Science-Fiction mit Autorenkino. Ich hoffe auf viele weitere Ideen von ihm für unvollkommene Welten und darauf, dass es in den kommenden Jahren weitere Produzenten geben wird, die ihn bei der Verwirklichung dieser Gedanken nicht beschränken, sondern bestärken. Die Geschichten, die er erzählt, sind einzigartig und seine Art Filme zu machen überzeugt. Er beweist, dass Gegensätze sich anziehen indem er laut und leise, dunkel und hell, langsam und schnell gerade dort einsetzt, wo man es nicht erwartet. Dadurch werden die Eindrücke, die er vermittelt, so nachhaltig.

Stark ist auch die Leistung der beteiligten Schauspieler, vor allem von Matt Damon als Held wider Willen. Mit geschorenem Kopf und Exoskelett kämpft er sich als Max DeCosta seinen Weg frei. Er schafft es die verschiedenen Aspekte des Charakters - seine kriminelle Vergangenheit, sein Streben nach Besserung, seine schier unglaubliche Naivität, seine Fähigkeit zu fast kindlicher Träumerei - zu vereinen und glaubhaft darzustellen. Dass in vielen Köpfen immer noch "Team America" nachhallt, wenn sein Name zur Sprache kommt, ist lustig, wenn auch sehr unfair. Jodie Foster spielt die eiskalte und berechnende Ministerin Delacourt routiniert. Sie vermittelt nicht dass Gefühl, dass diese Rolle eine große Herausforderung für sie war. Auf die Seite der Gegner gewechselt hat Sharlto Copley, Hauptdarsteller aus "Dirstrict 9", der seine Rolle als fieser Agent Kruger, der alles daransetzt, Max am Erreichen seines Ziels zu hindern, sichtlich genießt. Er ist ein Schauspieler mit großem Potenzial und ich freue mich darauf, ihn in weiteren Rollen - egal ob gut oder böse - zu sehen. William Fichtner brilliert als aalglatter und raffgieriger Firmenboss. Max Freundin aus Kindertagen, Frey, wird solide gespielt von Alice Braga. Auch die Nebenrollen sind durchweg passend besetzt, zum Beispiel mit Wagner Moura als Schleuser namens Spider.

Wer kritisieren will, kann sagen, dass sämtliche Elemente, aus denen Elysium als Gesamtwerk besteht, nicht neu sind. Das entbehrt zugegebenermaßen nicht einer gewissen Wahrheit. Es ist jedoch die richtige Mischung der Zutaten, gewürzt mit neuen Ideen, kritischen Untertönen und einer rundum stimmigen Präsentation, die diesen Film für meinen Geschmack zu einem echten Leckerbissen macht.

Filmkategorie: